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Was hat Alexis Tsipras vor?

© Reuters

Griechenland: Will Syriza den Bruch mit dem Euro und Deutschland die Schuld dafür geben?

Minister und Politiker der Syriza-Regierung in Griechenland greifen Deutschland an und bringen einen Bruch mit dem Euro und der EU ins Gespräch. Wollen Sie den Preis für die Verhandlungen hochtreiben? Oder ist der Bruch bereits fest einkalkuliert und sie wollen Deutschland die Schuld dafür geben?

Der griechische Energieminister Panagiotis Lafazanis ruft in einem am Wochenende veröffentlichten Interview zum „Umsturz“ und zum Widerstand gegen die „skrupellosen Imperialisten“ auf, die Griechenland „unterwerfen“ wollen.

Die Kampfansage des Athener Ministers ist eine schrille Begleitmusik zu den jetzt wieder aufgenommenen Verhandlungen Griechenlands mit der so genannten „Brussels Group“, der früheren Troika. Auch Finanzminister Yanis Varoufakis erwartet offenbar einen Bruch mit Europa. Wohin steuert Griechenland unter der Links-Rechts-Regierung von Alexis Tsipras?

Nun brüten sie wieder in Brüssel. Vertreter der Gläubiger Griechenlands beraten seit diesem Samstag über jene Reformliste, mit der eine Delegation des griechischen Finanzministeriums am Freitagnachmittag angereist war. Der Katalog enthält 18 Maßnahmen, mit denen Athen in diesem Jahr etwa 3,5 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen will.

Das dürfte aber bei weitem nicht reichen. Denn die Finanzlage in Athen verschlechtert sich dramatisch. Experten erwarteten für dieses Jahr eine Finanzierungslücke von zehn bis 20 Milliarden Euro, berichtet der „Spiegel“ aus Troika-Kreisen. Auch die US-Ratingagentur Fitch sieht immer schwärzer für Griechenland: Sie senkte am Freitagabend die Kreditwürdigkeit des Landes um zwei Stufen auf „CCC“.

Die Prüfung der Reformliste durch die Troika dürfte mehrere Tage dauern. Von ihrem Ergebnis hängt ab, ob die Euro-Finanzminister weitere Finanzhilfen für Griechenland freigeben. Ohne neue Kredite könnte das Land schon in der ersten April-Hälfte zahlungsunfähig werden.

Will Griechenland überhaupt gerettet werden?

Doch lohnt sich die ganze Mühe überhaupt? Will Griechenland überhaupt gerettet werden? Daran gibt es in Europa wachsende Zweifel. Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling glaubt nicht mehr an eine baldige Einigung. „Wir haben eine Vertrauenskrise mit Griechenland“, sagte Schelling. Das Land halte sich nicht an Abmachungen und liefere keine Unterlagen. „Auf dieser Ebene Entscheidungen zu treffen, ist mühsam“, so der österreichische Minister.

Nicht nur in den deutschen Unionsparteien wird inzwischen über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone spekuliert. Die Tsipras-Regierung hat sich auch mit Freunden des Landes in der SPD überworfen. „Die griechische Regierung ist nicht berechenbar“, sagte der SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Reformvorschläge in Griechenland gingen komplett in die falsche Richtung. „Wir sehen der Entwicklung fassungslos zu.“

Die Fassungslosigkeit dürfte wachsen, wenn sich erst einmal in Berlin herumspricht, was Energieminister Lafazanis in einem am Samstag publizierten Interview der Wirtschaftszeitung „Kefalaio“ (Kapital) zum Besten gibt.

Der einzige Ausweg aus der Krise bestehe für Griechenland in einer „harten Konfrontation, ja in einem Zusammenprall mit dem deutschen Europa“. Dieses „deutsche Europa“ versuche, Griechenland zu ertränken, und ziehe „Woche für Woche die Schlinge enger“.

Lafazanis: „Das heutige deutsche Establishment ist das Zerstörerischste für Griechenland und den europäischen Kontinent.“ Je schneller man das begreife, desto besser, meint der Minister. Lafazanis sieht in den Europäern „skrupellose Imperialisten“, die Griechenland „wie eine entlegene Schuldenkolonie“ behandeln. „Dir Alternative, vor die sie uns stellen, lautet: Unterwerfung oder wirtschaftliche Strangulation“, so der Minister.

Der 63-jährige Lafazanis ist Wortführer der „Linken Plattform“, des linksextremen Syriza-Flügels. Der Mathematiker gehörte seit seiner Jugend der sowjet-treuen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) an und war lange Zeit Mitglied im ZK der Partei, bevor er sich 1992 dem Synaspismos anschloss, einer Vorläuferorganisation von Syriza. Führende Politiker des linksextremen Syriza-Flügels propagieren den Austritt Griechenlands aus EU und Nato sowie die Rückkehr zur Drachme. Das deutet jetzt auch Lafazanis an. Griechenland müsse „sofort und ohne weitere Verzögerung mutige und große Entscheidungen gegenüber dem deutschen Europa treffen“, sagt er in dem Zeitungsinterview. „Die einzige realistische Politik ist jetzt der Umsturz“, so Lafazanis.

Was meint Yanis Varoufakis mit seinen Worten?

Auch andere griechische Regierungsmitglieder spielen offenbar mit dem Gedanken, die Verhandlungen mit den Gläubigervertretern scheitern zu lassen. Man müsse immer „zum Bruch bereit“ sein, erklärte Vize-Außenminister Euklidis Tsakalotos im TV-Sender „Star“. Nur wenn man bereit sei, einen Bruch zu riskieren, sei man in solchen Verhandlungen nicht erpressbar, so Tsakalotos.

Kurz zuvor hatte bereits Finanzminister Yanis Varoufakis die Möglichkeit eines Scheiterns der Verhandlungen ins Spiel gebracht. Bei einem Besuch auf seiner Heimatinsel Kreta wurde Varoufakis am vergangenen Mittwoch, dem griechischen Nationalfeiertag, von einer Frau angesprochen, die ihm versicherte: „Wir unterstützen Sie!“ Vor laufenden Fernsehkameras sagte Varoufakis: „Danke! Aber hoffentlich unterstützen Sie uns auch nach dem Bruch.“

Am Samstag meldete sich ein weiterer Regierungsabgeordneter mit einem Grexit-Szenario zu Wort: Stathis Leoutsakos, ebenfalls ein Wortführer der „Linken Plattform“, erklärte im Rundfunksender „Real FM“, der „Bruch mit Europa“ könnte sich als „einziger Ausweg“ erweisen, auch wenn dies „nicht die Priorität der Regierung“ sei.

Politische Beobachter sind sich uneins, wie die jüngsten Kampfansagen aus Athen zu interpretieren sind. Ist das Lafazanis-Interview mit Alexis Tsipras abgestimmt? Erwartet auch der Premier ein Scheitern der Verhandlungen mit den Gläubigern oder arbeitet er sogar darauf hin?

Kraftprobe mit dem linken Flügel?

Dann könnte es ihm vielleicht nur noch darum gehen, einen Schuldigen für den unausweichlichen Grexit, das Ausscheiden aus der Eurozone zu suchen. Für diese Rolle könnte er Deutschland ausersehen haben, das viele Griechen als treibende Kraft hinter dem „Spardiktat“ der zurückliegenden fünf Jahre sehen.

Stippvisite in Peking, bald in Moskau und auch in der Schweiz: Griechenlands Regierung sucht außerhalb der EU nach Kapital. Sechs Strategien, wie Athen an Geld kommen würde. Eine davon könnte die EU-Partner düpieren.

Eine andere mögliche Interpretation ist, dass der linksextreme Syriza-Flügel nun die Kraftprobe mit dem Rest der Partei sucht. Seit Wochen murrt die „Linke Plattform“, weil die Regierung ihrer Meinung den Gläubigern zu viele Zugeständnisse macht und zögert, die Syriza-Wahlversprechen eins zu eins umzusetzen.

Tsipras hat bisher die Auseinandersetzung mit Lafazanis stets gemieden. Der von ihm angeführte Flügel stellt etwa ein Drittel der Partei und der Parlamentsfraktion. Kommt es zum Bruch, verlöre Tsipras seine Mehrheit im Parlament. Er müsste sich dann nach einem weiteren Koalitionspartner umsehen.

Für Sonntagabend hat Tsipras eine Sitzung seines Kabinetts anberaumt, erst die dritte seit dem Antritt der Regierung vor mehr als acht Wochen. Ob danach klarer ist, wohin Tsipras sein Land steuern will, bleibt abzuwarten. (HA)

Dieser Text erschien zuerst bei Handelsblatt-Online.

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