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Das Russische Haus in Berlin

© imago images/Schöning

Ermittlungen gegen Kreml-nahe Agentur: Das Hin und Her ums Russische Haus in Berlin

Das Russische Haus in Berlin gehört zu einer Agentur, die wegen russischer Einflussnahme auf der EU-Sanktionsliste steht. Doch die Behörden handelten monatelang nicht.

Auf den ersten Blick wirkt das riesige Gebäude an der Berliner Friedrichstraße beinahe verlassen. Der Luxusjuwelier im Erdgeschoss ist ausgezogen, die Schaufenster sind leer. Vor dem Eingang zum Russischen Haus werben zwei kleine Plakate für Veranstaltungen. Dem bekannten russischen Liedermacher und Sänger Wladimir Wyssozki ist ein Konzert gewidmet. Außerdem kann man Theateraufführungen in russischer Sprache besuchen.

Doch im Russischen Haus geht es nicht nur um harmlose Kulturvermittlung. Hinter der Berliner Einrichtung steht eine russische Agentur, die nach Auffassung der Europäischen Union ein Werkzeug der hybriden Einflussnahme des Kremls ist.

Deshalb setzte die EU die Agentur Rossotrudnitschestwo im Juli vergangenen Jahres auf ihre Sanktionsliste. Deren Vermögenswerte innerhalb der EU müssen nun eingefroren werden, mit ihnen dürfen keine Einnahmen mehr erzielt werden.

Seit vielen Jahren agiert sie als Dachorganisation für ein Netzwerk russischer Landsleute und Einflussagenten.

Rat der EU in einer Verordnung zu den Rossotrudnitschestwo-Sanktionen

Der Begriff Rossotrudnitschestwo, der aus den Worten „Russland“ und „Zusammenarbeit“ gebildet ist, steht für die „Föderale Agentur für Angelegenheiten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der im Ausland lebenden Landsleute und für internationale humanitäre Zusammenarbeit“. Sie wurde 2008 durch einen Erlass des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegründet.

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Ihre wichtigste Mission sei die „Stärkung des humanitären Einflusses Russlands in der Welt“, heißt es in einer Selbstbeschreibung. Dabei zielt Rossotrudnitschestwo vor allem auf die russischen „Landsleute“. Es gehört zum Konzept der vom Kreml propagierten „russischen Welt“, dass Moskaus Einflussbereich überall dort ist, wo Russen leben.

Rossotrudnitschestwo sei die wichtigste staatliche Agentur für die Propagierung der Soft Power und des hybriden Einflusses des Kremls, heißt es in der Begründung für die Aufnahme auf die EU-Sanktionsliste. „Seit vielen Jahren agiert sie als Dachorganisation für ein Netzwerk russischer Landsleute und Einflussagenten.“ Die Agentur konsolidiere die Aktivitäten prorussischer Akteure und verbreite Narrative des Kremls.

In Deutschland soll Rossotrudnitschestwo prorussische Kundgebungen mitorganisiert haben, wie das Medium „The Insider“ berichtete. Auch das Russische Haus in Berlin soll moskautreue Akteure in Deutschland unterstützt haben. Ein ehemaliger russischer Luftwaffenoffizier und seine Freundin, die kremlfreundliche Kundgebungen in Deutschland mit organisierten, erhielten nach Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters vom Russischen Haus Flugtickets für die Teilnahme an einem von der Regierung mitveranstalteten Event in Moskau.

Die Bundesregierung schließt sich der Einschätzung der Europäischen Union an, sieht also in der Agentur ein Werkzeug der Einflussnahme des Kremls: „Die Bundesregierung hat der Sanktionslistung zugestimmt und teilt die Sanktionsbegründung“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt.

Kein Zweifel an der Zugehörigkeit

Bisher hat das Russische Haus eine Zugehörigkeit zu der nun sanktionierten Agentur bestritten, auf der Webseite ist dazu kein Hinweis mehr zu finden. In einem deutsch-russischen Abkommen über die Tätigkeit von Kultureinrichtungen ist jedoch die Zuständigkeit der Agentur festgeschrieben.

Aus Sicht der Bundesregierung ist die Sache eindeutig: „Das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist somit als rechtliche Einheit mit der Dachorganisation Rossotrudnitschestwo zu behandeln.“ Die Sanktionsmaßnahmen seien daher nach Einschätzung der Bundesregierung unmittelbar auch auf das Russische Haus anzuwenden, heißt es im Auswärtigen Amt.

Angewendet wurden die vor sechs Monaten beschlossenen Sanktionen bisher allerdings nicht. Bis Ende Dezember war die Durchsetzung von Sanktionen Ländersache. Doch was das Russische Haus angeht, schoben die Berliner Behörden die Verantwortung hin und her, wie der Tagesspiegel Checkpoint berichtete.

Seit Anfang des Jahres sind die Länder nicht mehr für die Ermittlung von sanktioniertem Vermögen und gegebenenfalls die Sicherstellung zuständig. Das übernimmt eine neu geschaffene Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung. Deren übergeordnete Behörde, das Bundesministerium für Finanzen (BMF), teilte mit, dass die Zentralstelle, die „mit einem kleineren Kreis von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ ihre Arbeit aufgenommen habe, bereits konkrete Einzelfälle bearbeite.

Neue Zentralstelle soll jetzt Sanktionen umsetzen

Man habe dafür Sorge getragen, dass „keine Lücke bei der Sanktionsdurchsetzung entsteht“. Solche Lücken gab es allerdings schon vorher, wie das Berliner Beispiel zeigt. Ob die Arbeit durch die neue Behörde kurzfristig effektiver wird, daran haben Fachleute massive Zweifel. Sie warnten, dass der Aufbau der Zentralstelle Jahre dauern könne.

Das BMF ließ die Frage des Tagesspiegels, ob die neue Zentralstelle bereits im Fall Russisches Haus tätig geworden sei, unbeantwortet. Zu Einzelfällen nehme das Ministerium keine Stellung.

Die Sanktionen haben nun doch noch Folgen für das Russische Haus: Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Das Verfahren sei in dieser Woche eingegangen, sagte ein Sprecher auf Tagesspiegel-Anfrage.

Ein Verstoß gegen das AWG liegt zum Beispiel dann vor, wenn mit eigentlich von Sanktionen betroffenem Besitz weiter Einnahmen erzielt werden. So sind es nun ausgerechnet die scheinbar harmlosen Kulturveranstaltungen, die dem Russischen Haus am Ende Probleme bereiten.

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