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Blick über Abraumhalden des Jänschwalder Braunkohletagebaus auf die qualmenden Kühltürme des Braunkohlekraftwerkes von Vattenfall.

© dpa

Energiewende: Ein Netz für alle Fälle

Weltweit sind erneuerbare Energien auf dem Vormarsch - dennoch hat auch die Kohle weiter Konjunktur. Deutschland und vor allem Bayern müssen jetzt entscheiden, ob sie in eine Sackgasse hineinlaufen. Ein Kommentar.

Vier Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima am 11. März 2011 bewegt sich das Weltenergiesystem in zwei entgegengesetzte Richtungen. Der Anteil erneuerbarer Energien nimmt stetig zu. Aber auch die Kraftwerkskapazität aus klimaschädlicher Kohle wächst.

2013 sind weltweit 214 Milliarden Dollar in den Aufbau erneuerbarer Stromerzeugung investiert worden. 43,6 Prozent aller Investitionen ins Stromsystem wurden für Windräder, Solaranlagen oder kleine Wasserkraftwerke ausgegeben. Solarstrom kostet in der Herstellung in der Hälfte aller Länder weniger als die Stromlieferung aus dem Netz. Netzparität nennt sich dieser Zustand.

In den USA und Japan hat allein das gereicht, um die Zahl der Solaranlagen auf den Dächern gewaltig zu erhöhen. In diesen beiden Märkten wuchs die Solarkapazität zuletzt schneller als in jedem anderen Markt mit Ausnahme von China. Aber es ist nicht nur der Preis, der die Hausbesitzer überzeugt. Die deutschen „Prosumer“, die nicht mehr nur Konsumenten von Strom sind, sondern auch Erzeuger, sind ein Vorbild – weltweit.

Sich von den großen Stromkonzernen unabhängig zu machen, die Geschicke selbst in die Hand zu nehmen oder sie in die Hand einer kleineren Einheit wie der eigenen Gemeinde zu legen, ist überall erstrebenswert. In entwickelten Märkten, weil man sich von den als arrogant und unflexibel wahrgenommenen Stromkonzernen unabhängig machen will. In Entwicklungsländern, weil genau diese Konzerne oft nicht in der Lage sind, den Strom auch regelmäßig zu liefern. Deshalb funktioniert der Ausbau erneuerbarer Energien sogar in Märkten, die keine oder nur sehr geringe Subventionen zu bieten haben.

Zugleich steigen die Kohleanteile an der Stromproduktion, weil der Bedarf weiterhin schnell wächst. Viele Regierungen setzen für den industriellen Bedarf weiterhin auf Kohlekraftwerke, weil sie sich eine dezentrale, erneuerbar erzeugte Versorgung nicht vorstellen können.

Genau darum dreht sich auch der Streit über die Energiewende in Deutschland. Was für individuelle Stromverbraucher funktioniert, ist noch kein Versorgungssystem. Wie das aussehen soll, darüber streitet Bayern mit allen anderen; darüber streiten aber auch die Interessengruppen. Denn jetzt entscheidet sich, ob Deutschland das System bis 2050 so umbaut, dass nahezu keine Kohlendioxidemissionen mehr zu verzeichnen sind, oder ob es das System in eine kohlenstoffhaltige Sackgasse führen wird.

Die Fronten verlaufen keineswegs klar. Die einen wollen die Bürgerenergiewende und eine dezentrale Zukunft. Andere wollen das Gasgeschäft retten und hoffen auf einen Kraftwerkspark in etwa so groß wie die Wind- und Solarkapazitäten als Backup für die Erneuerbaren. Für sie bliebe auch in einem System Platz, in dem aus Überschussstrom Gas erzeugt würde, um es als Speichermedium zu nutzen. Wieder andere stellen sich vor, die erneuerbaren Energien mit großen Speicherkapazitäten abzusichern.

Wer auch immer sich durchsetzen wird: Eine Investition, die keine dieser Möglichkeiten verbauen würde, ist der Ausbau des Stromnetzes. Die Kosten dafür sind überschaubar. Deshalb sollte sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer überlegen, was er eigentlich verhindern will: wirklich eine Stromleitung – oder gleich die ganze Energiewende?

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