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Begehrter Exportartikel: Deutscher Kampfpanzer «Leopard 2 A6» während eines Manövers der Bundeswehr. Die Lieferung des Kampfgeräts nach Saudi-Arabien stoppte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

© dpa

Debatte über deutsche Rüstungsexporte: Gutes Gewissen statt mehr Stabilität

Das Volumen der deutschen Rüstungsexporte hat sich verdoppelt. Wer diese Zahl zum Skandal erklärt, macht es sich aber zu einfach.

Von Hans Monath

Ausgerechnet Jogi Löw hat den passenden Satz zum neuen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung geliefert. "Je mehr du erreichst, desto mehr erwarten die Menschen", weiß der Nationaltrainer. Was für die deutsche Mannschaft bei der Europameisterschaft zutrifft, gilt auch für die Kontrolle von Waffen jenseits deutscher Grenzen. Je stärker Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel umsteuert, desto lauter kritisieren ihn Opposition und Kirchen, weil sie noch mehr wollen.

Es ist wahr: Gegenüber dem Vorjahr hat sich das Exportvolumen fast verdoppelt. In der Aufregung darüber sollte aber der Fakt nicht unterschlagen werden, dass keine große Industrienation dieser Erde harte Regeln für den Waffenexport so strikt umsetzt wie Deutschland.

Das war schon vor Gabriel so, doch der SPD-Chef hat das Kontrollregime weiter verschärft. Als Wirtschaftsminister machte er sein Versprechen wahr und beendete die ausufernde Praxis der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Er stoppte das Panzergeschäft mit den Saudis, dämmte die Ausfuhr der gefährlichen Kleinwaffen ein, schuf ein neues Überwachungsinstrument für Ausfuhren ("Post-shipment-Kontrollen") und machte den höchst geheimen Entscheidungsprozess so transparent wie nie zuvor. 80 Prozent aller Ausfuhranträge, so behauptet Gabriel, lehnen er und seine SPD-Minister im Bundessicherheitsrat. ab.

Am Ritual der Skandalisierung hat das alles wenig geändert. Noch immer werden hohe Zahlen beim Rüstungsexport per se als schlimmes Zeichen gedeutet – übrigens bis in Gabriels SPD hinein, die nie mit Erreichtem zufrieden ist, sondern pathologisch unter Unerreichtem leidet. Da interessiert es wenig, dass 40 Prozent der Ausfuhren in EU, Nato oder ihnen gleichgestellte Länder gehen. Dass noch die Vorgängerregierung "eine ganze Panzerarmee für Katar" (Gabriel) genehmigte oder dass ein U- Boot für Israel und vier Tankflugzeuge für Großbritannien mit hohen Summen zu Buche schlagen.

Bei Lieferungen, die nicht an engste Verbündete gehen, muss man jeden Einzelfall genau ansehen. Die einfachen Antworten vieler Exportkritiker helfen dabei nicht. Niemand sollte einem Militärmachthaber wie Ägyptens al Sisi Mittel in die Hand geben, um die Opposition niederzuwalzen. Aber an der Sicherung der Grenze zu Libyen, wo ganze Waffenarsenale vagabundieren, hat auch Deutschland ein Interesse, damit Ägypten nicht kollabiert.

Lieber heraushalten - oder notfalls Schlimmeres verhindern?

Die deutsche Exportdebatte gehorcht seltsamen Regeln. Viele Teilnehmer interessiert nur das eigene gute Gewissen oder die Möglichkeit der Schuldzuweisung und eben nicht die Frage, welche Exportentscheidung für ein Spannungsgebiet wirklich mehr Stabilität verspricht. So wirkt die wiederkehrende Aufregung über Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien doch etwas selbstbezogen, wenn man sich vor Augen führt, dass deutsche Produkte nur ein Prozent von Riads Rüstungsimporten ausmachen. Zum Vergleich: Barack Obama hat versprochen, die US-Waffenlieferungen an das Land als Ausgleich für den Atomdeal mit dem Iran zu verdoppeln. Die Frage an die Deutschen in der Debatte heißt: Wollt ihr euch in Wirklichkeit bloß heraushalten – oder notfalls Schlimmeres verhindern?

Dabei geht es selten um Ja oder Nein, sondern fast immer um Grautöne – und immer um Risiken. Auch wer nicht liefert, kann sich schuldig machen – da führt der Wirtschaftsminister zu Recht das Beispiel der von IS-Kämpfern bedrohten Jesiden an, die inzwischen von Kurdenmilizen auch mit deutschen Waffen geschützt werden.

Dass Deutschland vom Friedensforschungsinstitut SIPRI auf Rang fünf der weltweiten Waffenexporteure gelistet wird, ist allein noch kein moralischer Makel. Mit Arbeitsplätzen lässt sich kein Rüstungsexport begründen. Aber eine funktionierende Rüstungsindustrie ist nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein strategischer Gewinn. Ohne eigene Produktion müsste die Bundeswehr ihre Waffen fast alle in den USA oder in Indien kaufen – und die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik mit den Konsequenzen einer solchen Abhängigkeit leben.

Ohnehin kommen noch viel härtere Zumutungen auf die Exportkritiker zu. Ihre Geschichte hat die Deutschen kritisch gegenüber allem Militärischen gemacht. Ihre Geschichte und ihr Behauptungsinteresse in der Welt haben sie aber auch zu überzeugten Europäern gemacht. Deshalb könnte Berlin bald vor der Entscheidung stehen, ob es ein europäisches Rüstungs- und Beschaffungswesen haben will. Das aber würde ganz sicher nicht nur deutschen Regeln gehorchen.

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