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Die gesetzliche Krankenversicherung wird teurer. 

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Druck im System: Sind die Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge nur der Anfang?

Viele Krankenkassen haben zum Januar ihre Beiträge angehoben. Millionen gesetzlich Versicherte müssen deutlich mehr bezahlen – ein Trend, der sich fortsetzt?

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat für 2024 den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für gesetzlich Kranken­versicherte um 0,1 Prozentpunkte auf 1,7 Prozent erhöht. Die genaue Höhe legen die Krankenkassen dann jeweils für sich fest, sie können vom Durchschnitt abweichen. Dutzende Kassen erhöhten die Beiträge kräftig. Ist das nur der Anfang? Drei Fachleute äußern sich. Alle Folgen unserer Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die Reform der Notfallversorgung wird Abhilfe schaffen

Das Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und damit steigende Beiträge sind primär auf strukturelle Ursachen zurückzuführen, die über viele Jahre nicht ausreichend adressiert wurden. Die demografische Entwicklung ist demgegenüber bisher nicht der Haupttreiber der Gesundheitsausgaben.

Das eigentliche Problem liegt in der hohen und unkoordinierten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Länder wie Frankreich und Dänemark zeigen, wie es durch Reformen gelingen kann, dies zu überwinden, ohne Abstriche in der Versorgungsqualität zu machen.

Der Hauptschlüssel liegt in der Reduktion der stationären Belegungstage, die besonders viel Personal erfordern. Insbesondere die seit vielen Jahren geplante Reform der Notfallversorgung wird dabei helfen. Sie soll sicherstellen, dass Bürgerinnen und Bürger im Notfall besser durch das System gesteuert werden und so, nur falls dringend nötig, stationär aufgenommen werden.

Weitere wichtige Instrumente sind eine Reform der Krankenhausvergütung und eine Reform der ambulanten Vergütung. Letztere soll bewirken, dass Ärzte nicht unnötig einbestellen und der Hausarzt stärker als Koordinator der ambulanten Versorgung fungiert.


Weitere Beitragserhöhungen sind vorgezeichnet

Bisher kam es für die GKV-Finanzen nicht so schlimm wie befürchtet: Eine große Rezession wegen Energiemangels blieb aus, stattdessen trieb die Inflation die Nominallöhne nach oben und bescherte hohe Beitragseinnahmen, während die regulierten Preise für Behandlungsleistungen verzögert steigen.

In der Vergangenheit wurde oft die Entwicklung der Ausgaben über-, der Einnahmen unterschätzt, sodass die Finanzreserven wuchsen: 2018 erreichten sie mit 31 Milliarden Euro ein Maximum. Um den Finanzierungsbedarf zu decken, war der Abbau dieser Reserven richtig, aber im nächsten Jahr werden sie fast aufgebraucht sein. Dann lässt sich das Grundproblem nicht mehr überdecken: dass die Ausgaben schneller als die beitragspflichtigen Einnahmen wachsen.

Das Arbeitskräfteangebot beginnt sich zu verringern, während geplante große Reformvorhaben eher höhere anstatt geringerer Ausgaben zur Folge haben werden. Damit sind weitere Beitragserhöhungen vorgezeichnet. Um diese zu vermeiden, gibt es nur wenig Alternativen: mehr Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt an die GKV und die Begrenzung der Leistungsansprüche der Versicherten.


Die Politik wälzt Versäumnisse auf die GKV ab

Sind sie. Auch, weil die Politik eigene Reformversäumnisse mittlerweile routiniert auf die GKV abwälzt. Denn es ist bequem. Zunächst ist der große Kostenblock für viele Versicherte immer noch abstrakter Natur, da er bei den Angestellten (also den meisten Versicherten) direkt vom Gehalt abgezogen wird, nicht als Ausgabe spürbar wird.

Und jene, die sich über steigende Beiträge ärgern, sehen die Schuld meist bei ihrer Kasse, weniger bei der Politik. Dabei hat die über die letzten Legislaturperioden und Parteigrenzen der Amtsinhaber hinweg viel getan, Strukturprobleme nicht zu lösen, sondern mit teuren Gesetzen zu verschärfen.

Inzwischen subventionieren GKV-Zahler sogar den Bundeshaushalt, etwa durch die beitragsfreie Versicherung von Bürgergeldempfängern – so werden zur Freude von Finanzminister Christian Lindner (FDP) Milliarden im Haushalt gespart. Die Ampel zeigt (bis auf ein Versprechen im Koalitionsvertrag) keine Ambitionen, daran etwas zu ändern. Ist ja praktisch, wenn mal jemand anders zahlen muss.

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