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Das Kriegsschiff „HMS Westminster“ bricht zu einem Manöver Richtung Gibraltar auf, das nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums lange geplant war.

© dpa

Gibraltar: „Atavistische Grundstimmung“

Der britische Spanien-Experte Paul Heywood erklärt, warum die Mehrheit der Briten den harten Kurs ihrer Regierung im Streit um Gibraltar unterstützt.

Herr Heywood, seit Jahren kommt es immer wieder regelmäßig zum Streit zwischen Großbritannien und Spanien um Gibraltar. Der Felsen gehört zum Vereinigten Königreich, aber auch Madrid erhebt Ansprüche. Worin unterscheidet sich die jüngste Eskalation von den Streitereien in der Vergangenheit?

Der aktuelle Streit unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von dem, was wir bislang kennen: Zum einen hat die Regierung von Gibraltar Betonklötze im Meer versenkt – einem bestehenden Fischereiabkommen zum Trotz. Obwohl die spanische Fischereiflotte in dieser Region ohnehin schon sehr dezimiert ist, musste sich die spanische Seite davon provoziert fühlen. Und zum anderen haben beide Seiten – Großbritannien und Spanien – im Vergleich zu vergleichbaren Streitfällen in der Vergangenheit rhetorisch aufgerüstet.

Wie deuten Sie die Äußerung des spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy, der angekündigt hat, in dem Disput die Interessen Spaniens zu verteidigen?

Mit ähnlichen Formulierungen hat die Regierung in Madrid immer wieder einen Souveränitätsanspruch auf Gibraltar erhoben – so wie auch Großbritannien stets betont, den Wunsch der Einwohner von Gibraltar zu respektieren, weiter bei Großbritannien zu bleiben. Es ist aber kein Zufall, dass die Zuspitzung des Konflikts um Gibraltar zeitlich mit dem Korruptionsskandal zusammenfällt, in den die konservative Regierungspartei von Rajoy verwickelt ist. Wir haben es hier wohl mit einem klassischen Ablenkungsmanöver zu tun. Dieses Manöver wird auch in Teilen der spanischen Presse nachvollzogen: Konservative Blätter wie „Diario ABC“ und „El Mundo“ stellen die Auseinandersetzung um Gibraltar stark in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung.

Rajoys Regierung möchte in dem diplomatischen Konflikt mit London Argentinien auf ihre Seite ziehen. Schließlich fordert auch Argentinien von Großbritannien die Rückgabe der Falkland-Inseln. Welche Chancen geben Sie einer derartigen Allianz?

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass daraus etwas wird. Sicher hat Spanien die Sache Argentiniens während des Falklandkrieges 1982 mehr unterstützt als andere europäische Staaten. Aber auf eine echte Hilfe Argentiniens, die über bloße Lippenbekenntnisse hinausgeht, kann Madrid nicht zählen. Denn schließlich steht auch Spanien im Streit um Gibraltar auf tönernen Füßen – weil Madrid mit Ceuta und Melilla selber über zwei Exklaven in Nordafrika verfügt.

Paul Heywood ist Dekan der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Universität Nottingham. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Korruption in Südeuropa.

© privat

Rajoy setzt auch auf Vierer-Gespräche zwischen Spanien, Großbritannien, Gibraltar und der Regionalregierung von Andalusien, um Meinungsverschiedenheiten bei der Fischerei und beim Umweltschutz aus der Welt zu räumen. Könnte ein solches Gesprächsformat die Lösung bringen?

Das ist schon möglich. Allerdings wird sich Großbritannien keinesfalls auf Gespräche einlassen, wenn dabei Londons Souveränitätsrecht in irgendeiner Form in Frage gestellt werden sollte. Ich halte es am ehesten für wahrscheinlich, dass der aktuelle Streit bilateral zwischen Madrid und London auf Regierungsebene gelöst wird.

Gibraltars Chefminister Fabian Picardo hat die Regierung in Madrid mit Nordkorea verglichen, weil Spaniens Außenminister José Manuel Garcia-Margallo zuvor vorgeschlagen hatte, eine Art Wegzoll von 50 Euro für jedes Fahrzeug zu verlangen, das von Gibraltar nach Spanien fährt.

Der Vergleich mit Nordkorea war sehr dumm. Er ist sehr weit hergeholt, um es vorsichtig auszudrücken. Allerdings ist der Vergleich typisch für das rhetorische Säbelrasseln, das wir im Moment erleben.

Wie reagiert die britische Öffentlichkeit auf diesen „Krieg der Worte“?

Eine überwältigende Mehrheit ist dafür, dass Gibraltar Teil des Vereinigten Königreichs bleiben muss. Man kann hier schon fast von einer atavistischen Grundstimmung sprechen. Ähnlich wie im Fall der Falkland-Inseln geht es hier in den Augen der Öffentlichkeit um das Recht von Menschen, die unter britischer Souveränität leben, dies auch künftig zu tun. Nur eine verschwindend geringe Minderheit steht auf dem Standpunkt, dass auch die Interessen der spanischen Fischereiindustrie berücksichtigt werden sollen.

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