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Die Koalitionäre Martin Schulz, Horst Seehofer und Angela Merkel am Freitag im Willy-Brandt-Haus.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Koalitionsgespräche: So ziehen die Parteien in die letzte Runde

Kompromisse werden gesucht – und neue Minister: Die Schlussphase der Koalitionsgespräche von CDU, CSU und SPD läuft, bis Sonntag soll eine Einigung stehen.

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Horst Seehofer wünscht „schönen Tag und schöne Nacht“. Durch die Journalistentruppe vor dem Willy-Brandt-Haus geht ein Stöhnen: Nicht schon wieder! Der CSU-Chef grinst; ein bisschen Spaß muss sein, bevor es ernst wird. Am Freitag gingen in Berlin wieder mal Koalitionsgespräche in die Schlussrunde, und wieder lagen die dicksten Brocken erst noch vor den Unterhändlern. „Eine ganze Reihe sehr ernster Dissenspunkte“, um es mit Angela Merkel zu sagen, und also „ein Riesenstück Arbeit“. Ob es bis Sonntag erledigt ist? Seehofer sieht keinen Grund dagegen, die Kanzlerin sieht keinen Grund, sich dazu zu äußern. Martin Schulz sieht keinen Grund zur Eile: „Jetzt sind wir in einer Phase, wo wir uns ohne Zeitdruck sehr seriös bemühen sollten“, verkündet der SPD-Chef, bevor auch er in seiner Parteizentrale verschwindet.

Sicherheitshalber: Hotelzimmer bis Dienstag

Tatsächlich sind Prognosen zwecklos. CDU, CSU und SPD haben ihren Auswärtigen jedenfalls geraten, Hotelzimmer bis Dienstag zu reservieren. An ein, zwei Tagen soll die längste Regierungsbildung der Republik jetzt nicht mehr scheitern.

Inhaltlich sollten sie es eigentlich auch nicht. Seit der Familiennachzug für Flüchtlinge geklärt ist, fällt ein Hauptanlass für zornige Dispute weg. Aber das Thema schwärt weiter, und es bleiben die zwei weiteren Forderungen, die der SPD-Parteitag dem eigenen Chef aufgetragen hat: Schulz soll einen Einstieg in eine Bürgerversicherung aushandeln und befristete Arbeitsverhältnisse erschweren. „Da muss die Union sich bewegen“, drängt SPD-Vize Manuela Schwesig. Der Nachzugskompromiss war für ihre Partei kein Erfolg. Umso mehr braucht sie jetzt noch Vorzeigbares, um die Mitglieder zum Ja für die Groko zu bewegen.

Die "Knackepunkte" kommen später

Wie Kompromisse aussehen könnten, ist offen; die Facharbeitsgruppen haben die zwei heißen Themen gar nicht erst angefasst. Verhandelt werden sie sowieso in der zentralen 15er Gruppe oder sogar gleich im engsten Sechserkreis der Partei- und Fraktionschefs.

Vorher sollen von diesen Runden aber die anderen Zwischenergebnisse ausverhandelt werden. Erst dann kommen die „Knackepunkte“ (Seehofer). Ganz zuletzt kommt das Konklave der drei Chefs. Die Verteilung der Ministerien ist ihr Privileg. Auf Wunsch der SPD soll sie anders als vor vier Jahren diesmal nicht geheim bleiben, bis die SPD-Mitglieder entschieden haben. Nur die Personen zu den Ämtern soll vorerst niemand kennen.

Wer bekommt welche Ressorts?

Das Verfahren dürfte freilich die Spekulationen anheizen, gibt doch schon der Zuschnitt klare Hinweise. Greift die CSU nach einem klassischen großen Ministerium? Das spräche dafür, dass Seehofer ins Kabinett geht, als Sozial-, als Finanz-, vielleicht als Super-Wirtschaftsminister. Den Bayern blieben dann höchstens zwei Ressorts – Verkehr? Agrar? Entwicklung? Davon hängt ab, ob Jüngere wie Generalsekretär Andreas Scheuer oder seine Stellvertreterin Dorothee Bär zum Zug kommen oder Erfahrene wie Gerd Müller und Christian Schmidt bleiben.

Auch bei der CDU stellt sich die Generationenfrage. Merkel hat zudem mehr Frauen in der Regierung zugesagt. Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland und Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz könnten dort einziehen, dazu die Frauenunion-Chefin Annette Widmann-Mauz. Viele rätseln, ob Merkel ihren Kritiker Jens Spahn aufsteigen lässt – vielleicht zum CDU-Generalsekretär? Peter Altmaier und Herrmann Gröhe, Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen dürfen auf Weiterbeschäftigung hoffen, womöglich in neuer Position.

Und was wird aus Schulz?

Kreist bei der CSU das Personalkarussel rund um Seehofers Zukunft, heißt die Schlüsselfrage bei der SPD: Was wird aus Schulz? Der SPD-Chef will unbedingt Minister werden, auch wenn er mal geschworen hat, nie unter Merkel ins Kabinett zu gehen. Führende Sozialdemokraten wenden aber ein: Als Außenminister, Vizekanzler und SPD-Chef, der die Partei erneuern muss, wäre er heillos überfordert. Gibt Schulz diesem Drängen nach und die SPD-Führung auf, könnte Andrea Nahles Doppelvorsitzende von Partei und Fraktion werden.

Im Kabinett lockt das Finanzministerium die SPD sehr. Als idealer Kandidat gilt der Hamburger Olaf Scholz; der SPD-Vize könnte so auch eine Chance auf die Kanzlerkandidatur 2021 wahren. Aber was der Union zum Ausgleich geben? Auf das Sozialministerium kann die SPD kaum verzichten. Dort könnte Heiko Maas reüssieren. Seine Nachfolge im Justizressort könnte die Berlinerin Eva Högl oder Familienministerin Katarina Barley antreten. Als Bildungsminister ist Fraktionsvize Hubertus Heil im Gespräch.

Nur einer fehlt in den Gedankenspielen. Sigmar Gabriel ließ am Freitag zwar extra noch einmal wissen, wie sehr es ihm im Außenministerium gefällt. Doch in der SPD-Spitze hat der frühere Vorsitzende keine Fürsprecher mehr.

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