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Als Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen spricht, fällt der Strom aus. Ein hoher russischer Diplomat scherzt: „Das ist Russlands Antwort.“

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Forum zu Ukraine in Brüssel: Keine Entwarnung trotz Einigung auf OSZE-Beobachter

Das Licht fällt aus auf dem Brussels Forum zur Krim-Krise und ein hoher russischer Diplomat scherzt: „Das ist Russlands Antwort.“ Als Ukrainer sprechen, verlassen Russen demonstrativ den Saal. Ein ermunterndes Ergebnis gibt es trotzdem: Es wird eine OSZE-Beobachtermission in die Ukraine entsandt.

Am Ende brachte eine dramatische Woche doch noch einen Hoffnungsschimmer: die Einigung auf eine OSZE-Beobachtermission in der Ukraine. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte seit Tagen darauf gedrängt, denn bei weiterer Verzögerung könne sie ihren Zweck, Schlimmeres zu verhindern, womöglich nicht mehr erfüllen. Die Mission hat aus ukrainischer Sicht zwar einen Schönheitsfehler. Die Krim gehört nicht zum Beobachtungsgebiet. Aber dort ist auf die Schnelle ohnehin nichts mehr zu retten.

Die Sorgen der Spitzenvertreter der EU, der Nato, der USA, die sich an diesem Wochenende zum Brussels Forum des German Marshall Fund (GMF) in der belgischen Hauptstadt treffen, richten sich nun vor allem auf die Ost- und die Südukraine. Können die OSZE-Beobachter eine weitere Eskalation dort verhindern?

In den Stunden zuvor hatte sich die Anspannung und hohe Emotionalität beim Thema Ukraine im Konferenzsaal gezeigt, zu hitzigem Schlagabtausch zwischen Ukrainern und Russen geführt und zu Momenten unfreiwilligen Galgenhumors.

Just bei der Rede des Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen fiel der Strom aus und tauchte den Saal in dem Augenblick ins Dunkel, als er die Beistandsgarantie für die Nato-Mitglieder in Nachbarschaft der Ukraine bekräftigte und sagte: Nun müsse die politische Solidarität mit Belegen militärischer Solidarität untermauert werden. In die plötzliche Finsternis rief ein hoher russischer Diplomat scherzend: „Das ist Russlands Antwort.“ Rasmussen konterte: „Es gibt viele Wege, die Nato herauszufordern. Aber ich kann versichern, die Nato bleibt stark.“

Moskaus EU-Botschafter: "Die Ukraine ist gescheitert"

Dramatisch entwickelte sich ein Wortgefecht zwischen ukrainischen und russischen Diplomaten. Moskaus EU-Botschafter Wladimir Tschischow behauptete, es gebe überhaupt keinen Konflikt zwischen Russen und Ukrainern. Das wahre Probleme bestehe darin, dass „die Ukraine ein gescheiterter Staat“ sei. Deshalb müsse Russland zum Schutz der russischsprachigen Bürger intervenieren. In empörtem Ton hielt Vasyl Filipchuk, Berater des Kiewer Außenministeriums, ihm entgegen: „Durch Sie wird die Ukraine zum Scheitern gebracht!“

Immerhin machte der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko einen Rückzieher bei dem häufig zu hörenden Vorwurf, der Westen habe Moskau versprochen, dass die Nato niemals näher an die russische Grenze rücken werde, und diese Zusage gebrochen. Nato-Generalsekretär Rasmussen fragte ihn vor laufenden Kameras: „Alexander, Russland hat doch 1999 den Grundsatz unterschrieben, dass jedes Land frei ist in der Wahl seiner Bündnissysteme. Wieso halten Sie sich nicht daran?“

„Es stimmt“, bestätigte Gruschko. „Das haben wir unterschrieben. Zu den gemeinsamen Prinzipien gehört aber auch, dass kein Land die Sicherheit eines anderen Landes unterminieren darf.“ Darauf Rasmussen: „Akzeptieren Sie das Recht eines Landes wie Georgien, Nato-Mitglied zu werden, wenn Georgien das möchte und sofern die Nato es aufnehmen will?“ – Gruschko: „Ich glaube, das wäre ein Fehler.“

Russische Diplomaten verlassen demonstrativ den Saal

Als später der ukrainische Außenminister Andrei Deshchytsia ans Rednerpult trat, verließen die russischen Diplomaten demonstrativ den Saal. Damit signalisierten sie, dass Moskau die Interimsregierung in Kiew nicht als Gesprächspartner betrachtet.

Entwarnung will beim Brussels Forum trotz des Fortschritts bei den OSZE-Beobachtern niemand geben. Die zunächst einhundert Beobachter, deren Zahl allmählich auf mehrere hundert aufgestockt werden soll, werden sich über ein großes keilförmiges Gebiet von Charkiw und Donezk an der Ostgrenze der Ukraine über die südlichen Regionen am Schwarzen Meer mit Odessa bis an die Grenze zu Moldawien verteilen. Sie können nur beobachten, aber zum Durchmarsch entschlossene russische Einheiten nicht aufhalten, sondern sie höchstens fotografieren.

So bleibt die Eine-Million-Euro-Frage in Brüssel ohne verlässliche Antwort: Gibt Wladimir Putin sich mit der Krim zufrieden oder will er weitere ehemalige Sowjetgebiete an Russland anschließen, darunter Transnistrien? Der Landstrich an der Südwestgrenze der Ukraine gehört offiziell zu Moldawien. Doch auch dort stehen seit Jahren russische Truppen, nachdem sich russischsprachige Bewohner von Moldawien losgesagt haben. Um Transnistrien an Russland anzuschließen, bräuchte Putin die ukrainische Schwarzmeerküste als Landbrücke.

Eine Invasion Richtung Westen hatten russische Militärs seit Tagen in einem Manöver geübt. Skandinavier, die keineswegs zu den Scharfmachern mit Blick auf Russland gehören, berichteten von Geheimdiensterkenntnissen, wonach Russland Nachschub für eine größere Offensive an der Grenze bereitstelle. Für ein Manöver braucht man die nicht. Bis Sonntag sei der Aufmarsch abgeschlossen und Putin in der Lage, loszuschlagen. Aber vielleicht gehört das nur zu den Drohkulissen, mit denen der Westen und Russland sich gegenseitig zu beeindrucken suchen.

Nun sollen OSZE-Beobachter im Osten und Süden der Ukraine nach dem Rechten sehen und helfen, den Gerüchtenebel zu lichten.

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