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Anton Hofreiter (45) ist seit Oktober 2013 gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen.

© Lukas Schulze/dpa

Grünen-Politiker Anton Hofreiter nach Griechenland-Besuch: "Die Athener Regierung hat Ideen, aber keinen ausgereiften Plan"

Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Anton Hofreiter hält ein neues Hilfspaket für Griechenland für unumgänglich - damit das Land die alten Kredite umschulden kann.

Herr Hofreiter, die Grünen haben im Bundestag zwei Euro-Rettungspaketen zugestimmt. Sie waren in den letzten Tagen in Griechenland und haben sich vor Ort ein Bild gemacht. Haben die europäischen Hilfen schon etwas gebracht?
Griechenland ist Mitglied der Euro-Zone und muss es bleiben. Das ist nicht nur von ökonomischer, sondern auch von politischer Bedeutung. Stellen Sie sich vor, die Euro-Zone als der wohlhabendste Wirtschaftsraum weltweit wäre nicht in der Lage, das Problem zu lösen. Griechenland hat einen Anteil an der Wirtschaftsleistung des Euro-Raums von 1,5 bis zwei Prozent. Wenn wir das nicht in den Griff bekämen, würden wir weltweit an Vertrauen und Ansehen verlieren.
Die Grünen kritisieren die Sparpolitik der letzten Jahre. Aber lässt sich die Krise in Griechenland ohne Haushaltskonsolidierung bewältigen?
Haushaltskonsolidierung funktioniert nicht, wenn die Volkswirtschaft kollabiert. Der Austeritätskurs der letzten Jahre hat die griechische Wirtschaft zum Absturz gebracht, die Wirtschaftsleistung ist um 25 Prozent zurückgegangen. Wir brauchen Investitionen, damit wieder Wachstum entstehen kann.
Welchen Eindruck hatten Sie von der Stimmung im Land?
Es herrscht ein nervöses Abwarten. So lange nicht geklärt ist, dass Griechenland sicher im Euro bleibt, wird auch nicht investiert. Dabei gäbe es durchaus Bereiche, in die es sich zu investieren lohnt.
Zum Beispiel?
Auf fast allen griechischen Inseln wird Strom mit alten Dieselgeneratoren produziert. Das ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch unökonomisch. Die griechische Regierung zahlt allein 700 Millionen Euro Dieselsubventionen an die Inseln, damit dort der Strompreis nicht völlig aus dem Ruder läuft. Dabei wären dort die Bedingungen sehr gut, um auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Hatten Sie bei Ihren Gesprächen in Athen den Eindruck, dass die Regierung einen Plan hat?
Sie hat Ideen, aber keinen ausgereiften Plan. Man merkt, dass Syriza eine junge Partei ist, die noch nie regiert hat. Das hat den Vorteil, dass sie nicht in die alten korrupten Netzwerke eingebunden ist. Aber es fehlt die handwerkliche Erfahrung. Manches Auftreten und manche verbale Äußerung sollte man sich dringend sparen.
Für viele deutsche Politiker ist Finanzminister Yanis Varoufakis ein rotes Tuch.
Manche Zweifel sind berechtigt. Aber ich verstehe nicht, warum manche in der Koalition so emotional reagieren. Natürlich ist für einen konservativen Menschen wie Wolfgang Schäuble schon sein Auftreten eine Provokation, es gab auch Angriffe unter der Gürtellinie. Aber man sollte die Probleme nüchtern betrachten. Ich verstehe nicht, dass ein so erfahrener Politiker wie Schäuble genau so unprofessionell und unverantwortlich reagiert wie sein griechischer Amtskollege.
Braucht Griechenland ein drittes Hilfspaket?
Ein drittes Hilfspaket ist unausweichlich. Die Verhandlungen darüber sollten schnell beginnen. Dabei geht es nicht um neue Kredite, sondern um die Umschuldung der alten.
Kommen wir zu Ihrer Partei. Die Grünen wollen sich wieder stärker als Wirtschaftspartei profilieren. Wie wollen Sie das Vertrauen der Leute gewinnen, die sie bei der letzten Bundestagswahl vergrault haben?
So wie wir im Moment wirtschaften, zerstören wir langfristig unsere Lebensgrundlagen. Deshalb wollen wir unsere Wirtschaft ökologisch umbauen. Dafür haben wir Verbündete und, aber es gibt auch Gegner. Wer Braunkohle abbaut, gehört zu unseren Gegnern, wer Windkraftanlagen herstellt, ist Verbündeter. Manchmal sind Verbündete und Gegner innerhalb eines Unternehmens anzutreffen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen Sie Volkswagen. Mit jedem verkauften Porsche verdient das Unternehmen rund 17.000, beim Porsche Cayenne können es bis zu 40.000 Euro sein. Deshalb gibt es in dem Konzern Leute, die sich mit Händen und Füßen gegen strengere CO2-Grenzwerte wehren. Es gibt aber auch diejenigen, die wissen, dass der Konzern langfristig nur überleben kann, wenn nicht immer nur Tesla oder Toyota vorne dran sind, wie beim Elektroauto oder beim Hybrid- oder Wasserstoffantrieb. Und die halten deswegen strengere Grenzwerte für sinnvoll. Auch in der Chemieindustrie ist einigen Leuten bewusst, dass es ein Innovationssprung wäre, Verpackungsplastik so herzustellen, dass die Ozeane nicht belastet werden. Doch sie scheuen die Investitionen, auch deshalb, weil die Bundesregierung einen Zickzackkurs fährt. Wenn die Politik eine klare Linie hat, ist es leichter, Innovationen durchzusetzen.
Gefährden Sie nicht den Industriestandort, wenn Sie zu stark regulieren?
Wir haben ein Interesse, dass gerade unsere Industriebetriebe in Deutschland bleiben. Wenn ein Chemiekonzern abwandert und im Ausland unter schlechteren Umweltbedingungen produziert, haben wir davon nichts. Wir wollen mit kluger Regulierung dafür sorgen, dass die Industrie ihre Produkte so herstellt, dass die Umwelt dadurch nicht zerstört wird.
Im linken Flügel Ihrer Partei entdeckt man die Konzerne als Feindbild. Sind große Unternehmen schlechte Unternehmen?
Das ist nicht immer der Fall, aber wenn mit der Größe Machtkonzentration und politischer Einfluss einhergehen, ist das ein Problem. Wir wollen eine faire Marktwirtschaft, keine Machtwirtschaft. Und die sehen wir in einigen Bereichen, nehmen Sie Google oder die Großbanken.
Was können die Grünen denn dem Mittelständler in Deutschland bieten?
Planungssicherheit. Unternehmen, die wissen, wo es mit den ökologischen Anforderungen und Chancen hingeht, können auch verlässlich investieren. Wir wollen außerdem die Forschung in Unternehmen steuerlich stärker fördern. Wo es vermachtete Strukturen gibt, wollen wir den Wettbewerb wieder stärken. Davon profitieren nicht zuletzt Mittelständler.
Für viele Unternehmer kommt es auch darauf an, ob die Grünen ihr Steuerkonzept überarbeiten. Was haben Sie da vor?
Mit welchen Steuersätzen wir in die Wahl ziehen, legen wir erst kurz vor der Bundestagswahl fest. Im Moment kann keiner absehen, in welcher Finanzsituation sich unser Land dann befindet. Klar ist aber auch: Deutschland ist auch so stark, weil wir einen gut funktionierenden öffentlichen Sektor haben, der muss weiter bezahlt werden. Und wir brauchen mehr Investitionen in Bildung, in Klimaschutz und eine moderne Infrastruktur. Außerdem wollen wir das Steuersystem gerechter machen. Große Vermögen tragen in Deutschland weniger zur Finanzierung bei als die Mittelschicht. Das muss sich ändern. Und da werden wir den großen Unternehmerlobbys auch in Zukunft nicht nach dem Mund reden.

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