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Dieses Archivbild aus dem Jahr 2014 wurde bei einer Gedenkzeremonie für einen im Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten aufgenommen.

© dpa

Gedenkkultur bei der Bundeswehr: Wehrbeauftragte fordert mehr Sichtbarkeit

An diesem Donnerstag endet in Berlin der „Marsch zum Gedenken“, mit dem an die im Einsatz gefallenen Bundeswehrangehörigen erinnert wird.

116 Kilometer werden die Männer und Frauen hinter sich haben, wenn sie an diesem Donnerstagmittag auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude in Berlin ankommen – einen Kilometer für jeden Bundeswehrangehörigen, der bei Einsätzen oder Missionen im Ausland umgekommen beziehungsweise gefallen ist, wie seit einiger Zeit wieder etwas unbefangener gesagt wird.

Die 150 Soldatinnen und Soldaten, einige davon aus der Reserve, werden auf der letzten Etappe von Hinterbliebenen begleitet, für die Seelsorger bereitstehen. Im Anschluss ist eine Zeremonie im Verteidigungsministerium geplant.

„Der Marsch zum Gedenken für die im Dienst verstorbenen Soldatinnen und Soldaten ist eine eindrückliche Aktion und großartiges Zeichen der Verbundenheit mit jenen, die ihr Leben für uns, für unsere Freiheit und Sicherheit gegeben haben“, sagt die ehemalige SPD-Abgeordnete Eva Högl als Wehrbeauftragte des Bundestages, der die Parlamentsarmee in die Einsätze schickt: „Niemals dürfen wir ihre Namen vergessen.“

Marsch ohne Öffentlichkeit

Obwohl es bereits die sechste Auflage des Marsches ist, handelt es sich bei der aus Eigeninitiative von Veteranen heraus entstandenen Veranstaltung nicht unbedingt um ein Ereignis, das die höchste politische oder mediale Aufmerksamkeit erfährt.

Es dauerte auch, bis der frühere Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber (CDU) den Marschierern erstmals den Zugang zum Ehrenmal der Bundeswehr gestattete, das allen mehr als 3300 Bundeswehrangehörigen gewidmet ist, die in Folge ihres Dienstes gestorben sind.

Niemals dürfen wir ihre Namen vergessen.

Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Der Wehrbeauftragten geht das noch nicht weit genug, sie sähe im Zuge der Zeitenwende auch gern eine lebhaftere Erinnerungskultur. „Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat dazu geführt, dass in der Gesellschaft Wertschätzung, Anerkennung und Respekt gegenüber der Truppe gewachsen sind“, so Högl zum Tagesspiegel: „Die Sichtbarkeit muss mit starken Impulsen weiter erhöht werden, damit das Gedenken keine Phrase bleibt.“ Das Thema müsse „stärker in die Breite der Gesellschaft hineinwirken“.

Als große Chance sieht sie dafür die sogenannten Invictus Games versehrter Soldatinnen und Soldaten aus aller Welt, die dieses Jahr in Deutschland stattfinden – vom 9. bis 16. September in Düsseldorf.

Auch für die von dort stammende FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die dem Verteidigungsausschuss vorsteht, ist das „eine erste Auseinandersetzung mit dem Thema, auch und besonders an im Einsatz Verletzte zu denken“.

Die Liberale berichtet, dass ihr Ausschuss gerade mit Markus Laubenthal als stellvertretendem Generalinspekteur der Bundeswehr über neue Formen zum Umgang mit den Veteranen der Truppe nachdenkt.

„Wir sind uns der Bedeutung bewusst“, so Strack-Zimmermann. „Zum Umgang mit Soldaten gehört auch eine entsprechende Erinnerungskultur.“ Mit dieser hat sich Deutschland aufgrund der Verbrechen der Wehrmacht lange schwergetan.

Berlin bekommt „Veteranenbüro“

„Die Veteranenkultur in Deutschland ist nicht vergleichbar mit der in den USA, aber mehr Anstrengungen und eine gute Einbindung der Veteranen selbst wären wünschenswert, damit wir hier weiter vorankommen“, fordert Högl.

Sie erinnert zudem daran, dass in Berlin bald ein „Veteranenbüro“ eröffnet wird unter Beteiligung des Bundes Deutscher Einsatzveteranen als „eine zentrale Anlaufstelle“. Auch die Enquetekommission des Bundestages zur Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes leiste hier „einen wichtigen Beitrag“.

Dass inzwischen auch hochrangige Bundeswehrvertreter den „Marsch zum Gedenken“ aufwerten, sieht der FDP-Abgeordnete Pascal Kober als „Zeichen einer guten Entwicklung“. Als Vizepräsident des Reservistenverbandes, der als Organisator auftritt, sieht Kober Deutschland diesbezüglich jedoch noch als Entwicklungsland.

„Eine ehrliche Kultur des Gedenkens schließt mit ein, auszusprechen, was dem Soldatenberuf eigen ist, nämlich dass mit ihm Tod und Verwundung einhergehen – die Scheu, dies auszusprechen, ist verständlich“, sagte er dem Tagesspiegel: „Wir werden unserer Verantwortung als Gesellschaft gegenüber den Menschen in unseren Streitkräften aber nicht gerecht, wenn wir diese Wahrheit öffentlich verschweigen oder nur verschämt oder ungern aussprechen.“

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