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Bei Papa bestens aufgehoben? Na klar, aber noch immer nehmen Männer sehr viel weniger Elternzeit als Frauen.

© Stock.adobe.com/Georgii

Grüne Stahr zur Elterngeld-Idee der FDP: „Die Anreize fehlen, damit Väter tatsächlich in Elternzeit gehen“

Die FDP will das Elterngeld für alle kürzen, statt es nur Gutverdienenden zu streichen. Die Grünen halten von der Idee des Ampelpartners wenig. Ihre Familienpolitikerin Nina Stahr erklärt die Gründe.

Frau Stahr, die FDP will das Elterngeld für alle von 14 auf zwölf Monate eindampfen, statt es Gutverdienenden ersatzlos zu streichen. Was halten Sie von der Idee?
Das Familienministerium wurde aufgefordert, Geld einzusparen. Das ist immer schwierig, wenn wie in diesem Fall der ganz überwiegende Teil des Etats durch gesetzliche Ansprüche gebunden ist. Um überhaupt die Einsparvorgaben erreichen zu können, war also schnell klar, dass das Elterngeld angeschaut werden muss, und Familienministerin Lisa Paus hat einen Vorschlag gemacht.

Aus meiner Sicht ist ihr Vorschlag die am wenigsten schlechte Variante. Wenn man sich anschaut, welche Familien eine Kürzung noch am ehesten ausgleichen können, sind es nun einmal die Besserverdienenden. Das ändert jedoch nichts daran, dass – und das hat auch die Familienministerin von Anfang an betont – es grundsätzlich die falsche Entscheidung ist, überhaupt bei den Familien zu sparen.

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Das beantwortet noch nicht die Frage, was Sie vom Vorschlag der FDP halten.
Was mir an dem Vorschlag gefällt, ist, dass die FDP dem zweiten Elternteil auch weiterhin parallelen Elterngeldbezug direkt nach der Geburt ermöglichen will. Da geht es um die alleranstrengendste Anfangsphase, wo die Mutter auch körperlich stark belastet ist. Ich freue mich, dass die FDP diese Phase als sensibel anerkennt. Das würde ich gern zum Anlass nehmen, noch einmal über die Familienstartzeit zu sprechen, also eine Freistellung des zweiten Elternteils für zehn Tage nach der Geburt. Das Konzept steht – wir müssen es nur umsetzen; die Familien warten darauf.

Kern des Vorschlags Ihres Koalitionspartners ist aber, die Gesamtdauer des Elterngeldbezugs von bis zu 14 auf zwölf Monate zu kürzen.
Und da sehe ich ganz praktische Probleme. Wer überhaupt direkt ab dem ersten Geburtstag einen Kitaplatz hat, kann sich ohnehin sehr glücklich schätzen.

Aber dann steht ja noch die Eingewöhnung an. Soll der Elternteil, dessen Elternzeit endet, zur Rückkehr in den Beruf erst einmal vier Wochen Urlaub nehmen? Und was passiert, wenn das Kind zu Beginn viel krank wird, weil es die ersten Infektwellen mitnimmt?

In der Praxis sind die Monate 13 und 14 oft ganz entscheidend für die Familienorganisation, weil diese Zeit zur Eingewöhnung in der Kita genutzt wird. Mir ist unklar, wie es ohne gehen soll.

Im Gegenzug will die FDP die Vorschrift streichen, dass jeder Elternteil zwei Monate Elterngeld beziehen muss, wenn das Paar die volle Höhe ausschöpfen will. Was halten Sie davon?
Mir fehlen die Anreize, damit Väter tatsächlich in Elternzeit gehen. Die wären mir aber total wichtig. Hier scheint mir das Konzept noch nicht ganz zu Ende gedacht.

Kann man das Elterngeld nicht einfach als Lohnersatzleistung sehen, quasi als Dank dafür, dass ein Paar die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von morgen großzieht, und weniger als Instrument der Gleichstellungspolitik?
Nein, zumindest nicht, solange es massive Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt und beim Lohn gibt und Frauen ein viel größeres Risiko als Männer haben, in der Altersarmut zu landen. Solange das so ist, haben wir als Politik die Verantwortung, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Und da ist das Elterngeld ein wichtiger Baustein.

Außerdem arbeite ich als Familienpolitikerin dafür, dass Kinder frei von starren Geschlechterrollen aufwachsen. Jungs sollen erleben, dass Männer Fürsorge übernehmen können. Mädchen sollen erleben, dass Frauen Geld nach Hause bringen können. Auch dafür braucht es Anreize beim Elterngeld.

Wenn ein Koalitionspartner Gesprächsbedarf hat, dann sprechen wir natürlich – um gemeinsam den besten Weg für die Familien zu finden.

Nina Stahr (Grüne) über den FDP-Vorschlag zum Elterngeld

Ist die bisherige Konstruktion richtig?
Es war ein Geburtsfehler des Elterngelds, nicht von Anfang an auf gleichberechtigte Aufteilung zu setzen, wie das beispielsweise in Schweden der Fall ist, sondern dass nur zwei Monate für den zweiten Elternteil hinzu kommen. Die Erfahrung zeigt, dass sehr viele Väter auch nur genau diese beiden Monate nehmen. Wenn wir diese beiden zusätzlichen Monate nun streichen, gehen diese Väter eben gar nicht mehr in Elternzeit. Das wäre ein Rückschritt und würde genau in die falsche Richtung gehen.

Derzeit beziehen Gutverdienende oft gleichzeitig Elterngeld und gehen mit Baby auf große Reise. Warum soll die Allgemeinheit das finanzieren?
Ich möchte positiv betonen, dass ich gut finde, dass die FDP den gemeinsamen Elterngeldbezug direkt nach der Geburt explizit weiterhin ermöglichen möchte. Für die Zeit danach gilt: Ja, es gibt Familien, die zwei Monate gemeinsam Urlaub machen, und natürlich war das nicht die ursprüngliche Idee.

Wenn man zwei Monate zusammen Urlaub macht, weiß man als zweites Elternteil noch lange nicht, was es bedeutet, sich abends zu fragen: Was habe ich eigentlich den ganzen Tag gemacht, und warum habe ich es nicht einmal geschafft, das Wohnzimmer zu saugen, weil ich den ganzen Tag nur mit unserem Kind beschäftigt war?

Dann gehen Sie bei dem Vorschlag, den gemeinsamen Elterngeldbezug zu streichen, mit?
Nein, trotzdem nicht. Denn es gibt auch viele andere Umstände des Lebens, in denen es sinnvoll sein kann, gemeinsam in Elternzeit zu gehen. Vom Umzug in eine größere Familienwohnung bis zu Phasen, in denen ein Elternteil aus welchen Gründen auch immer nicht so belastbar ist wie normalerweise. Ich warne davor, dass die Politik sich an dieser Stelle zu sehr in die autonomen Entscheidungen von Familien einmischt.

Wie wollen Sie eine Kürzung schon zum Jahreswechsel Frauen erklären, die schon schwanger waren, als die Idee zum ersten Mal öffentlich wurde?
Ich verstehe, dass das in der persönlichen Situation problematisch ist. Deswegen haben wir als Bündnisgrüne auch von Anfang an gesagt, dass es grundsätzlich falsch ist, im Etat des Familienministeriums zu sparen. Unter der Voraussetzung, dass Kanzler und Finanzminister diese Einsparungen aber einfordern, halte ich von den schlechten Möglichkeiten, die zur Auswahl standen, diese für die am wenigsten schlechte.

Ein Paar mit mehr als 150.000 Euro zu versteuerndem Einkommen – also in der Regel 180.000 Euro brutto – kann die gut 20.000 Euro Elterngeld, die im ersten Jahr wegfallen, deutlich besser ausgleichen als eine Familie mit weniger Einkommen. Mir fehlt die Idee, wie man das sozialverträglicher hätte lösen sollen. 

Im Kern geht es darum, ob Menschen mit einem gemeinsamen Einkommen von brutto 180.000 Euro und mehr nur gut situiert sind oder tatsächlich reich. Wie sehen Sie das?
Es geht um die oberen vier bis fünf Prozent der Paare, die Elterngeld beziehen. Das beantwortet die Frage im Grunde schon. Ich verstehe, dass auch diese Menschen beispielsweise einen Hauskredit abzuzahlen und andere Verpflichtungen haben. Nichtsdestotrotz ist der Vorschlag von Ministerin Paus der sozial verträglichste.

Die FDP hat die klare Erwartungshaltung geäußert, dass die Koalition die Streichung für die Gutverdienenden zurücknimmt. Wie geht es nun weiter?
Die Sache liegt in den Händen der Haushaltspolitikerinnen und -politiker. Wir als Ampel, alle Koalitionspartner, wollen einen Haushalt verabschieden, der Familien in diesem Land weiterhin unterstützt und der Geschlechtergerechtigkeit fördert. Wir werden gemeinsam schauen, welcher Weg zu diesem Ziel der beste ist. Wenn ein Koalitionspartner Gesprächsbedarf hat, dann sprechen wir natürlich – um gemeinsam den besten Weg für die Familien zu finden. 

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