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© Kai-Uwe Heinrich

Gesundheitspolitik: An Merkels Fonds reiben sich die Gemüter

Die Gesundheitsexperten von Union und FDP müssen passen - bislang weiß keiner, wie die unterschiedlichen Vorstellungen der zukünftigen Koalitionspartner überein zu bringen sein sollen. Die Verhandlungen könnten in diesem Punkt sehr schwierig werden.

Die Gegensätze könnten stärker kaum sein. Die einen wollen einen radikalen Kurswechsel, die anderen möglichst wenig strukturelle Veränderung. Die einen propagieren Privatisierung und Eigenverantwortung, die andern bangen plötzlich ums Solidarprinzip. Selbst ausgewiesene Experten in Union und FDP haben bislang keinen blassen Schimmer, ob und wie sie sich auf dem Kampfplatz der Gesundheitspolitik zusammenraufen.

Dabei ist das Thema für beide Seiten ein zentrales. Die Liberalen haben Riesenerwartungen bei Ärzten, Apothekern und Privatversicherern geweckt. Die Union dagegen muss als „einzige verbliebene Volkspartei“ (Angela Merkel) vor allem die Interessen der Bevölkerungsmehrheit im Auge haben – und knapp 90 Prozent der Deutschen sind nun mal gesetzlich krankenversichert. Deren Protest gegen weitere Leistungskürzungen und die Ausdünnung des solidarischen Systems kann sie kaum riskieren.

Wie schlecht die gesundheitspolitischen Vorstellungen zusammengehen, hat die wiedergewählte Kanzlerin schon kurz vor der Wahl der „Apotheken-Umschau“ eingestanden. Zwar sei die FDP ihr Wunschpartner, betonte sie. Die FDP-Modelle fürs Gesundheitssystem entsprächen aber „für mich nicht dem Gedanken der sozialen Ausgewogenheit, und soziale Unausgewogenheit wird die Union nicht zulassen“. Offenbar, so die patzige Reaktion des FDP-Experten Daniel Bahr, wolle Merkel die Politik der SPD-Ministerin Ulla Schmidt fortsetzen.

In einem Punkt hat er damit recht. Am großkoalitionär installierten Gesundheitsfonds, für die FDP die Ausgeburt von Bürokratismus und Staatsmedizin, will die Kanzlerin auch nach der Wahl nicht rütteln lassen. Schließlich hat sie die Geldsammelstelle sogar gegen Widerstände aus den eigenen Reihen durchgeboxt – und ist erklärtermaßen auch durchaus zufrieden mit dessen Wirkungsweise. Die „Grundstruktur des Gesundheitsfonds“ werde nicht angetastet, hat Merkel gleich klargestellt. Und Parteifreunde liefern Begründungen für dieses Machtwort. Auf dem „sensiblen Feld der Gesundheit“ könne man nicht jedes Jahr eine neue Reform machen, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU). Selbst die FDP könne „kein Interesse daran haben, ein System, das nicht mal neun Monate existiert und noch nicht in allen Teilen seine volle Wirkung entfaltet hat, komplett zurückzunehmen“, meint Annette Widmann-Mauz (CDU).

Doch dieses Interesse hat die FDP. Für sie ist der Fonds das Symbol all dessen, was sie in der Gesundheitspolitik nicht will. „Sehr intensiv“ werde man über dessen Abschaffung zu reden haben, beharrte FDP-General Dirk Niebel noch am Dienstag und reklamierte dafür auch „großen gesellschaftlichen Rückhalt“. Wobei er zu erwähnen vergaß, dass knapp die Hälfte der Deutschen Umfragen zufolge immer noch nicht wissen, worum es sich bei dem so unbeliebten Gesundheitsfonds überhaupt handelt.

Unterstützung für seine Forderung erhält Niebel eigenartigerweise von der sozialpolitisch sonst eher anders gepolten CSU. Und so denken sie in der Schwesterpartei notgedrungen auch beim Fonds über Kompromissmöglichkeiten nach. Eine wäre, ihn im Grundsatz bestehen zu lassen, den Kassen aber wieder die Beitragshoheit zurückzugeben. Der Risikoausgleich, der sich an den Krankheiten der Versicherten bemisst, müsse aber bleiben, heißt es in der CDU. Ansonsten ärgern sie sich auch dort über die angeblich ruinösen Rabattverträge der Kassen mit mittelständischen Pharmafirmen, den erschwerten Zugang zu Privatversicherern und steigende Arbeitgeberbeiträge. An die Unterschiede für gesetzlich und privat Versicherte beim Arzthonorar indessen will die CDU ebenso wenig heran wie an die bereits beschlossenen Steuerzuschüsse fürs gesetzliche System, die Arzneizuzahlungen und die unbeliebte Praxisgebühr.

Bleibt die Frage nach dem Gesundheitsministerium. Ernsthaft kommen dafür nur zwei Kandidaten infrage: die bisherige Familienministerin Ursula von der Leyen und der Chef des Bundesversicherungsamtes, Josef Hecken. Erstere werde aber weiterhin dringend für die Familienpolitik benötigt, geben sie in der Union zu bedenken. Hecken dagegen wäre, als „Exekutor“ und heftiger Befürworter des Fonds, ein Affront für den Koalitionspartner. Dass die FDP das Amt für sich selber reklamiert, glaubt dennoch kaum einer. Schlimmeres als einen Minister zu stellen, der dann die meisten seiner Wahlkampfversprechungen nicht einzulösen imstande sei, könne sich die Partei doch nicht antun, spotten Unionsexperten.

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