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Körperliche und emotionale Misshandlungen von Kindern können weitreichende Folgen haben.

© dpa/Annette Riedl

Inzest-Studie in Frankreich: Verjährung bei familiärem Missbrauch soll wegfallen

Opfer sexueller Gewalt durch Verwandte sollen nicht mehr befürchten müssen, dass die Taten nicht mehr verfolgt werden können. Das empfiehlt eine Expertenkommission in einer groß angelegten Untersuchung.

Bei Fällen von sexuellem Missbrauch durch Angehörige soll nach den Empfehlungen einer Expertenkommission in Frankreich künftig keine Verjährung mehr gelten. „Wir können den Kindern nicht entgegenhalten, dass es einen Tag geben wird, an dem sie keine Gerechtigkeit mehr verlangen können“, betonte Edouard Durand, einer der Autoren einer großen Inzest-Untersuchung, die am Freitag der Regierung in Paris übergeben wurde.

Nach drei Jahren, in denen 30.000 Betroffene angehört wurden, legte die Kommission insgesamt 82 Vorschläge vor. Neben dem Verzicht auf eine Verjährungsfrist zählt dazu auch eine verbessere Früherkennung von Inzestfällen. Ärzte und medizinisches Personal an den Schulen sollten Kindern und Jugendlichen einmal jährlich entsprechende Fragen stellen.

Sexualkunde-Unterricht soll besser werden

Bei Teenager-Schwangerschaften oder nach Suizidversuchen sollte systematisch überprüft werden, ob es Hinweise auf sexuellen Missbrauch innerhalb der eigenen Familie gibt. Auch der Sexualkunde-Unterricht an der Schule solle verbessert werden.

Die Kommission fordert weiterhin, auch Geschlechtsverkehr zwischen Cousins und Cousinen zum Inzest zu erklären. Im Fall einer Verurteilung eines Elternteils wegen Inzests sollte diesem umgehend das Sorgerecht entzogen werden. Kinder, die von einem Elternteil missbraucht werden, sollten ihm gegenüber keine Verpflichtungen mehr haben. Die Krankenkasse sollte die Kosten für eine spezielle psychotherapeutische Begleitung tragen.

Sexueller Missbrauch zerstört Kinderleben

Sexueller Missbrauch innerhalb der Familie sei „ein massives Problem der öffentlichen Gesundheit, das das Leben zahlreicher Kinder zerstört“, betonte Durand. „Die Folgen für die Gesellschaft sind beträchtlich, Pädokriminelle sind extrem gefährlich“, erklärte er.

Nach Schätzungen der Kommission sind in Frankreich jedes Jahr etwa 160.000 Kinder und Jugendliche von sexueller Gewalt in oder außerhalb ihrer Familie betroffen. Derzeit werden etwa 70 Prozent der Ermittlungen eingestellt. Erwachsene, die in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch erfahren haben, sind oft für das Leben geprägt.

In Frankreich hatte ein 2021 erschienenes autobiografisches Buch der Juristin Camille Kouchner, Tochter des früheren Außenministers Bernard Kouchner, die Missbrauchsdebatte angefacht. Sie warf ihrem Stiefvater Olivier Duhamel vor, ihren Zwillingsbruder im Alter von 14 Jahren missbraucht zu haben. Die Autorin klagte zudem viele Pariser Intellektuelle an, diese und ähnliche Taten stillschweigend gebilligt zu haben.

Seitdem haben sich viele Menschen dazu bekannt, von Angehörigen sexuell missbraucht worden zu sein. Die französische Schauspielerin Emmanuelle Béart veröffentlichte kürzlich einen Dokumentarfilm, in dem sie erklärt, in ihrer Kindheit Opfer von Missbrauch in der eigenen Familie gewesen zu sein. (AFP)

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