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Ralf Stegner (53) führt Fraktion und Landesverband der SPD in Schleswig-Holstein. Als Sprecher der Linken im SPD-Vorstand nimmt er Einfluss auf die Gesamtpartei.

© dpa / picture alliance

Interview mit Ralf Stegner: „Jetzt ist das Raubtier draußen“

Nebeneinkünfte auf Euro und Cent veröffentlichen, Altersarmut verhindern: Der SPD-Linke Ralf Stegner spricht im Interview über den Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und die Debatte über ein sozialdemokratisches Rentenkonzept.

Von Hans Monath

Herr Stegner, die Parteilinke in der SPD war Peer Steinbrück gegenüber lange kritisch. Warum stützt sie nun seine Kanzlerkandidatur und ist sogar bereit, ihm Beinfreiheit zu gewähren?

Der Spitzenkandidat Peer Steinbrück ist mit seinem Profil vor allem für Angela Merkel eine große Herausforderung, und darauf kommt es an. Wir müssen uns gemeinsam darauf konzentrieren, die schwarz-gelbe Regierung, die in zentralen Punkten eklatant versagt hat, abzulösen. Diesen Politikwechsel schaffen wir nur gemeinsam: Mit einem Programm, bei dem Gerechtigkeit Maßstab und Kompass ist, und mit einem starken Team aus Frauen und Männern, die die linke Volkspartei SPD gut repräsentieren.

Warum engagiert sich die Parteilinke so stark in der Debatte um das Rentenkonzept der SPD?

Das Rententhema ist im Bundestagswahlkampf für die SPD eine zentrale Gerechtigkeitsfrage. Hier geht es um den Respekt vor Lebensleistung und um die Wiedergewinnung von Glaubwürdigkeit.

Die Parteilinke hat den Vorschlag der Parteiführung abgelehnt, an der von Rot-Grün beschlossenen Regelung festzuhalten, wonach das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent absinken soll. Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will die 43 Prozent halten. Wie kommen Sie da zusammen?

Ziel bei all unseren Anstrengungen muss es bleiben, dass nach einem langen Arbeitsleben im Alter aus der gesetzlichen Rentenversicherung de facto nicht weniger als die Hälfte vom Lohn als Rente übrig bleibt. Unser Rentenkonzept ist ehrgeizig: Wir müssen schon die Erwerbsarmut bekämpfen, um Altersarmut zu verhindern. Dafür brauchen wir gesetzliche Mindestlöhne, gleiche Bezahlung von Männern und Frauen für gleiche Arbeit und die Eindämmung prekärer Beschäftigung. Wir wollen anders als von der Leyen eine steuerfinanzierte Solidarrente. Die SPD sollte bereit sein, sich an dem messen zu lassen, was sie den Menschen verspricht. Wir sollten also eine Überprüfungsklausel beschließen.

Gibt es dafür ein Beispiel?

Bei der Rente mit 67 haben wir auch gesagt: Dies kann es nur geben, wenn mindestens die Hälfte der über 60-Jährigen einer ordentlichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht – sonst wäre das eine Rentenkürzung. An diesem Grundsatz sollten wir auch in der Debatte über das Rentenniveau festhalten. Wir sollten versprechen, alle fünf Jahre zu überprüfen, ob wir unser wirkliches Ziel erreicht haben, mit den genannten Maßnahmen das Rentenniveau zu steigern. Wir reden hier über ein Konzept für Jahrzehnte und müssen an den Erfolg unserer Politik für gute Arbeit glauben.

Was heißt Ihr Vorschlag für den Kampf um die 43 Prozent?

Ich will jetzt weder beim Rentenniveau noch beim Beitragssatz den Streit um eine abstrakte Zahl führen. Wir wissen doch heute nicht einmal, wie hoch die Nettoverdienste im Jahr 2030 wirklich ausfallen werden. Mein Ziel bleibt kurz- wie mittelfristig, einer wachsenden Altersarmut vorzubeugen.

Was ist, wenn die Bekämpfung der Erwerbsarmut bis 2030 nicht so funktioniert, wie die SPD verspricht?

Ein Rentenniveau, das im Jahr 2030 tatsächlich auf 43 Prozent absinken würde, wäre für Gering- und Normalverdiener, für Ostdeutsche und Frauen ein großes Problem. Das ist nicht akzeptabel, hier muss der Staat gegensteuern. Wenn wir uns darauf verständigen, bin ich zuversichtlich, dass wir in der Arbeitsgruppe die Detailfragen zum Rentenniveau, zur Angleichung der Versorgung in West- und Ostdeutschland und zu den Angeboten außerhalb der gesetzlichen Rente auch schnell lösen können.

Im Streit um mehr Transparenz für die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten wollen die Koalitionsfraktionen nicht so weit gehen wie Ihre eigene Partei. Wie soll sich die SPD-Fraktion im Bundestag verhalten?

Die SPD-Fraktion sollte sich nicht locken lassen, faule Kompromisse einzugehen. Die Koalition hat Peer Steinbrück wegen seiner Nebeneinkünfte heftig attackiert. Sie haben den Käfig aufgemacht, jetzt ist das Raubtier draußen. Jetzt muss die volle Transparenz bei den Nebeneinkünften her, auf Euro und Cent. Wenn wir uns mit weniger zufrieden geben, machen wir uns unglaubwürdig. Wenn Schwarz- Gelb jetzt kneift, müssen sie das ganz alleine verantworten, da dürfen wir ihnen nicht entgegenkommen.

Das Gespräch führte Hans Monath.

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