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Peres: "Drohungen kriechen an uns heran"

Präsident Schimon Peres zieht im Bundestag Lehren aus dem Völkermord – und warnt vor Irans Atomprogramm.

Von Hans Monath

Es ist sehr still im Deutschen Bundestag, als Schimon Peres auf seinen Großvater zu sprechen kommt, den die Deutschen ermordet haben. „Ich sehe ihn noch vor mir, eingehüllt in seinen weißen Bart und seinen Gebetsmantel“, sagt der israelische Präsident, der dem Holocaust entkam, weil er noch als Kind aus Polen nach Israel gelangte. „Ich erinnere mich an seine Worte: Mein Kind, bleib immer ein Jude.“ Es war das letzte Mal, dass der Lieblingsenkel den Mann sah, der ihn die Thora gelehrt hatte. Wenig später verbrannten die Nazis sämtliche Juden des polnischen Dorfes in der Synagoge. Von der gesamten Gemeinde, so Peres, „blieb nur Asche und Rauch“.

Mit dem Kaddisch-Gebet hat der Gast in der Gedenkstunde für die Opfer des Holocaust seine Rede begonnen: „Fülle des Friedens und Leben möge vom Himmel herab uns und ganz Israel zuteil werden.“ Dann spricht der 86-jährige Friedensnobelpreisträger vom Schicksal seines Großvaters („dem wertvollsten und ehrlichsten Menschen, den es je gab“), beschreibt in schmerzhaften Bildern die der Vernichtung der Juden in der NS-Zeit und erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945: „An diesem Tag stieg der Rauch noch aus dem Krematorium auf.“

Die wichtigste Lehre aus dem Völkermord sei das „Nie wieder“, mahnt er die Abgeordneten und die Spitzen des Staates: „Nie wieder eine Rassenlehre. Nie wieder ein Gefühl von Überlegenheit. Nie wieder eine scheinbar gottgegebene Berechtigung zur Hetze, zum Totschlag, zur Erhebung über das Recht.“

Der hohe Gast beschwört aber nicht nur die Gräuel der Vergangenheit, sondern würdigt auch die „einzigartige Freundschaft“, die sich zwischen Israel und Deutschland entwickelt habe. „Wir waren und sind der Überzeugung, dass das neue Deutschland alles in seiner Macht Stehende tun wird, damit der jüdische Staat sich nie mehr allein einer Gefahr ausgesetzt sehen muss.“ Die größte Bedrohung, so macht er deutlich, sieht Israel im iranischen Nuklearprogramm: „Die Drohungen, unser Volk und unseren Staat zu zerstören, kriechen im Schatten von Massenvernichtungswaffen an uns heran, die im Besitz irrationaler Menschen sind.“ Israel sei froh, dass sich Deutschland klar gegen die Gefahr stelle.

Schon bei der Begrüßung von Peres hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die historische Verantwortung Deutschlands für Israels Existenz betont und Widerstand der internationalen Staatengemeinschaft gegen diese Bedrohung gefordert. Irans Atomprogramm war ein zentrales Thema beim dreitägigen Staatsbesuch von Peres in Berlin. Am Dienstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Präsidenten den Druck auf Teheran erhöht und die Bereitschaft Deutschlands zu einer neuen Runde härterer Sanktionen gegen den Iran unterstrichen. „Die Zeit läuft aus“, meinte sie.

Nach Peres spricht im Bundestag der jüdisch-polnische Historiker Feliks Tych. Er beklagt, dass die Bevölkerung in den von Deutschland besetzten Ländern in Osteuropa die Verfolgung der Juden teilweise unterstützte und in Einzelfällen sogar nach dem Ende des Krieges Pogrome veranstaltete. Die Erinnerung an den Holocaust bleibe unvollständig, „solange eine europäische Komplizenschaft nicht Bestandteil des europäischen historischen Bewusstseins ist“, mahnt er eindringlich. Der ehemalige Leiter des Jüdisch-historischen Instituts in Warschau hatte als Kind den Holocaust nur überlebt, weil er mit falscher Identität bei einer polnischen Lehrerin Unterschlupf fand. Seine Geschwister und Eltern wurden im KZ Treblinka ermordet.

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