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Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras.

© dpa

Griechenland-Krise: Ideologie kann man nicht essen

Die Euro-Staaten müssen Griechen-Premier Tsipras in jedem Fall jetzt zuvorkommen - mit einem Angebot. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Alles ist falsch. Falsch gelaufen. Und wenn es so nicht weitergehen soll, dann – ja was dann? Wie weiter?
These 1: Falsch war, wie die Euro-Staaten Griechenland behandelt haben. Jedenfalls kann man so argumentieren. Und ganz gewiss täten die Euro-Staaten gut daran, sich den Fall noch einmal vorzulegen, die Entwicklung von 2010 an.
Keine Frage, vor 2010, bei den Vor- und Vorvorgängerregierungen, gab es in Griechenland schon alles das, was heute zu Recht kritisiert wird. Misswirtschaft, Unvermögen, Korruption, das zusammengenommen möglicherweise in Potenz, weil es schon über einen langen Zeitraum so lief.

Welches Problem kann die EU dann überhaupt beherrschen?

Aber war es mit diesem Wissen dann klug, sparen zu wollen, wo nichts zu sparen ist, anstatt die Schulden gleich zu reduzieren und in Wachstum zu investieren? War es richtig, zuerst einmal (deutsche und französische) Banken zu retten, aber weniger die Menschen dahinter zu sehen? Der Einwand, ohne Banken gebe es keinen Wirtschaftskreislauf, ist technisch, er generiert noch keinen Aufschwung, aber ohne Aufschwung ist alles nichts. Und ohne die Menschen erst recht nicht. Die fähigsten gehen nämlich, sobald sie können, wenn das Land in die Depression sinkt.

Und mehr noch. Die EU kann das Problem Griechenland – gerade mal zehn Millionen Einwohner, gerade mal zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Euro- Zone – nicht lösen? Welches Problem kann sie dann überhaupt beherrschen? Oder beherrschen die Probleme nicht doch schon die EU? Diese Fragen kann man stellen. Auf die Antwort warten die Marktteilnehmer der Welt. Ja, und kann man auch so argumentieren – zugleich muss man konstatieren: Es wäre falsch, einer nationalpopulistischen Regierung auch nur einen Fingerbreit nachzugeben.
These 2: Im Fall, dass Alexis Tsipras gewinnt, würden alle Nationalisten, Populisten, rechts wie links, gewinnen. Europa würde deren Aufschwung erleben, den dann aber womöglich nicht überleben. Le Pen, Strache, Orban, Podemos. Einerlei wohin man schaut, es lauert die Gefahr. Und sie würde durch Tsipras potenziert.
Sagen wir also, alles war falsch, alles beides ist falsch: Die Politik gegenüber Griechenland so weiterzubetreiben – und sich von Tsipras treiben zu lassen. Wie dann weiter? Gibt es einen Ausweg aus dieser Sackgasse?

Tut er es doch – hat er verloren

Gibt es: wenden. Abwenden. Indem die Euro-Staaten Tsipras den Sieg entreißen, oder den Sieg nicht zulassen. Die Politiker, nicht Techniker, legen in voller Transparenz den Vorschlag als ihr Angebot auf den Tisch, über den sowieso gesprochen wird. Mit einer Entschuldung, die machbar ist. Insgesamt also das, was Tsipras am Ende erreichen könnte. Nur tut ihm keiner den Gefallen, dass er dafür den Helden spielen muss, kann, darf. Er stellt die Regeln auf? Falsch. Das Angebot muss so sein, dass es Griechenland nicht noch tiefer in die Rezession steuert. Dann kann Tsipras es in der Sache nicht ablehnen. Tut er es doch – hat er verloren. Glaubt Tsipras das jetzt nicht, in drei Wochen wird er es. Wenn das Volk bittere Not leidet, und er es hätte verhindern können. Mal hören, was Vox Populi dann sagt. Ideologie kann man nicht essen.

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