zum Hauptinhalt
Migranten verlassen das unter norwegischer Flagge fahrende Rettungsschiff Geo Barents, nachdem sie von den italienischen Behörden im Hafen von Catania auf Sizilien an Land gelassen wurden.

© dpa/Massimo Di Nonno

Flüchtlinge an Land: Frankreich macht Rom schwere Vorwürfe

Paris sprang ein, Rom ließ alle anderen Schiffbrüchigen an Land. Doch es bleibt fraglich, ob das tage- und wochenlange Warten von Rettungsschiffen damit ein Ende hat.

Die lange Weigerung der italienischen Regierung, die Schiffbrüchigen mehreren Seenotrettungsschiffe von Bord gehen zu lassen, hat eine diplomatischen Eklat mit Frankreich ausgelöst. Paris hatte am Dienstag akzeptiert, dass eines der Schiffe, die Ocean Viking, mit etwa 200 Menschen an Bord, einen französischen MIttelmeerhafen anlaufen darf. Am Mittwoch richtete die Regierung Macron harte Worte an die Regierung in Rom:

„Das Boot befindet sich in italienischen Gewässern, die europäischen Regeln sind sehr deutlich und wurden von Italien akzeptiert, das zudem der größte Empfänger einer solidarischen EU-Finanzhilfe ist“, sagte Olivier Véran, der Sprecher des Staatspräsidenten, dem Sender France TV. Italien habe „seine Rolle zu spielen“ und „seine europäischen Verpflichtungen zu respektieren“. Er nannte das Verhalten der italienischen Regierung „unannehmbar“.

Nach Seerecht ist der nächste sichere Hafen anzusteuern, wenn Menschen aus dem Meer gerettet werden. Das sind für Menschen, deren Boote bei der Überfahrt übers zentrale Mittelmeer havarieren, in der Regel maltestische und italienische Häfen.

Zum ersten Mal im Leben habe ich mich geschämt, meine Arbeit gut gemacht zu haben.

Silvia, Ärztin auf der Humanity 1

Dennoch verweigerte die neue rechtsextreme Regierung in Rom die Aufnahme der etwa tausend Menschen auf vier Schiffen, die in den vergangenen Tagen darum baten. Neben der Ocean Viking von „Ärzte ohne Grenzen“ war die „Rise Above“ der Dresdner Initiative Mission Lifeline mit 89 Menschen an Bord unterwegs, die „Humanity 1“ von SOS Humanity und etwa 200 Menschen, die die „Geo Barents“, ebenfalls von Ärzte ohne Grenzen, an Land bringen wollte.

Regierung Meloni zeigte sich flexibler

Die Regierung zeigte sich allerdings diesmal flexibler als noch vor Jahren, als Matteo Salvini von der migrationsfeindlichen Lega Innenminister war. Sein Nach-Nachfolger Matteo Piantedosi erlaubte nach einer Untersuchung durch Amtsärzt:innen die Landung von Kranken und Menschen in anderen Notlagen.

Die Kolleg:innen hätten praktisch jede ihrer Diagnosen in Frage gestellt, sagte am Mittwoch die Ärztin auf der „Humanity 1“. Und zum ersten Mal im Leben habe sie sich geschämt, ihre Arbeit gut gemacht zu haben: „Je gesünder jemand war, desto geringer seine Chance, an Land zu gehen.“

Davon war allerdings am späteren Dienstag nicht mehr die Rede. Die Zurückgebliebenen der Geo Barents und der Humanity 1 - zu diesem Zeitpunkt noch 35 Personen - durften von Bord.

Seenotretter:innen klagen weiter gegen das Dekret aus Rom

Beide Schiffe waren am Sonntag in den von Catania Hafen eingefahren. Die Ocean Viking bat am Dienstag schließlich Frankreich um Hilfe, obwohl die französische Küste nicht jenen nächstgelegenen sicheren Hafen bietet, den das Seerecht für die Rettung Schiffbrüchiger vorschreibt.

Die Hintergründe für das Ende der Blockade blieben am Mittwoch unklar. Immerhin hatten drei italienische MInister am vergangenen Freitag ein Dekret unterzeichnet, das der deutschen „Humanity 1“ untersagte, länger im Hafen von Catania auf Sizilien zu bleiben, als zwingend notwendig, um Kranke und besonders Schutzbedürftige, Kinder zum Beispiel, an Land zu bringen.

Die Entscheidung der Ärzte, alle als gefährdet von Bord gehen zu lassen, halten wir für bizarr.

Giorgia Meloni, italienische Ministerpräsidentin

Till Rummenhohl, der Einsatzleiter auf der Humanity 1, erklärte auf Fragen, er zögere, von einem Erfolg für die Seenotretter zu sprechen. Er verstehe das Vorgehen Roms tatsächlich nicht ganz. Man werde jedenfalls weiterhin juristisch gegen das Dekret der drei Minister vorgehen, das man für illegal halte. Es verstoße gegen internationales Recht. SOS Humanity hat dagegen vor dem Verwaltungsgericht in Rom geklagt.

Hintergründe des Einlenkens unklar

Auch Hermine Poschmann, Sprecherin der Dresdner „Mission Lifeline“, deren Schiff Rise Above in Reggio Calabria anlegte, zeigte sich verwundert: „Die italienische Regierung sagt, man habe den Landgang erlaubt, weil wir um die Erklärung des Notstands gebeten hätten Das haben wir aber nicht.“

Die Reaktion von Ministerpräsidentin Meloni auf die Vorwürfe auf Paris waren ebenfalls wenig geeignet, ihre Position zu klären. Sie verteidigte das Dekret vom Freitag am späteren Mittwochnachmittag als „gerechtfertigt und legitim“ und bestritt zugleich eigene Verantwortung für das Ende der Blockade.

Dass die Flüchtlinge schließlich doch - nach einer weiteren ärztlichen Untersuchung - von Bord gehen konnten, habe nicht ihre Regierung entschieden. Das Urteil der Gesundheitsbehörden, „ aufgrund möglicher pychologischer Probleme alle als gefährdet anzusehen, halten wir für bizarr“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false