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Italiens Premierminister Giuseppe Conte diese Woche auf der Regierungsbank in der Abgeordnetenkammer

© Roberto Monaldo/dpa

Update

Fast 9000 Corona-Neuinfektionen in Italien: „Einen zweiten Komplett-Lockdown können wir uns nicht leisten“

Die Neuinfektionen in Italien brechen Rekorde, auch die Zahl der Toten steigt erneut. Doch die wieder hart betroffene Lombardei will keinen neuen Lockdown.

Zu Beginn der Woche sah es – fast – wieder so aus wie unter den harten Corona-Beschränkungen ab März: Feste in Restaurants und Kneipen verboten, und wer nach der Trauung oder Beerdigung nach Hause einlädt, muss sich auf 30 Gäste beschränken.

Nicht einmal mehr vor der Bar dürfen die Italiener ihren caffè in Gruppen kippen, auch auf Straßen und in Parks ist nur Gehen, nicht gruppenweises Stehen erlaubt.

Sport mit Körperkontakt wird es vorerst nicht mehr geben, Fußball oder Basketball nicht mehr auf dem Bolzplatz nebenan, sondern nur noch in Vereinen und Sportstudios, die sich zu Covid-Vorsichtsmaßnahmen verpflichtet haben. Schulausflüge sind gestrichen wie überhaupt alles, was die Kinder zu Bildungszwecken vom Schulgelände wegführen würde, also zum Beispiel zum Besuch in Italiens vielen Museen.

Und wem in den Regionen all das noch nicht streng genug ist, darf das neue Corona-Regime, das vorerst für 30 Tage gilt, noch weiter verschärfen – die Regionalregierungen müssen sich nur mit Rom abstimmen.

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"Zwei oder drei Wochen ohne Happy Hour"

Doch inzwischen schließt Premier Giuseppe Conte sogar einen neuen nationalen Lockdown nicht mehr aus, denn die Zahlen sind in den letzten Tagen noch dramatischer geworden: Fast 9000 Neuinfektionen in 24 Stunden – damit stellte das Land nun selbst die Negativrekorde des Katastrophenmonats März ein, in denen Italien zu dem Land im Westen wurde, in dem die Seuche am heftigsten zuschlug.

Am Donnerstagabend stufte die deutsche Bundesregierung mit Campania und Ligurien erstmals seit Monaten wieder zwei italienische Regionen als Risikogebiete ein. Mehr als 36.000 Menschen sind bisher an oder mit Covid gestorben. Und auch diese Zahlen gehen wieder nach oben.

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Sie sind zwar unvergleichlich mit denen von seinerzeit, als die nationale Zivilschutzbehörde täglich Hunderte Tote zählte und Mitte März mit 475 in 24 Stunden sogar China überholte, aber: Am Montag wurden 39 Tote in 24 Stunden registriert, Dienstag waren es bereits 43, am Donnerstag sogar 83. Das sind die höchsten Zahlen seit Juni.

Und in Mailand und dem Umland – die Lombardei war die weitaus schwerstbetroffene Region im Frühling – sehen die Behörden die Zahlen bereits wieder auf dem Weg in die Katastrophenlage von März. Die Ansteckungszahlen explodieren.

Antonio Pesenti, Koordinator des Krisenstabs der Lombardei, bat im „Corriere della sera“, der in Mailand erscheint, die Jungen um ein „bescheidenes Opfer“: „Sie sollten sofort, für zwei bis drei Wochen, auf die Happy Hour verzichten.“ Die Krankenhausversorgung unterhalb der Intesivtherapie sei in der Lombardei bereits wieder am Limit und die eigenen vier Wände derzeit die heißesten Ansteckungsherde.

Maßnahmen, bemerkte vor Tagen der „Corriere“, bedeuten vor allem sozialen Shutdown. Während Freizeit, Bewegung an der frischen Luft und häuslicher Alltag der Bürgerinnen und Bürger stark beschränkt werden, ist keine Rede davon, Produktionshallen zu schließen. Die Lombardei, eine der reichsten Regionen Europas und das industrielle Herz Italiens, lebt aber vom verarbeitenden Gewerbe.

Italiens Werkbank darf nicht schließen

Mitte März, als täglich neue Schreckenszahlen vor allem von dort Italien und Europa schockierten, hatte sich durch die Auswertung anonymisierter Telefon-Bewegungsdaten herausgestellt, dass ausgerechnet in der Lombardei nicht einmal 60 Prozent der Menschen wirklich zu Hause blieben.

Und das waren keine Partygänger: Die Gewerkschaften schlugen Alarm, weil Industriearbeiterinnen und Fahrer trotz der Gefahr für sich und andere weiter zur Arbeit mussten.

Die lombardische Werkbank zu schließen, ist für ganz Italien hochheikel. Schon als das Ausmaß der Pandemie regional abzusehen war, hatte Bergamo, wo die Sterberate in den Schreckensmonaten Februar bis April um das Vier- bis Fünffache über dem Schnitt der Jahre zuvor gelegen hatte, die internationale Kundschaft mit einer Werbekampagne zu beruhigen gesucht: „Bergamo non si ferma“ – „Bergamo steht nicht still“.

Die Parole gibt jetzt auch trotz dramatischer Zahlen der Ministerpräsident der Lombardei, Attilio Fontana aus: „Einen zweiten Komplett-Lockdown können wir uns nicht leisten.“

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