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Das Verhältnis zwischen der EU und Polen ist derzeit angespannt.

© Kenzo Tribouillard/AFP

Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof: Kann die EU Rechtsstaats-Sündern Fördergelder kürzen?

Polen und Ungarn kämpfen gegen den Rechtsstaatsmechanismus der EU. Über die Klage beider Länder verhandelt jetzt der EuGH.

Soll die EU in der Lage sein, Rechtsstaats-Sündern wie Polen und Ungarn Subventionen zu kürzen? Um diese Frage geht es bei einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, das am Montag begann. Je nach dem Ausgang des Verfahrens entscheidet sich, ob im schwelenden Rechtsstaats-Streit in der EU eine neue Eskalationsstufe erreicht wird.

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Besonders angespannt ist das Verhältnis derzeit zwischen Brüssel und Warschau. Am Montag erklärte der Sprecher der EU-Kommission, dass die Brüsseler Behörde weiterhin mit „gebührender Sorgfalt“ das umstrittene Urteil des polnischen Verfassungsgerichts vom vergangenen Donnerstag analysiere. Das Verfassungsgericht hatte geurteilt, dass einzelne Teile des EU-Rechts gegen die Verfassung verstoßen.

CSU-Abgeordneter Ferber fordert entschiedenes Vorgehen

Anschließend hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärt, die Kommission werde „alle Befugnisse nutzen“, um den Vorrang des EU-Rechts vor nationalem Recht sicherzustellen. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber erklärte, die Kommission sei als „Hüterin der Verträge“ aufgefordert, „für die europäischen Werte zu kämpfen“.

In Polen gingen unterdessen am Sonntag Zehntausende aus Protest gegen das Urteil des Verfassungsgerichts auf die Straße. Zuvor hatte Oppositionsführer Donald Tusk „alle, die das europäische Polen verteidigen wollen“, zur Teilnahme aufgerufen. Allein in Warschau demonstrierten nach Angaben der Organisatoren 80.000 bis 100.000 Menschen für einen Verbleib Polens in der EU. Die nationalkonservative Regierung unter der Führung der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) beteuerte unterdessen, dass ein „Polexit“ gar nicht zur Debatte stehe.

Demonstranten protestieren in Warschau gegen das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts.

© Wojtek Radwanski/AFP

Angesichts des Warschauer Urteils waren Forderungen nach einer Sperrung von EU-Fördergeldern für Polen laut geworden. Der so genannte Rechtsstaatsmechanismus, über den seit Montag vor dem EuGH verhandelt wird, sieht genau dies vor. Demnach können Zahlungen an einzelne Mitgliedstaaten aus dem EU-Haushalt ausgesetzt werden, sobald aufgrund der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz zu befürchten ist, dass die einwandfreie Verwendung von EU-Geldern nicht mehr juristisch überprüft werden kann.

Politisch ist dieser Mechanismus bereits beschlossene Sache. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten Polen und Ungarn aber Ende des vergangenen Jahres die Möglichkeit eingeräumt, gegen den Rechtsstaatsmechanismus zu klagen. Dies geschah auch im vergangenen März; nun wird in Luxemburg verhandelt. Da es sich um ein beschleunigtes Verfahren handelt, ist eine Entscheidung  des EuGH zu den  Klagen Ungarns und Polens innerhalb weniger Wochen denkbar. Falls die Klagen der beiden Länder abgewiesen werden, dürfte die EU-Kommission den Mechanismus anschließend rasch aktivieren. Schon seit Monaten fordert das Europaparlament, von der neuartigen Möglichkeit der Subventionskürzung Gebrauch zu machen.

Die europapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Franziska Brantner, forderte, dass die EU-Kommission „das Spiel von Ungarn und Polen nicht mitspielen“ und umgehend EU-Hilfsgelder einfrieren müsse. „Die nächste Bundesregierung muss entschlossener die Grundwerte der EU verteidigen, die letzte hat bei Verstößen viel zu oft weggesehen“, sagte Brantner dem Tagesspiegel.

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