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Eine chinesische Bürgerin mit Maske beim Einkaufen in der Stadt Guangzhou.

© IMAGO/Xinhua

„Eine Frage des Nationalstolzes“: China will weiterhin keine westlichen Corona-Impfstoffe zulassen

Chinesische Corona-Impfstoffe sind Studien zufolge nicht so effektiv wie westliche. Dennoch will China die ausländischen Produkte nicht zulassen. Außerdem bestehen nach wie vor Impflücken.

Der chinesische Staatschef Xi Jinping ist nicht bereit, westliche Impfstoffe zu zulassen – trotz Protesten gegen die restriktive Coronapolitik und der Tatsache, dass die Wirksamkeit der lokalen chinesischen Impfstoffe einigen Studien zufolge nicht so effektiv ist wie die der westlichen.

Ein US-Beamter sagte gegenüber Reuters: „Es scheint ziemlich weit hergeholt, dass China zum jetzigen Zeitpunkt westlichen Impfstoffen grünes Licht geben würde. Es ist eine Frage des Nationalstolzes, und davon müssten sie eine ganze Menge schlucken, wenn sie diesen Weg gehen würden.“

„Wir sehen mit den Protesten im Moment keine Bedrohung für die Stabilität, keinen Regimewechsel oder ähnliches“, sagte die Direktorin des US-Geheimdienstes Avril Haines auf dem jährlichen Reagan National Defense Forum in Kalifornien.

Proteste gegen strenge Lockdowns

Vielmehr bemühe sich die chinesische Führung derzeit darum, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Politik zu minimieren, hieß es beispielsweise in einer Analyse der Bank Goldman Sachs. Am vergangenen Wochenende hatte es in vielen Städten Chinas Proteste gegen die strenge Auslegung der Null-Covid-Politik von Präsident Xi Jinping gegeben.

Diese stützt sich insbesondere auf vergleichsweise lange, strenge Lockdowns. Das bremst die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt allerdings aus, das für dieses Jahr erwartete Wachstum dürfte eines der schwächsten seit fast einem halben Jahrhundert sein.

Im Zuge der Proteste hatte die chinesische Regierung angekündigt, das Tempo bei den Corona-Impfungen zu erhöhen. Insbesondere die über 80-Jährigen sollen immunisiert werden. In chinesischen Staatsmedien wurde am Sonntag dafür geworben.

Eine Demonstrantin am 28. November 2022 in Hongkong.
Eine Demonstrantin am 28. November 2022 in Hongkong.

© IMAGO/ZUMA Wire/Ben Marans

Die Zahl der Neuinfektionen in China ging am Sonntag weiter zurück, was aber auch auf die geringere Zahl an Tests zurückzuführen sein könnte. Die Behörden meldeten 31.824 neue Fälle nach 32.827 am Samstag. Die höchste Zahl an Neuinfektion binnen Jahresfrist seit Ausbruch der Pandemie lag erst von einigen Tagen bei über 40.000.

Zwei weitere Menschen starben in Zusammenhang mit dem Virus. Damit stieg die – offizielle – Todeszahl seit Ausbruch der Pandemie auf 5235. Trotz der Lockerungen gehen Experten davon aus, dass mit einer grundlegenden Abkehr von Chinas Null-Covid-Politik nicht vor März zu rechnen ist.

Was Experten über die chinesischen Impfstoffe sagen

Auf dem Weg aus der Covid-19-Pandemie in China dürften Impfstoffe eine entscheidende Rolle spielen – aber sollten es besser westliche statt chinesische Präparate sein, wie manche Experten vorschlagen? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten.

„Unter dem Strich kann man sicher sagen, dass die mRNA-Impfstoffe nach Studiendaten effizienter als die chinesischen Präparate sind, wenn es um das Vermeiden schwerer Covid-19-Verläufe geht“, sagte Sebastian Ulbert, Abteilungsleiter Impfstoffe und Infektionsmodelle am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig. „Das heißt aber nicht, dass die dortigen Impfstoffe völlig versagen. Die sehr harte Kritik an Chinas Impfstoffen, die man teils aus den USA und Europa hört, halte ich daher für unangemessen.“

„Bis zum Aufkommen von Omikron konnte man sagen, dass die chinesischen Impfstoffe funktionieren und auch erst einmal genügend Schutz vor schwerer Erkrankung bieten“, sagte Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Insgesamt habe China zehn Covid-19-Impfstoffe zugelassen. „Darunter sind mit Sinovac und Sinopharm zwei traditionelle Totimpfstoffe. Das heißt, sie arbeiten klassisch mit abgetöteten Viren, wie wir das auch von der Grippeschutzimpfung kennen.“

Der entscheidende Unterschied zwischen mRNA-Impfung und Totimpfstoffen

In der Auseinandersetzung mit diesem Material bilde das Immunsystem nach der Impfung Antikörper. Deren Spiegel im Blut fielen aber recht schnell wieder ab. Der entscheidende Unterschied zwischen mRNA-Impfung und Totimpfstoffen besteht dem Immunologen zufolge darin, dass bei der mRNA-Impfung der Bauplan für Teile des Virus in menschliche Zellen eingeschleust wird, die dann wie bei einer richtigen Infektion diese Virusteile produzieren.

„Bei Totimpfstoffen liegen Virusbestandteile außerhalb unserer Zellen vor. Dementsprechend reagiert das Immunsystem auch unterschiedlich auf die Impfstoffe.“ Es würden zwar in beiden Fällen spezifische Antikörper gebildet, die mRNA-Impfstoffe regten aber die T-Zellen stärker an, die wichtig sind für einen länger anhaltenden Schutz vor einem schweren Verlauf, so Watzl.

Zu wenig Auffrischimpfungen, zu wenig Genesene: Warum China das Virus nicht laufen lassen kann

Die bisher in China genutzten Impfstofftechnologien erforderten eigentlich ein häufigeres Nachimpfen, meint der Immunologe. Also zum Beispiel regelmäßige Updates wie bei uns jährlich im Herbst bei der Grippeschutzimpfung. Selbst bei den mRNA-Impfstoffen sei mit Omikron deutlich geworden, dass es drei Impfstoffdosen für einen länger anhaltenden Schutz braucht, erinnert Watzl.

„In China haben aber viel weniger Menschen als bei uns eine Auffrischimpfung bekommen. Deshalb kann das Land das Virus nicht laufen lassen.“ Zum Problem des nicht optimalen Impfschutzes vieler Menschen komme in China hinzu, dass es durch strenge Maßnahmen viel weniger Genesene in der Bevölkerung gebe als bei uns.

Hierzulande hätten nun viele Menschen eine sogenannte hybride Immunität, in der Kombination von Impfungen und Infektion. Der britische Medizinprofessor Paul Hunter (University of East Anglia) wies auf schlechtes Timing hin: Wegen des nachlassenden Impfschutzes sei der größte Nutzen von Chinas Impfkampagne inzwischen wohl verpufft, weil die Null-Covid-Strategie auch danach weitergeführt wurde.

Watzl hält es angesichts von Daten aus Brasilien für problemlos möglich und ratsam, wenn China mRNA-Impfstoffe als Booster einsetzen würde. Für die Situation in Deutschland hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) empfohlen, dass Menschen mit einer Grundimmunisierung mit Impfstoffen von Sinovac oder Sinopharm einen mRNA-Booster erhalten sollten. Dies führe zu einem guten Impfschutz, der „vergleichbar mit dem nach einer 3-maligen mRNA-Impfung ist“.

Hauptproblem: Die großen Impflücken bei Älteren in China

„Das Hauptproblem in China scheint letztlich nicht der verwendete Impfstoff zu sein, sondern die offenbar großen Impflücken, gerade bei Älteren“, sagte Ulbert. Er verweist auf eine Studie aus Hongkong, die gezeigt habe, dass nach einer Gabe von drei Impfstoffdosen so gut wie kein Unterschied zwischen dem mRNA-Impfstoff und dem chinesischen Präparat besteht.

„Die Frage nach der Schutzdauer durch beide Impfstoff-Arten bleibt hier zwar offen, aber diese Daten legen den Schluss nahe, dass es für die Lage in China erst einmal egal ist, ob nun mit einem mRNA-Impfstoff oder einem eigenen Präparat geboostert wird. Hauptsache, mehr Menschen bekommen eine dritte Dosis.“

Eine vergleichende Beurteilung der Wirksamkeit von Impfstoffen in einer Pandemie sei grundsätzlich sehr komplex, sagte Ulbert. „In der Regel kann nicht eine einzelne Studie die Antwort liefern, sondern man muss das im großen Zusammenhang sehen.“ Es komme nicht allein auf die Werte zur Impfstoffeffektivität an.

Auch praktische Aspekte seien wichtig, zum Beispiel den Herstellungspreis oder die Lagerung im Kühlschrank betreffend. Man dürfe nicht vergessen, dass China einige Länder mit Impfstoff habe versorgen können, für die mRNA-Impfstoffe zunächst nicht zugänglich waren, etwa in Südamerika.

China will die Impfkampagne verstärken, insbesondere in der älteren Bevölkerung. Aus Angst vor Nebenwirkungen wurden Ältere in dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land bislang seltener geimpft. So bekamen erst etwa 40 Prozent der Menschen über 80 Jahren eine Booster-Spritze. (Reuters/dpa)

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