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Stunde der Wahrheit. Griechenlands Ministerpräsident Tsipras (Mitte) beim EU-Sondergipfel in Brüssel. Links Frankreichs Staatspräsident Hollande, rechts Spaniens Premier Rajoy.

© AFP

Griechenland-Krise: Alexis Tsipras und der Poker um die Schulden

Regierungschef Alexis Tsipras möchte Verbindlichkeiten bei der EZB in die Zukunft verschieben und trifft sich am Mittwoch überraschend mit Vertretern von IWF, EZB und EU. Die Bundesregierung lehnt Schuldenerleichterungen bisher jedoch ab.

Es ist das S-Wort, und die EU-Partner des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras tun derzeit alles, um es nicht in den Mund zu nehmen: Schuldenerleichterungen. Dagegen gehört das S-Wort auf der griechischen Verhandlungsseite im Poker um eine Vereinbarung mit den Gläubigern zu den immer wieder benutzten Vokabeln. Zuletzt forderte der Athener Staatsminister Nikos Pappas, dass „ein strategischer und vollständiger Plan für das Schuldenproblem“ auf den Tisch kommen müsste. Auch Tsipras hatte zuvor immer wieder einen Schuldenschnitt für sein Land gefordert. Die Frage einer möglichen Erleichterung bei der Rückzahlung der Verbindlichkeiten, die besonders für die Parteilinke im regierenden Syriza-Bündnis eine wichtige Forderung darstellt, ist eine gefährliche Verhandlungs-Klippe. An ihr könnte ein Kompromiss zwischen Geldgebern und Griechenland noch scheitern.

Wie heikel die Frage nach weiteren Schuldenerleichterungen für Griechenland ist, zeigte sich am späten Montagabend, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Brüsseler Sondergipfel vor die Presse trat und jede Festlegung in der Frage vermied. Das Thema einer möglichen Umstrukturierung der Schulden habe bei ihrem Treffen mit Tsipras und den 17 übrigen Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone keine Rolle gespielt, erklärte die Kanzlerin. Auch auf der französischen Verhandlungsseite will man zumindest öffentlich keine Debatte über das S-Wort heraufbeschwören. Staatschef François Hollande erklärte nach dem Sondergipfel, dass es bei der Lösungssuche zunächst um die Konsolidierung des Athener Haushalts gehe. Eine Umstrukturierung der griechischen Schulden könnte erst „in einer zweiten Etappe“ kommen, erklärte Hollande weiter.

Der IWF fordert, dass die Schulden tragfähig sein müssen

Es gibt unter den Gläubigern Griechenlands allerdings eine Institution, die Schuldenerleichterungen für Athen durchaus anspielt: Der Internationale Währungsfonds (IWF) vertritt schon seit langem die Auffassung, dass der enorme Schuldenstand Griechenlands nicht mehr tragfähig ist. Am Mittwoch will sich Tsipras nun überraschend mit IWF-Direktorin Christine Lagarde, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EZB-Chef Mario Draghi treffen, um über eine Lösung der Schuldenkrise zu beraten. Dies teilte das Amt von Tsipras am Dienstagabend mit. Das Treffen in Brüssel solle am Mittag beginnen, nur wenige Stunden vor Beratungen der Eurogruppen-Finanzminister.

Es ist nicht das erste Mal, dass über Schuldenerleichterungen für Hellas diskutiert wird. Bei einem Schuldenschnitt für Privatgläubiger wurden Athen im Jahr 2012 rund 100 Milliarden Euro erlassen. Zudem erhielt Griechenland von den Geldgebern Zugeständnisse bei den Laufzeiten und Zinszahlungen für die Kredite – was ebenfalls einem verdeckten Schuldenschnitt entspricht. Mit der Tilgung der Kredite aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF muss Griechenland ohnehin erst im kommenden Jahrzehnt beginnen.

Es sind aber nicht die EFSF-Kredite, die Syriza-Politiker im Auge haben, wenn sie Schuldenerleichterungen verlangen. Vielmehr zielen die griechischen Linkspolitiker mit derartigen Forderungen auf ein akutes Rückzahlungsproblem des griechischen Staates, das sich bereits in den kommenden Monaten stellt. Am 20. Juli muss Griechenland 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Die EZB hat zahlreiche griechische Anleihen gekauft, von denen einige in diesem Sommer fällig werden. So muss Athen am 20. August eine Zahlung von weiteren 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank leisten. Insgesamt hält die EZB noch griechische Anleihen im Wert von 27 Milliarden Euro in ihrem Besitz.

Varoufakis spricht von einem "Felsblock, der alles blockiert"

Wie Griechenland sich nun kurzfristig der Rückzahlungen an die EZB entledigen könnte, erklärte der Athener Finanzminister Yanis Varoufakis Anfang des Monats im Interview mit dem Tagesspiegel. Varoufakis bezeichnete die anstehenden Fälligkeiten bei der EZB als „Felsblock, der alles blockiert“. „Darum sollten wir einen neuen Kredit des ESM, des Rettungsfonds der Euro-Staaten, in gleicher Höhe bekommen, um damit die EZB-Anleihen auszulösen“, führte er weiter aus. Zusätzlich forderte Varoufakis in einem Interview mit der Zeitung „Realnews“, dass der gewünschte ESM-Kredit mit einer Laufzeit von 30 Jahren einen relativ niedrigen Zinssatz von 1,5 Prozent haben müsse. Der Effekt: Die anstehenden Rückzahlungen an die EZB wären durch den Umweg über den Euro-Rettungsfonds ESM in die Zukunft verschoben.

Bei der Bundesregierung können Tsipras und Varoufakis auf kein Entgegenkommen rechnen. Nachdem Merkel am Ende des Sondergipfels auf Fragen nach einem Schuldenschnitt gar nicht eingegangen war, wurde am Dienstag Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) konkret. „Es geht nicht darum, wie man mit Schulden umgeht, sondern es geht darum, wie man verhindert, dass neue entstehen“, sagte der SPD-Politiker bei einem Firmenbesuch in Fellbach bei Stuttgart. Ein Schuldenschnitt würde nichts bringen, wenn danach wieder neue Schulden aufgebaut werden, fügte der SPD-Chef hinzu.

Tsipras gerät zu Hause unter Druck

Die Athener Zeitung „Ta Nea“ kritisierte unterdessen, dass bei den jüngsten Verhandlungen in Brüssel die Forderung nach einer Schulden-Umstrukturierung bislang keine Rolle gespielt hat. In EU-Kreisen heißt es dazu, dass Athen klar kommuniziert bekommen habe, „dass dies nicht Bestandteil der Verhandlungen nun sein kann“. Tsipras stehe deshalb vor einer Konfrontation mit Syriza, prophezeit nun das Blatt „Ta Nea“. Gleichzeitig verschaffen sich in der griechischen Hauptstadt auch diejenigen verstärkt Gehör, die eine Pleite ihres Landes unbedingt verhindern wollten. Auch am Montagabend gingen Tausende zwischen dem Parlament und dem Syntagma-Platz auf die Straße, um für einen Verbleib ihres Landes in der Euro-Zone zu demonstrieren. (mit Reuters)

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