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Donald Trump bei einem Event in Memphis im Juni 2022

© REUTERS/Karen Pulfer Focht

Supreme Court entscheidet über Wahlklage: Die bizarre politische Doktrin, die Trump wieder ins Amt bringen könnte

Der Supreme Court verhandelt im Herbst über einen brisanten Fall, der die US-Demokratie ins Wanken bringen könnte. Zur Freude des Ex-Präsidenten.

Von demokratischen Prinzipien hielt Donald Trump während seiner vierjährigen US-Präsidentschaft wenig. Der Sturm auf das Kapitol, den er, wie sich nun herausstellt, billigend in Kauf genommen hat, bildete den Tiefpunkt einer in vielerlei Hinsicht unwürdigen Amtszeit.

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Gleichzeitig hat Trump der amerikanischen Gesellschaft ein toxisch-konservatives Erbe hinterlassen. Mehr als 200 konservative Richter berief er während seiner Zeit im Weißen Haus an die Bundesgerichte Amerikas – auf Lebenszeit. Darunter auch Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett an den Supreme Court – Amerikas höchstes Gericht.

Seitdem stehen dort sechs republikanische Richter drei Demokraten gegenüber. Welcher parteipolitischen Linie hier gefolgt wird, machte jüngst das kontroverse Urteil zum Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in den USA deutlich.

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Und auch für die amerikanische Demokratie könnten Trumps wohlüberlegte Personalentscheidungen tiefgreifende Folgen haben. Wie das oberste Gericht in der vergangenen Woche bekannt gab, wird es sich in der kommenden Legislaturperiode im Herbst mit dem Fall zwischen dem Republikaner Timothy K. Moore und der Klägerin Rebecca Harper („Moore vs. Harper“) aus dem Bundesstaat North Carolina befassen. Ein Fall, der abhängig vom Urteilsspruch, das Wahlrecht der Bürger in den USA massiv aushöhlen könnte. Doch um was geht es genau?

Der Fall „Moore vs. Harper“ eine Gefahr für die Demokratie?

Verhandelt wird im Kern über die Theorie, die als „Independent State Legislature Doctrine“ (zu Deutsch: „Doktrin der unabhängigen staatlichen Legislative“) in den USA bekannt ist. Dabei geht es um die Auslegung einer Passage aus der Wahlklausel der amerikanischen Verfassung, wonach die Durchführung, und je nach Interpretation auch die Kontrolle, bundesstaatlicher Wahlen allein und ausschließlich den Gesetzgebern („Legislature“), also den lokalen Parlamenten, obliegt.

Eine durchaus extreme Auslegung, die zum Machtmissbrauch einlädt. Auch aus diesem Grund interpretierten Juristen die Klausel in der Vergangenheit so, dass Bundesstaaten zwar Befugnisse bei der Durchführung von Wahlen zustehen, sie allerdings zwischen Bürgern, Exekutive, Legislative und Gerichten im demokratischen Sinne gleichermaßen aufgeteilt werden.

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Neue Aufmerksamkeit erhielt die Theorie erst im Zuge der US-Wahl 2020, als die Anwälte Trumps nach juristischen Möglichkeiten suchten, die Wahlniederlage noch abzuwenden.

Donald Trump (zweiter von rechts) bei der Ernennung der konservativen Supreme-Court-Richterin Amy Barrett

© imago images/ZUMA Wire

Im konkreten Fall von North Carolina hatten republikanische Gesetzgeber nach der letzten Volkszählung vor zwei Jahren die Wahlkreise entlang demografischer Verteilung neu gezogen. Demokratische Wähler fochten das Urteil an, hatten die Republikaner die Grenzen doch aus ihrer Sicht zu den eigenen Gunsten verändert.

Vom obersten Gerichtshof in North Carolina bekamen die Demokraten zu Beginn des Jahres Recht. Der Vorgang, der in den USA als „Gerrymandering“ bekannt ist, musste zurückgenommen werden, woraufhin republikanische Abgeordnete den Fall vor den Supreme Court brachten.

Weitreichende Folgen für die US-Wahl 2024?

Sollte der oberste Gerichtshof die radikale Doktrin tatsächlich erlauben, hätte das tiefgreifende Folgen: womöglich sogar für die Präsidentschaftswahl 2024.

Die Kontrolle der Wähler und der nationalen Gerichte über die Gesetzgeber auf Ebene der Bundesstaaten wäre massiv eingeschränkt – sei es nun beim Neuziehen von Wahlkreisen oder gar bei der Einführung antidemokratischer Wahlgesetze.

In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel schrieb der Journalist Jacob Heilbrunn kürzlich zum Fall „Moore vs. Harper“: „Im Wesentlichen würde es den bundesstaatlichen Gesetzgebern erlauben, ungestraft das zu tun, was sie bei den Präsidentschaftswahlen 2020 nicht tun konnten: Wahlgewinner für die Präsidentschaft aufstellen, wenn ihnen das Urteil der Wähler nicht gefällt.“ Die amerikanische Demokratie würde demnach ernsthaft in Schräglage geraten, meinen Experten.

Donald Trump applaudiert der konservativen Supreme-Court-Richterin Amy Coney Barrett bei ihrer Amtseinfürung.

© Brendan Smialowski / AFP

Im Extremfall könnten Bundesstaaten beispielsweise ungehindert Gesetze erlassen, die ihre Wahlmänner von der Pflicht entbinden, bei der Präsidentschaftswahl entsprechend dem offiziellen Wahlergebnis zu stimmen. Gewinnt ein Präsidentschaftskandidat einen Bundesstaat gehen alle dortigen Wahlmänner auf sein Konto. In Washington wählen sie dann entsprechend dem Wählerwunsch ihres Staates den dort siegreichen Kandidaten – im Normalfall.

Wahlmänner, die sich nicht an die Vorgaben der Wähler halten, heißen in Amerika „faithless electors". Bereits bei seiner Wahlniederlage spielte Trump mit dem Gedanken, die republikanischen Wahlmänner gegen den Sieger Joe Biden aufzuhetzen.

Der Plan: Die folgenden Rechtsstreitigkeiten hätten vor dem konservativen Supreme Court pro Trump entschieden werden sollen. Durch „Moore vs. Harper“ könnte eine derartige rechtliche Absicherung abgeschafft werden.

Konservativ geprägter Supreme Court folgt republikanischer Parteilinie

Trump ließ nach seiner Niederlage 2020 keine Gelegenheit aus, um das Wahlergebnis als unrechtmäßig und manipuliert zu bezeichnen. Dass sich nun das konservativ geprägte Supreme Court überhaupt mit „Moore vs. Harper“ befasst, entspricht dabei ganz der Linie des ehemaligen US-Präsidenten und seiner republikanischen Partei.

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Bereits im Jahr nach Trumps Niederlage verabschiedeten republikanische Abgeordnete in ihren Bundesstaaten eine Vielzahl an Gesetzen, die den Bürgern die Stimmabgabe erschweren, statt erleichtert. In 30 Bundesstaaten halten sie die Mehrheit in beiden Kammern der Parlamente und könnten so den möglichen Supreme-Court-Beschluss problemlos zur Anwendung bringen.

Noch hat Trump nicht offiziell bekanntgegeben, ob er für eine zweite Amtszeit kandidieren wird. Sollten die republikanischen Kläger im Fall „Moore vs. Harper“ Recht bekommen, würde das seine Chancen auf eine Wiederwahl deutlich verbessern.

Alexandria Ocasio-Cortez bezeichnet Vorstoß als „Justizputsch“

Das Entsetzen auf demokratischer Seite ist unterdessen groß. Gegenüber der „Washington Post“ sagte die Direktorin der überparteilichen Demokratie-Initiative „Common Cause“, Suzanne Almeida, mit Blick auf den Fall: „Er ist Teil einer umfassenderen Strategie, die darauf abzielt, das Wahlrecht zu erschweren und den Willen der staatlichen Gesetzgeber unabhängig vom Willen der Bevölkerung durchzusetzen.“

Die bekannte linke US-Politikern Alexandria Ocasio-Cortez, die als Demokratin im Repräsentantenhaus sitzt, bezeichnete die Ankündigung des Supreme Courts als „Justizputsch“. „Wenn der Präsident und der Kongress den Obersten Gerichtshof nicht zurückhalten, wird dieser als Nächstes die Präsidentschaftswahlen in Angriff nehmen. Alle unsere Politiker – unabhängig von ihrer Partei – müssen diese Verfassungskrise als das erkennen, was sie ist“, schrieb sie auf ihrem Twitter-Account.

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