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Griechenland: Papandreou will das Wettrüsten mit der Türkei beenden

Als griechischer Außenminister trieb Giorgos Papandreou in den Jahren 1999 bis 2004 die Annäherung an den "Erbfeind" Türkei voran. Als Ministerpräsident will er den Entspannungsprozess, der unter seinem konservativen Vorgänger Kostas Karamanlis nahezu erlahmte, nun wieder neu beleben.

An diesem Mittwoch wird Griechenlands Vize-Außenminister Dimitris Droutsas, ein enger Vertrauter Papandreous, in der türkischen Hauptstadt Ankara erwartet. Eigentlich sollte der Besuch bereits vergangene Woche stattfinden. Droutsas verschob seine Reise aber, nachdem türkische Kriegsschiffe mehrfach in griechischen Hoheitsgewässern vor dem Kap Sounion aufgekreuzt waren. Zuvor hatte bereits der griechische Minister für Bürgerschutz, Michalis Chrysochodis, einen Türkei-Besuch abgesagt, weil türkische Kampfjets über dem östlichen Mittelmeer Scheinangriffe auf Patrouillenflugzeuge der EU-Grenzagentur Frontex geflogen waren. Die Zwischenfälle zeigen, wie groß das Konfliktpotenzial zwischen beiden Ländern ist. Dass Droutsas nun mit einwöchiger Verspätung doch nach Ankara fliegt, unterstreicht aber auch, wie sehr den Griechen an einer Verbesserung der Beziehungen gelegen ist.

Die akute Schuldenkrise Griechenlands gibt diesem Anliegen eine besondere Aktualität: Die chronischen Finanznöte sind nicht zuletzt ein Ergebnis des ruinösen Wettrüstens mit der Türkei. In Relation zu seiner Wirtschaftskraft gibt Griechenland seit Jahrzehnten mehr für die Rüstung aus als jeder andere Nato-Staat außer den USA. Allein in Deutschland, ihrem größten Lieferanten während der vergangenen drei Jahre, kauften die Griechen seit 1998 Waffen im Wert von 45 Milliarden Euro. Die Türkei und Griechenland sind die besten Kunden der deutschen Waffenschmieden. Für sie wäre eine Ende des Rüstungswettlaufs der beiden verfeindeten Nato-Partner ein herber Rückschlag, für die Steuerzahler in beiden Ländern dagegen ein gute Nachricht. Vor allem die Griechen kämen ihrem Ziel, die zerrütteten Staatsfinanzen zu konsolidieren, einen großen Schritt näher, wenn das Wettrüsten beendet würde.

Doch so weit ist es noch nicht. Die griechisch-türkische Annäherung hat in den vergangenen zehn Jahren zwar große Fortschritte gemacht. Auch der bilaterale Handel und der Reiseverkehr entwickeln sich sehr gut. Aber die eigentlichen Streitfragen, wie die Kontroverse um die Wirtschaftszonen in der Ägäis, die Hoheitsrechte zu See und in der Luft sowie der völkerrechtliche und militärische Status einiger ostägäischer Inseln, sind weiter ungelöst. Auf den Vorschlag Griechenlands, die Kontroverse um die Wirtschaftszonen in der Ägäis vom Internationalen Gerichtshof im Haag schlichten zu lassen, geht die Türkei bisher nicht ein. Das Thema dürfte auf der Tagesordnung stehen, wenn der türkische Premier Tayyip Erdogan voraussichtlich Ende Mai oder Anfang Juni nach Athen kommt. Die Reise des Vize-Außenministers Droutsas nach Ankara dient vor allem der Vorbereitung dieses Besuchs.

Daneben will Droutsas mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davoutoglou über weitere vertrauensbildende Maßnahmen sprechen. Angedacht sind gemeinsame militärische Ausbildungsprogramme im Rahmen des Nato-Programms "Partnerschaft für den Frieden" und engere Kontakte zwischen Militärdienststellen beider Länder. Damit könnten Spannungen, wie sie kürzlich durch das Aufkreuzen der türkischen Kriegsschiffe vor griechischen Küsten entstanden, entschärft werden. Schwierig bleibt die griechisch-türkische Annäherung aber nicht zuletzt deshalb, weil die türkischen Militärs weitgehend unabhängig von der Politik agieren und ihre eigenen Ziele verfolgen. Griechische Diplomaten äußern den Verdacht, der Generalstab versuche die politische Entspannung mit Athen systematisch zu hintertreiben - auch aus Opposition zur islamisch-konservativen Regierung Erdogan. So lange das so bleibe, gebe es wenig Spielraum für einen Rüstungsabbau, heißt es in Athen.

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