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FDP-Bundesparteitag

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FDP-Sonderparteitag: Westerwelle will Geschichte schreiben

Absage an die Ampel: Auf dem FDP-Sonderparteitag in Potsdam beschließen die Delegierten einen entsprechenden Wahlaufruf der Liberalen. Parteichef Guido Westerwelle hält 2009 für ein entscheidendes Jahr der deutschen Geschichte.

Der blaue Schlips war vielleicht das einzige minimale Bekenntnis, dass es für Guido Westerwelle auch noch jenseits von Schwarz-Gelb ein Leben gibt. Aber vielleicht war dem FDP-Parteichef am Sonntag auf dem Parteitag in Potsdam ein greller gelber Schlips einfach nicht schick genug oder zu platt als Symbol, schließlich gilt er laut Umfragen in Frauenmagazinen als drittbest angezogener Mann in diesem Land. Seine Rede jedenfalls ließ keinen Zweifel daran, was die Liberalen wollen, nämlich ein Bündnis mit der Union - und Blau kommt ja in den liberalen Farben auch vor. Schon bevor Westerwelle seine Rede begann, hatten die 662 Delegierten den Wahlaufruf bei einer Enthaltung beschlossen und damit auch eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen eine klare Absage erteilt.

Westerwelle nutzte seine Rede, um gegen die große Koalition zu wettern und den möglichen Beitrag seiner Partei in einer Regierung herauszustellen. Es gehe nicht darum, eine Krise zu verwalten, sondern die Zukunft zu gestalten. „Und das gibt es nur mit uns“, rief der Parteichef in den Saal. Westerwelle blickte zurück auf die Jahre 1949, 1969 und 1989. Um dann zu sagen:  2009 wird wieder ein Jahr, das ein Stück über die Geschichte unseres Landes entscheidet.“ Seine Botschaft: Verhindern, dass das Land von den Rändern aus regiert wird. Wer das verhindern wolle, müsse zur Wahl gehen, und wer wolle, dass die Mitte regiere, der müsse eben FDP wählen.“ Westerwelle sprach von „Ideologien der Intoleranz“ und meinte damit vor allem die Linke. Die FDP wolle Maß und Mitte dagegen stellen. „Wir sind nicht alle gleich, gleich, gleich“, sagte Westerwelle. „Nur vor dem Gesetz.“

Er knüpfte an viele Versatzstücke seine Reden der letzten Jahre an und betonte einmal mehr, dass die Gefahr bestehe, das die Mitte schrumpfe. Westerwelles Folgerung: „Macht die Mitte stark, dann wächst die Gerechtigkeit in diesem Land.“ Der Parteichef wies darauf hin, dass die FDP in den Bundesländern mittlerweile 60 Millionen Menschen mit schwarz-gelben Bündnissen regiert und dort, sagte er, sei keine einzige soziale Sicherung durchgebrannt“. Leistung müsse sich wieder lohnen, wiederholte Westerwelle gebetsmühlenartig, und auch das Bekenntnis, wer arbeite, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet, kannten die allermeisten im Saal bereits. Applaus gab es natürlich trotzdem. Auch als Westerwelle die SPD als Mehrwertsteuer-Lügner bezeichnete und wieder einmal forderte: „Wir wollen, dass die Leute mehr Netto vom Brutto haben.“

Bei der Gesundheitspolitik warf er der Union vor, sie würde mit dem Gesundheitsfonds die Planwirtschaft fortsetzen wollen.

Bevor Guido Westerwelle die entscheidende Rede des Parteitags hielt, war es von den vielen Rednern der niedersächsische FDP-Chef und dortige Wirtschaftsminister, Philipp Rösler, der den größten Applaus provozierte als er sagte: „Die Wähler müssen wissen: Es kann sein, dass sie CDU wählen und dann die große Koalition bekommen.“ Nur wer FDP wähle, könne sicher sein, dass er einen Politikwechsel bekommt.

Seit Guido Westerwelle FDP-Parteichef ist, gehört eine ordentliche Portion Pathos zu den Liberalen. Insofern war der Filmpark Potsdam in Babelsberg natürlich gut gewählt. Im ältesten Filmstudio der Welt wurde „Metropolis“ gedreht, arbeiteten die berühmtesten Schauspieler und schrieben Filmgeschichte. Nichts anderes als Geschichte schreiben hat die Parteispitze ihr Vorsitzender im Sinn, als sie am späten Vormittag zu dem Popsong Don’t Stop von Fleetwood Mac in die Halle marschierte und selbstverständlich alle Delegierten aufstanden und Beifall spendeten. In dem Song heißt es weiter Don’t stopp thinking about tomorrow - der ehemalige demokratische Präsident der USA, Bill Clinton, hat ihn einst ebenfalls in seiner Kampagne verwendet.

Die Geschichte, die Westerwelle jetzt schreiben will, ist allerdings keine Fiktion. Er will, er muss zurück an die Regierung, aus der die Liberalen 1998 ausscheiden mussten. Seitdem kämpft die Partei darum, wieder zurück an die Macht zu kommen, bisher vergeblich. Zwar hat die Partei 59 von 66 Wahlen seit 2001 gewonnen und regiert in den wichtigsten Bundesländern mit, aber in den entscheidenden Wahlen 2002 und 2005 hat es jeweils nicht gereicht für ein schwarz-gelbes Bündnis.

Lange Zeit hat die Partei darüber diskutiert, ob sie es auch ein drittes Mal ausschließlich mit der Union versuchen und einer Ampelkoalition aus Rot-Gelb-Grün eine klare Absage erteilen soll. Diesmal aber hat es bis jetzt, bis eine Woche vor der Bundestagswahl gedauert, dass sich die Partei deutlich und sozusagen fast ausschließlich zu Schwarz-Gelb bekennt und nur noch offen ist für ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen (Jamaika). Im Wahlaufruf, den die Partei am Sonntag verabschiedete, heißt es: „Wir Freien Demokraten wollen in der nächsten Legislaturperiode eine bürgerliche Regierung der Mitte mit der Union bilden. Weil die Programme von SPD und Grünen zu mehr Belastungen der Bürger führen, stehen wir nicht als Mehrheitsbeschaffer für Rot-Grün zur Verfügung.“

Auch im Vorfeld des Parteitages haben die Liberalen den Wahlaufruf für Schwarz.-Gelb und vor allem den Ausschluss der Ampel diskutiert. Es gab unterschiedliche Ansichten, es gab Gegenargumente, Gegenstimmen. Einige im Präsidium argumentierten, dass die Selbstständigkeit der Partei wichtiger ist als eine deutliche Wahlaussage, dass man doch auf „Augenhöhe“ agieren wolle, dass man sich strategisch auch nicht festlegen dürfte, denn es könnte sein, dass die Union ein sehr schlechtes Ergebnis einfahren werde. Und was würde man dann tun? Aber dieser Flügel der Partei, zu denen unter anderen der NRW-Landeschef Andreas Pinkwart und die Landeschefin in Bayern und ehemalige Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, gehören. In der entscheidenden Abstimmung vor dem Parteitag am Samstag aber stimmten beide dann mit der Mehrheit, es gab nur zwei Enthaltungen. Alle Beteiligten des Parteivorstands beteuerten hinterher, nun wolle man die letzte Woche eng zusammenstehen und eine „bella figura“ machen. Niemand rechnet damit, dass in der kommenden Woche noch jemand aus der Partei den beschlossenen Kurs kritisieren könnte.

Im Wahlaufruf macht sich die Partei für eine „große Steuerstrukturreform mit fairen Steuersätzen“ stark. Die FDP verspricht: „Unmittelbar nach der Wahl werden wir die Familien entlasten und die Kinder durch einen einheitlichen Grundfreibetrag in Höhe von 8804 Euro mit den Erwachsenen gleichstellen. Zudem fordert die Partei Bildung als Bürgerrecht. Im Wahlaufruf heißt es, Bildung ist unser wichtigster Rohstoff in der Globalisierung. Beim Thema Umweltschutz plädiert die FDP für einen „breiten Energiemix“ und spricht sich „gegen den Neubau von Kernkraftwerken in Deutschland aus“. Beim Thema Soziale Gerechtigkeit heißt es, „wer ein Leben lang hart gearbeitet hat, der hat auch Anspruch auf eine gute Rente“. Zudem will die FDP „eigene Vorsorge belohnen, nicht bestrafen." "Unmittelbar nach der Wahl werden wir deshalb das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger verdreifachen." In der Innenpolitik fordert die FDP von der Union einen „Neuanfang“. Die Liberalen kritisieren an der aktuellen Politik: „Wirkungslose Internetsperren, Vorratsdatenspeicherung, Aushöhlung des Berufs- und Bankgeheimnisses stellen die Bürger wie Kriminelle unter permanenten Generalverdacht.“

Am Ende gingen die Delegierten aufgepumpt von Selbstbewusstsein in die letzte Wahlwoche. Doch das Filmstudio Babelsberg hat nicht nur Klassiker wie „Metropolis“ zu verantworten. Die FDP sollte nicht vergessen: Hier wird auch „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ gedreht.“

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