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25 Millionen Euro mehr sollen die Parteien bekommen.

© dpa/Jens Wolf

Gesetzentwurf der Koalition: Was die Parteien aus dem Staatshaushalt wollen

Die große Koalition will deutlich mehr Geld für die Bundestagsparteien aus dem Staatshaushalt. Geplant ist ein Plus von 25 Millionen Euro. Wie wird das Vorhaben begründet?

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Will die große Koalition im Windschatten der Fußballweltmeisterschaft ihre nach den Wahlverlusten vom Herbst geschrumpften Haushalte auf Kosten der Steuerzahler sanieren? So lautet der Vorwurf der Opposition, seit diese Woche bekannt wurde, dass Union und SPD die Obergrenze der Staatszuschüsse an die Parteien von 165 auf 190 Millionen Euro anheben wollen. Das ist eine Steigerung um 15 Prozent.

SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan weist den Verdacht zurück. Der Gesetzentwurf habe „nicht mit der aktuellen Kassenlage von Parteien zu tun“. Beide Fraktionen haben den Entwurf gemeinsam eingebracht, doch manches spricht dafür, dass die Union mit dem Vorhaben dem klammen Partner SPD entgegenkommen wollte. In jedem Fall kam das Vorhaben sehr kurzfristig auf die politische Agenda.

Wie sieht die Regelung zur staatlichen Parteienfinanzierung bisher aus?

165 Millionen Euro stehen den Parteien derzeit für das Jahr 2019 aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung, um ihre Aufgaben mitzufinanzieren. Dieser Deckel, absolute Obergrenze genannt, wurde mit Wirkung ab 2013 im Parteiengesetz verankert. Gezahlt wird das Geld gemäß dem Abschneiden bei Bundestags-, Landtags- und Europawahlen. Entscheidend sind dabei die Wählerstimmen und damit auch die Wahlbeteiligung, zudem spielen Spenden von natürlichen Personen (also nicht Unternehmensspenden) und Mitgliederbeiträge eine Rolle.

Summieren sich die Ansprüche der Parteien über die Höchstsumme hinaus, wird entsprechend gekürzt. Diesen Hintergrund muss man beachten: Denn mit dem besseren Abschneiden der AfD und dem Wiedererstarken der FDP in jüngster Zeit verändert sich die Verteilung der Summe auf die Parteien. Neben den sieben Bundestagsparteien bekamen 2017 auch dreizehn Kleinparteien staatliche Mittel. eine Steigerung um immerhin 15 Prozent.

Wie erklären die Koalitionsfraktionen den Gesetzentwurf?

Begründet wird das Vorhaben unter anderem damit, dass eine Erhöhung der Höchstsumme sich bisher allein an der Preissteigerung orientiert habe. Da die Inflation in den vergangenen Jahren nicht besonders hoch war – meist lag sie deutlich unter zwei Prozent – erhöhte sich die Obergrenze nur wenig. Nun wird zur Begründung für die außerordentliche Erhöhung ein ganz anderer Maßstab eingeführt: neue Aufgaben und veränderte „gesellschaftliche Rahmenbedingungen“ und damit Kriterien, die sich weniger eindeutig in Zahlen darstellen lassen.

Die Hauptbegründung lautet, dass sich durch die Digitalisierung der Kommunikationswege und Medien „eine Vielzahl neuer politischer Foren entwickelt“ habe, „auf denen die Parteien entsprechend der von der Verfassung übertragenen Aufgabe der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes im heutigen Umfeld präsent sein müssen“.

Gemeint ist damit die Gestaltung der Internetauftritte der Parteien und ihre Präsenz in den sozialen Medien. Die Erhöhung um 25 Millionen Euro soll also das Twittern und Mitmischen auf Facebook finanzieren – mithin die Intensivierung des permanenten Wahlkampfes der Parteien im digitalen Zeitalter.

Entsprechend wird auch der Schutz vor „digitalen Angriffen“, auch der Schutz gegen Desinformation und „Fake News“, wie es im Gesetzentwurf heißt, als zusätzliche Begründung angeführt. All das bedeutet aus Sicht der Koalitionsfraktionen höhere Betriebskosten. Genannt werden ausdrücklich aber auch „neue innerparteiliche Partizipationsinstrumente“, worunter Mitgliederparteitage (statt Delegiertenversammlungen) und Mitgliederentscheide zu verstehen sind (welche nicht zwangsläufig unter die Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung fallen).

Was sagt die Opposition?

Am Freitag musste sich die große Koalition im Bundestag Vorwürfe anhören, sie wolle ohne Not im Eilverfahren mehr Geld durchpeitschen und nehme dafür Schaden für das Ansehen der Parteien in Kauf. „Man könnte diesen Entwurf auch ein Gesetz zur Steigerung der Politikverdrossenheit nennen“, schimpfte der Linken-Abgeordnete Friedrich Straetmanns.

Der AfD-Parlamentarier Thomas Seitz sprach von einem „Griff in den Geldbeutel des Steuerzahlers“ und warf der Groko „Selbstbedienungsmentalität“ vor. Auch Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann ging auf Distanz: „Es ist einfach dreist, was Sie sich hier leisten“, sagte sie.

Hermann Otto Solms, Schatzmeister der FDP, verwies darauf, dass das schlechte Abschneiden von SPD und Union bei der Bundestagswahl deren Parteihaushalte viel Geld gekostet haben. „Machen Sie bessere Politik, dann kriegen Sie auch wieder mehr Zustimmung, und dann werden Sie ihre Finanzprobleme auch lösen“, empfahl er.

Dass das Gesetzgebungsverfahren im Eiltempo durchgezogen wird, zeigt die Anberaumung der nötigen Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Bundestages. Sie findet am kommenden Montag statt, um zehn Uhr in der Frühe. Die Entscheidung dazu fiel offiziell am vorigen Dienstag. Eine kurze Einladungsfrist für die Experten, die damit nur drei Tage und ein Wochenende Zeit haben, sich vorzubereiten. Immerhin schafften es alle Fraktionen außer der AfD, bis Freitag Sachverständige zu benennen.

Wie stehen die Parteien finanziell da?

Die Rechenschaftsberichte der Parteien für das Jahr 2016 sind gerade erst veröffentlicht worden. Die Partei mit dem meisten Geld ist demnach die SPD: Ein Reinvermögen von 217 Millionen Euro lässt sich dem Rechenschaftsbericht entnehmen. Von den Einnahmen in Höhe von 157 Millionen Euro stammen 51 Millionen Euro aus staatlichen Zuschüssen, 75 Millionen dagegen aus Beiträgen von Mitgliedern und Mandatsträgern, also Abgeordneten.

Allerdings haben die Verluste bei der Bundestagswahl und die turbulente Entscheidungsphase vor dem Eintritt in die große Koalition neue Löcher ins SPD-Budget gerissen: Vier Millionen Euro kostete die Mitgliederbefragung zum Regierungseintritt und die beiden Sonderparteitage in Bonn und Wiesbaden. Wegen der Verluste bei der Bundestagswahl müssen Bundes- und Landesverbände auf 1,6 Millionen Euro aus staatlichen Mitteln pro Jahr verzichten.

Die CDU hat ein Reinvermögen von 165 Millionen Euro gemeldet. Von den Einnahmen (145 Millionen Euro) kamen 50 Millionen aus Steuergeldern und 57 Millionen aus Beiträgen. Für die finanzielle Gesamtschlagkraft der Unionsparteien muss man natürlich die CSU hinzuaddieren. Sie saß 2016 auf einem Vermögen von fast 40 Millionen Euro und hatte Einnahmen von knapp 39 Millionen – davon 13 Millionen aus Beiträgen, und zwölf Millionen aus den öffentlichen Etats.

Dieser geballten Finanzkraft der Koalitionsparteien (Einnahmen zusammen: 302 Millionen Euro) können die Oppositionsparteien nur geringere Summen entgegenstellen. Zusammen kommen Grüne, AfD, FDP und Linke auf Einnahmen in Höhe von 115 Millionen Euro.

Die Grünen liegen hier an der Spitze mit 42 Millionen Euro, dann kommen die Linken mit knapp 30 Millionen, knapp gefolgt von der FDP mit gut 29 Millionen und der leicht abgeschlagenen AfD mit etwa 16 Millionen Euro. Das Gesamtvermögen der vier Oppositionsparteien im Bundestag liegt bei 100 Millionen Euro, wobei auch hier Grüne (45 Millionen) und Linke (33 Millionen) deutlich vor der AfD (14 Millionen) und der FDP (acht Millionen) liegen. Gerade bei den Freien Demokraten macht sich hier das vierjährige Fehlen im Bundestag bemerkbar.

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