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Außenminister Guido Westerwelle (rechts) traf am Sonntag in Berlin seinen türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu.

© AFP

EU-Beitrittsgespräche: Koalition streitet über Türkei-Kurs

In Brüssel wird in den Verhandlungen mit Ankara demnächst mit der Öffnung eines neuen Verhandlungskapitels gerechnet. Doch Unions-Fraktionschef Volker Kauder stellt Bedingungen. Die SPD kritisiert, dass Deutschland als Motor bei den Beitrittsgesprächen ausfällt.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und sein türkischer Amtskollege Ahmet Davutoglu wollen die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Ankara beschleunigen. Es sei das gemeinsame Ziel, der Annäherung zwischen der EU und der Türkei neuen Schwung zu verleihen, sagte Westerwelle am Sonntag nach einem Treffen mit Davutoglu in Berlin. Das Bekenntnis zu einer zügigen Fortsetzung der Verhandlungen kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es innerhalb der Berliner Regierungskoalition erhebliche Differenzen über den Umgang mit der Türkei gibt. Während die Liberalen einer möglichen EU-Vollmitgliedschaft der Türkei schon seit Jahren offen gegenüberstehen, ist die Haltung in der Union vorsichtiger.

Dabei steht die Initiative Westerwelles und Davutoglus unter einem günstigen Stern: In der EU-Kommission wird damit gerechnet, dass in den festgefahrenen Beitrittsgesprächen noch vor Ende Juni ein neues Kapitel geöffnet werden kann, welches sich mit der Regionalpolitik befasst. Die geplante Öffnung des Verhandlungskapitels geht vor allem auf die Initiative von Frankreichs Staatschef François Hollande zurück, der eine Lockerung der Blockadehaltung seines Landes bei den Gesprächen anstrebt. Hollandes Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy hatte 2007 Einspruch gegen die Eröffnung von Verhandlungen bei fünf Kapiteln eingelegt.

Dass sich das Tempo der seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen nun ganz wesentlich erhöht, darf allerdings bezweifelt werden. Zwar hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor ihrem letzten Türkei-Besuch im Februar dafür plädiert, die Gespräche wieder zu verstärken. Gleichzeitig hatte Merkel aber noch einmal ihre Skepsis mit Blick auf eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei betont – ganz im Gegensatz zu Beitrittsbefürwortern in ihrer Partei wie dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, oder dem EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Der Unionsfraktions-Vorsitzende Volker Kauder zeigte sich mit Blick auf die Initiative Westerwelles und seines türkischen Amtskollegen Davutoglu zurückhaltend. Bevor neue Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen eröffnet würden, müsse die Türkei der Religionsfreiheit Geltung verschaffen, sagte Kauder der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Michael Roth, der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte dem Tagesspiegel, die CDU/CSU sei in der Türkei-Frage „deutlich gespalten“. Bisher habe die Union versucht, diese Differenzen mit „diplomatischen Verbrämungen“ zu übertünchen. Er beklagte, dass Deutschland als Motor bei den Beitrittsgesprächen in der jüngeren Vergangenheit faktisch ausgefallen sei. „Ich erwarte, dass man diese Verhandlungen überhaupt wieder ernst nimmt“, sagte er. „Eine europäische Türkei liegt im Interesse der Europäischen Union“, erklärte Roth. Er setze auf einen positiven Abschluss der Beitrittsverhandlungen, betonte der SPD-Politiker. Gleichzeitig fügte er aber auch hinzu: „Ob am Ende des Tages die Verhandlungen von Erfolg gekrönt sind, ist offen.“

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