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Raumschiff ohne Ziel. Das ICC könnte eine Zukunft haben, wenn sich die Politik darüber einigt.

© imago/Schöning

ICC Berlin: Ungeliebter Riese

Berlin fehlt ein großes Kongresszentrum. Wie wäre es mit dem stillgelegten ICC? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Kommt Zeit, kommt Rat? Wäre schön, wenn dies auch für das ICC gelten würde. Es scheint aber, als ob Berlin beim Thema eines konkurrenzfähigen Veranstaltungsortes für große Kongresse die Zeit wegläuft. Seit einem Jahr ist das Internationale Congress Centrum dicht – und die Politik scheint entschlossen, sich bei der Suche nach einer künftigen Nutzung ganz viel Zeit zu lassen. Das sei ein Thema für die Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl Ende 2016, heißt es in der SPD. Doch seit der markante Bau verrammelt ist, machen einige Veranstalter der ganz großen Kongresse mit über 10 000 Teilnehmern offenbar einen Bogen um Berlin, weil es keine ausreichend großen Räumlichkeiten gibt.

Außer Acht gelassen wurde die Stadtrendite

Der im Herbst 2014 eröffnete City Cube auf dem Messegelände hat sich nicht als vollwertiger Ersatz erwiesen, auch wenn dies bei seiner Planung vorgegaukelt wurde. Auch diese Täuschung der Öffentlichkeit gehört zur unrühmlichen Demontage des ICC. Dabei hat nicht nur der Messegesellschaft, die dem ICC immer distanziert gegenüber stand, sondern auch die Senatsverwaltungen für Finanzen mitgetan. Die Messe möchte offenbar selbst mit einem sanierten ICC möglichst wenig zu tun haben und dort nur kleinere Flächen nutzen.

Berlin ist beim Kongressgeschäft in der europäischen Spitzengruppe neben Paris, Barcelona oder Wien. Die Teilnehmer der Kongresse bringen jährlich 1,8 Milliarden Euro in die Berliner Kassen und sichern einige tausend Arbeitsplätze in Gastronomie, Hotelgewerbe und Einzelhandel. Falsch war deshalb die Forderung des abgetretenen Finanzsenators Ulrich Nußbaum, dass der Betrieb des ICC kostendeckend sein müsste. Außer Acht gelassen wurde dabei die Stadtrendite, die Berlin durch die Kongressteilnehmer erzielt. Das Nußbaum-Mantra eines kostendeckenden Betriebs, das nicht zu erreichen war, sondern nur darauf zielte, den ungeliebten Riesen kaputt zu rechnen, hat dazu beigetragen, dass eine zügige Sanierung keine Chance hatte.

Dem neuen Regierenden Bürgermeister Michael Müller ist zu danken, dass die Diskussion um das ICC wieder in Gang gekommen ist – nachdem sich auch die SPD schon vom ICC verabschiedet hatte. Müller kann sich nun doch wieder eine Kongress-Nutzung vorstellen. Bisher aber lässt er offen, was das konkret für die Erweckung des schlafenden Riesen unterm Funkturm bedeutet. Zumal die Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer weiterhin entschlossen zu sein scheint, aus dem ICC ein Shopping-Center zu machen – auch wenn die AG City und auch der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf dies ablehnen. Nicht nur würden die Einzelhandelsstandorte Wilmersdorfer Straße und Reichsstraße unter einer Shopping Mall ICC massiv leiden; ein solches Projekt auch mit einem Sanierungszuschuss des Landes Berlin von 200 Millionen Euro zu subventionieren, brächte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer berechtigterweise zum Schäumen über die Berliner Verschwendungskünste.

Andere Ideen für eine Nachnutzung dieses Berliner Wahrzeichens liegen auf dem Tisch: Eine neue Landesbibliothek ist vorstellbar. Dafür spricht, dass neben den 200 Millionen Euro, die der Senat für eine Sanierung reserviert hat, weitere Mittel bereit stünden. Für die Bibliothek, deren Bau auf dem Tempelhofer Feld der Volksentscheid verhinderte, sind 270 Millionen Euro eingeplant. Mit insgesamt 470 Millionen Euro ließe sich aus dem ICC einiges machen. Ob den Nutzern einer Landesbibliothek der Weg aus dem Zentrum nach Westend zu lang wäre, ist eine andere Frage. Dies kann im wachsenden Berlin in einigen Jahren ganz anders bewertet werden. Dafür spricht der Erfolg des Neubaus der British Library in London, wo anfänglich auch deren angeblich städtische Randlage kritisiert wurde. Attraktiv kann auch das Konzept eines Kulturstandorts mit Kunstbetrieb, Hotel und kleineren Kongressen sein, an dem ein Investor Interesse hätte.

Shopping-Center-Irrweg

Doch egal, ob Landesbibliothek oder Kulturpalast – es ist die zweitbeste Lösung. Denn das zentrale Problem bleibt ungelöst. Auf unabsehbare Zeit hat die Hauptstadt keine Räumlichkeiten für die großen Kongresse, etwa der Krebsforscher oder Unfallchirurgen mit jeweils über 10 000 Teilnehmern. Das Hotel Estrel in Neukölln baut seine Kapazitäten zwar aus, doch für viele Kongress-Veranstalter ist dessen Standort zu unattraktiv.

In dieser Situation eine Entscheidung zu vertagen, ist unverantwortlich. Vor allem, wenn der einzige Grund sein sollte, dass die SPD/CDU-Koalition sich nicht über das Thema zerstreiten möchte. Es wäre die Verantwortung von Michael Müller und dem CDU-Landesvorsitzenden und Innensenator Frank Henkel, die Wirtschaftssenatorin Yzer von ihrem Shopping-Center-Irrweg abzubringen. Im März will die Senatorin dazu ein Gutachten vorlegen. Dann ist Gelegenheit, in der Causa ICC voranzukommen. Denn eines ist sicher: Jede Planung, jede Ausschreibung und jeder Bau eines komplett neuen Kongress-Zentrums wird weit länger dauern als eine Sanierung des ICC.

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