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Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn, eingerahmt von Horst Seehofer und Alexander Dobrindt.

© Andreas Gebert/dpa

"Islam gehört nicht zu Deutschland": Seehofers Islam-Aussagen sind eine Zumutung

Horst Seehofer trennt den Islam von den Muslimen. Darin ist er geübt: Er trennt auch den Antisemitismus von jenen, die dessen Stereotype transportieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Horst Seehofer, der neue Bundesinnenminister, sagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Die bei uns lebenden Muslime allerdings gehörten zu Deutschland. Das Thema ist alt. Seit der gegenteiligen Behauptung des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff wurde es in sämtlichen Aspekten beleuchtet. Es wurde alles dazu gesagt – von jedem.

Interessant allerdings ist die logische Struktur von Seehofers Satz. Sie erinnert ein wenig an die Haltung der Katholischen Kirche zur Homosexualität. Demnach seien homosexuelle Handlungen zwar auf keinen Fall zu billigen, den Homosexuellen aber müsse mit Achtung, Mitleid und Takt begegnet werden.

Der ideologische Überbau wird abgelehnt, die Akteure aber werden gutgeheißen. Sätze dieser Art fallen öfter mal, etwa in der Form: Ich mag den Veganismus nicht, aber einige Veganer sind richtig nett. Wahlweise und je nach Präferenz kann es statt Veganismus auch Kommunismus, Patriotismus oder Christentum heißen. Der Anhänger einer angeblich falschen Lehre wird exkulpiert, weil man ihn kennt und sympathisch findet.

Die Christsozialen haben eine gewisse Übung darin. An jedem 27. Januar, 9. November und zum Beginn der Woche der Brüderlichkeit halten sie Reden zur Verdammung des Antisemitismus. In gebotener Klarheit rufen sie „Nie wieder!“. In dieser Frage könne es kein Wegsehen oder Beschwichtigen geben. Dann aber laden sie regelmäßig Viktor Orban zu sich ein, den ungarischen Regierungschef.

Orban nennt die Christsozialen seine „einzigartigen Waffenbrüder“

Die Hanns-Seidel-Stiftung verlieh bereits 2001 den Franz-Josef-Strauß-Preis an Orban. Der wiederum kommt als Gast gerne in den bayerischen Landtag und zur Neujahrsklausur der CSU-Landesgruppe, nennt die Christsozialen seine „einzigartigen Waffenbrüder“, lässt sich von Seehofer attestieren, auf dem Boden des Rechtsstaates zu stehen. Vergleiche zu Gerhard Schröder drängen sich auf, der Wladimir Putin bescheinigt, ein „lupenreiner Demokrat“ zu sein.

Als Seehofer sagte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, hielt sein Freund Orban eine Wahlkampfrede in Budapest. Wieder wetterte er gegen seinen Erzfeind, den Holocaust-Überlebenden, US-Milliardär und Philanthropen George Soros. Dieser kämpfe nicht ehrlich, sondern niederträchtig, glaube nicht an die Arbeit, sondern spekuliere mit Geld, habe keine Heimat, sondern meine, die ganze Welt gehöre ihm. Das passt zu der millionenschweren Plakataktion der Regierung Orban gegen Soros, auf der unter dessen Konterfei steht: „Lassen wir nicht zu, dass es Soros ist, der am Ende lacht!“.

Ein Parteifreund der Orban-Partei Fidesz postete unlängst auf seiner Facebook-Seite ein Foto. Darauf sind Menschen zu sehen, die vor einem toten Schwein stehen, auf dessen Haut geschrieben steht: „Er war der Soros!!!“ Der ungarische Schriftsteller György Konrad, ehemals Präsident der Akademie der Künste, schrieb vor einem Jahr einen offenen Brief an Orban. Dessen Propagandaapparat mache „in Goebbels-Manier“ den Juden Soros für alle Übel des Landes verantwortlich. Das erinnere traurig an das verabscheuungswürdige Vorbild („Die Juden sind unser Unglück“).

Seehofer kann den Islam von den Muslimen offenbar ebenso kunstvoll trennen wie den Antisemitismus von jenen Menschen, die dessen Stereotype ungeniert transportieren. Eine Leistung ist das nicht. Es ist eine Zumutung.

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