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In einer Bäckerei in der ägyptischen Hauptstadt Kairo werden Brotfladen transportiert.

© Amr Abdallah Dalsh/REUTERS

Trotz der Rückeroberung der Schlangeninsel: Getreide bleibt ein knappes Gut

Länder wie Ägypten decken sich auf dem Weltmarkt nach Kräften mit Getreide ein – aus Furcht vor einem neuen „Arabischen Frühling“.

Auch nach der Rückeroberung der strategisch wichtigen Schlangeninsel durch die Ukraine im Nordwesten des Schwarzen Meers bliebt unklar, wie Kiew demnächst Getreide in großen Mengen exportieren kann. Wenn der Export des in der Ukraine gelagerten Getreides nicht im großen Stil gelingt, wird die Lage von besonders abhängigen Ländern wie Ägypten oder Somalia nach den Worten des Vorstandsvorsitzenden des Agrarkonzerns BayWa, Klaus Josef Lutz, demnächst „ganz kritisch“.

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Wie Lutz am Donnerstag erläuterte, ist etwa Ägypten beim Import von Brotweizen zu 80 Prozent von Russland und der Ukraine abhängig. Im Fall Somalias betrage die Abhängigkeit von ukrainischen Importen rund 100 Prozent. Seit Beginn des Ukraine-Krieges hängen rund 20 Millionen Tonnen Getreide in den Silos des Landes fest, weil der Export über Schwarzmeer-Häfen wie Odessa blockiert ist.

Wie entscheidend dabei der Export über den Seeweg ist, erläuterte Lutz anhand des Fassungsvermögens so genannter Panamax-Containerschiffe, die 30 Mal so viel Ladung aufnehmen können wie ein Güterzug. Wegen der Blockade des Schwarzen Meeres durch Russland gibt es Überlegungen, den bestehenden Export von ukrainischem Getreide über den Landweg zu verstetigen. Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte einen Bau einer Breitspur-Verbindung zwischen der Ukraine und baltischen Häfen als eine Möglichkeit ins Spiel gebracht.

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Über den weit gehend blockierten Export hinaus ist absehbar, dass die Weizenernte in der Ukraine in diesem Jahr deutlich geringer ausfallen wird. Das geht aus einer Auswertung von Satellitenbildern durch die BayWa-Tochter Vista hervor. Gegenwärtig reifen auf den Feldern der Ukraine 22,48 Millionen Tonnen Brotweizen für die diesjährige Ernte heran. Das entspricht einem Rückgang um 17 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der vergangenen vier Jahre. Neben dem Krieg ist für den erwarteten Rückgang auch die Trockenheit verantwortlich.

Kiew dämpft Hoffnungen auf Schwarzmeer-Export

Den Abzug von der symbolträchtigen Schlangeninsel hatte das Verteidigungsministerium in Moskau mit den Worten begründet, dass Russland den Export von Getreide und landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine nicht behindere. Allerdings wurden in Kiew Hoffnungen auf eine baldige Aufhebung der Blockade gedämpft. Wie das ukrainische Außenministerium auf Twitter erklärte, gefährde Russland weiterhin die globale Ernährungssicherheit. Den Angaben zufolge hätten russische Soldaten einen Agrarbetrieb in der Region von Dnipropetrowsk unter Beschuss genommen und ein Lagerhaus zerstört, in dem 40 Tonnen Getreide eingelagert waren.

Der ukrainische Hafen von Berdjansk steht bereits seit Ende Februar unter russischer Kontrolle.
Der ukrainische Hafen von Berdjansk steht bereits seit Ende Februar unter russischer Kontrolle.

© dpa

Derweil hat Russland in den besetzten Gebieten in der Ukraine mit dem Export von Getreide auf dem Seeweg begonnen. Am Donnerstag war ein Schiff mit einer Ladung von 7000 Tonnen Getreide aus dem Hafen von Berdjansk ausgelaufen. Bereits Ende Februar hatten russische Streitkräfte die Hafenstadt eingenommen. Wie der Chef der pro-russischen Verwaltung, Ewgeni Balitski, erklärte, sei die Fracht von 7000 Tonnen Getreide auf dem Weg „in befreundete Staaten“.

Länder wie Ägypten, Libyen und Pakistan kaufen verstärkt auf

Zu den Hauptabnehmern von Getreide, das Russland in der Ukraine konfisziert, gehört grundsätzlich China. Unterdessen haben Länder wie Ägypten, Libyen und Pakistan nach den Worten von BayWa-Chef Lutz verstärkt damit begonnen, Getreide auf dem Weltmarkt aufzukaufen. Die Regierungen dieser Länder unternähmen alles, um eine Krise wie vor über einem Jahrzehnt zu vermeiden, so Lutz. In Algerien gehörte etwa der Unmut über massiv gestiegene Lebensmittelpreise seinerzeit zu den Ursachen des Arabischen Frühlings.  

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