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Annalena Baerbock und Olaf Scholz auf der Dachterrasse des RBB

© Kay Nietfeld / dpa

Kanzlerkandidaten im Nah- und Fernduell: Drei Herzchen im Dreivierteltakt

Annalena Baerbock und Olaf Scholz beim RBB, Armin Laschet bei ProSieben – es hätte ein Fernsehdreikampf werden können. Doch es kam ganz anders.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

Was tun mit Wahlkämpfern, die nicht kämpfen wollen? Man lockt sie mit der Frage, was die anderen besser können. „Richtig Hamburgern“, sagt Annalena Baerbock.

Die Grünen-Spitzenfrau sitzt am Montagabend im Kandidatentalk mit dem SPD-Konkurrenten bei RBB, Süddeutscher Zeitung und Bertelsmann-Stiftung. Der CDU-Bewerber Armin Laschet ist zeitgleich solo bei ProSieben zu sehen. Man könnte also vom ersten Kandidatentriell sprechen. Nur mit dem Kampf haben es eben alle drei nicht so richtig.

Das ist sogar erklärte Absicht. „Respektvoll miteinander umgehen“, gibt Baerbock als Losung für den Wahlkampf aus. Scholz verteidigt sie später gegen Attacken im Netz, in denen Zweifel an ihrem Studienabschluss gestreut werden. „Das gehört sich nicht“, sagt der Hanseat und beschwört die Solidarität der Kandidaten.

Laschet wünscht sich ebenfalls „keinen polarisierenden“ und erst recht keinen persönlichen Wahlkampf: „Mit den beiden geht das auch.“ Scholz – apropos die Vorzüge des anderen – sei ein verlässlicher und „sehr sachlicher“ Mann, Baerbock habe eine „sehr herzliche Art“. Die Grüne bescheinigt Scholz auf dem anderen Sender lange Regierungserfahrung und  der ihr im Gegenzug „Mut“, dass sie mit 40 Jahren das Kanzleramt anstrebt.

Ein leicht bösartiges Lob

Das immerhin könnte man als vergiftetes Lob verstehen, ist doch der Mangel an Amtserfahrung Baerbocks offensichtlichster Schwachpunkt. Scholz spielt darauf noch mehrfach an. Als Baerbock „großen Respekt vor der Aufgabe“ zu Protokoll gibt, aber auf ihre acht Jahre im Bundestag verweist und einer Stärkung des Parlaments gegen die Regierung das Wort redet, die sie demnächst selbst anführen will, sieht der SPD-Mann gleich die Chance für eine kleine Spitze: Wer Kanzler werden wolle, dürfe keine Angst vor „Leadership“ haben und davor, dem Parlament Vorgaben zu machen.

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Drüben bei ProSieben geht es derweil zunehmend gemütlich zu. Laschet in seinem braunen Ledersessel lässt alles, was kommt, sanft in rheinischem Plauderton versinken. Den behält er bei, als Linda Zervakis und Louis Klamroth wissen wollen, ob ihm nicht bei Markus Söders Nachtreten nach dem Kandidatenkampf das Messer in der Tasche aufgehe – „Ja … nein … ich hab‘ kein Messer in der Tasche“.

Armin Laschet im ProSieben-Sessel
Armin Laschet im ProSieben-Sessel

© Richard Hübner/ProSieben/dpa

Den hält er sogar fast durch, als es um Hans-Georg Maaßen geht. Die Thüringer Basis hat den Ex-Verfassungsschutzchef zum Direktkandidaten in Suhl gemacht: „Das habe ich zu respektieren.“

Erst als Klamroth zum dritten Mal nachfasst, dass Maaßen doch antisemitische Stereotype bediene, wird der gemütliche zum ungemütlichen Laschet. Der pauschale Vorwurf werde durch Wiederholung nicht richtiger: „Er ist nicht rechtsradikal und kein Antisemit. Wäre er es, müsste er die CDU verlassen.“

Zwischen Ernst und Unterhaltungsanspruch

Ob Klamroth zu schlecht präpariert war, um im Detail nachzufassen, oder das Format der Sendung zu unernst ist – der unangenehme Fall ist damit abgehakt. Immerhin wird deutlich, dass der Kandidat Maaßen dem Kandidaten Laschet nicht wirklich recht ist: „Gott, er ist Mitglied der CDU.“

Drüben bei RBB und Co sind die Moderatoren Angela Ulrich und Stefan Braun inzwischen beim Klima-Thema angekommen. Scholz betont das Ja-Aber: „Was ich wichtig finde, wenn es um die Zukunft geht, dass wir sie nicht nur wünschen, sondern dass man das auch hinkriegen muss.“ Dass die Grünen abstrakt blieben und den Menschen zum Beispiel nicht ehrlich sagten, dass Diesel teurer werde, „das finde ich nicht so richtig.“

Baerbock wischt den Einwand beiseite: „Ich gehe nicht mit bei diesem Zaudern“, sagt sie. „Wenn wir jetzt die Klimakrise nicht anpacken, dann werden wir am Ende alles verlieren.“

Nach 75 Minuten ist der Abend des Erwartbaren für das rot-grüne Duo vorbei, nach 45 Minuten der für den Christdemokraten. Der gibt sich überrascht: Was denn, jetzt schon? Wo man doch gerade erst gemütlich warm geworden ist?

Ob er als Politiker schon mal geweint habe, wollten die Moderatoren sogar wissen. Ja, sagt Laschet – bei der Trauerfeier für die Schüler, die ein gemütskranker Pilot mit seiner Passagiermaschine in den Alpen in den Tod gestürzt hatte. Und an dem Tag, an dem im Ruhrpott die letzte Steinkohle-Zeche schloss. Das war aber kein klimapolitisches Statement, sondern ein ganz persönliches des Bergmannssohns.

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