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Kopftuch bei der Arbeit – das ist seit Jahrzehnten ein heißes Eisen in ganz Europa.

© imago/Westend61

Kopftuch am Arbeitsplatz: Europäisches Gericht erlaubt Verbot – mit Einschränkungen

Luxemburg entscheidet im Fall einer belgischen Praktikantin, gibt das letzte Wort aber an das nationale Arbeitsgericht.

Der Europäische Gerichtshof hat erneut geurteilt, dass Unternehmen sichtbare Zeichen religiöser, weltanschaulicher oder spiritueller Zugehörigkeit am Arbeitsplatz verbieten dürfen – allerdings mit Einschränkungen. Solche Neutralitätsregeln in Firmen verstoßen nach Ansicht des Gerichts in Luxemburg nicht gegen das Diskriminierungsverbot, wenn sie ohne Unterschied auf alle Angestellten angewendet werden (C-344/20).

Hintergrund für die Entscheidung am Donnerstag war ein Fall, den das Brüsseler Arbeitgericht nach Luxemburg getragen hatte. Eine muslimische Belgierin hatte ein belgisches Wohnungsbauunternehmen angezeigt, das vor allem Sozialwohnungen verwaltet. Sie war für ein Praktikum nicht angenommen worden, weil sie die Frage verneint hatte, ob sie ihr Kopftuch abnehmen würde, wenn sie den Job bekäme.

Auch eine zweite Bewerbung war erfolglos, bei der sie anbot, eine andere Kopfbedeckung zu tragen. Die Firma begründete ihr erneutes Nein damit, dass es in ihren Geschäftsräumen grundsätzlich nicht erlaubt sei, den Kopf zu bedecken.

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Manche Vorschriften sind nur scheinbar neutral

Die Luxemburger Richter:innen sehen keine sogenannte „unmittelbare“ Diskriminierung der Frau, wenn das Verbot für alle Arbeitnehmer:innen unterschiedslos gelte. Sie gaben die Sache allerdings zurück an die Brüsseler Kolleg:innen, mit dem Auftrag, zu prüfen, ob die Frau „mittelbar“ diskriminiert werde.

Das hatte das Arbeitsgericht in Brüssel bereits in seiner Vorlage an Luxemburg vermutet. Mittelbare Diskriminierung läge vor, wenn eine Regelung scheinbar neutral ist, also für alle gilt, tatsächlich aber eine bestimmte Religion träfe. Im Fall des Kopftuchverbots kommt hinzu, dass es lediglich Frauen trifft. Ein muslimischer Mann hätte dieses Problem am Arbeitsplatz nicht.

Die Entscheidung des EuGH hat in diesem Fall nur bedingt Bedeutung für die Mitgliedstaaten der EU, also auch für Deutschland. Die Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78, auf die sie sich bezieht, wurde vor 22 Jahren vom Europäischen Rat beschlossen und fixiert Mindeststandards. Sie lässt ihnen die Möglichkeit, etwa für religiöse Zeichen höhere Schutzstandards zu setzen als für weltanschauliche Bekenntnisse.

Luxemburg entschied mal pro, mal contra Kopftuch

Luxemburg hat auch immer wieder Entscheidungen zum Thema getroffen, teils zugunsten der kopftuchtragenden Frauen, teils gegen sie. Im Falle einer Projektingenieurin, die gegen ein französisches Unternehmen geklagt hatte, fiel die Entscheidung 2017 gegen das Unternehmen.

Drei Jahre später betonte Luxemburg wie jetzt im Brüsseler Fall das grundsätzliche Recht von Unternehmen, neutrale Kleidung am Arbeitsplatz vorzuschreiben. Es gab aber die beiden anhängigen Fälle aus Deutschland – eine Heilerziehungspflegerin und eine Drogeriemarkt-Mitarbeiterin - an die deutschen Gerichte zurück.

Sie sollten prüfen, wie wesentlich in beiden Fällen das Interesse der Arbeitgeberinnen daran sei, dass ihre Angestellten nicht als Musliminnen erkennbar seien, und welche weitergehenden nationalen Gesetze in beiden Fällen womöglich anwendbar seien. Beide beklagten Firmen erlaubten den Frauen später, Kopftücher zu tragen.

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