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Auch die „Mavi Marmara“ gehört zu der geplanten Flottille. Neun türkische Aktivisten waren 2010 auf dem Schiff beim Einsatz israelischer Soldaten getötet worden.

© Reuters

Krise mit Ansage: Türkische Aktivisten planen neue Gaza-Hilfsflotte

Neue Gaza-Flotte, neuer Ärger: Türkische Aktivisten planen für Juni eine neue Fahrt mit der "Mavi Marmara". Die USA sorgen sich schon jetzt um einen neuen Konflikt zwischen der Türkei und Israel.

In wenigen Wochen wollen türkische und westeuropäische Aktivisten eine neue Hilfsflotte in den von Israel abgeriegelten Gaza-Streifen schicken. Ein Jahr nach dem Tod von neun Menschen beim israelischen Angriff auf das türkische Gaza-Schiff „Mavi Marmara“ soll auch das berühmt gewordene Flaggschiff wieder dabei sein. Eine erneute Eskalation droht, denn die türkische Regierung will die Vorbereitungen für die Flotte nicht stoppen, jedenfalls nicht vor den Wahlen Mitte Juni. Hinter den Kulissen machen die USA Druck auf die Türken. Doch ob Ankara auf Washington hört, ist mehr als ungewiss.

Die türkische Stiftung für Humanitäre Hilfe (IHH), die im vergangenen Jahr mit der Gaza-Aktion Furore machte, wird derzeit von Freiwilligen bestürmt. Rund 15 000 Türken, die bei der neuen Aktion Ende Juni mit an Bord der „Mavi Marmara“ sein wollen, haben sich bisher gemeldet. Am Ende werden nur etwa hundert Aktivisten tatsächlich mitfahren, doch das spielt keine Rolle: Die IHH will zeigen, dass die ganze Türkei hinter der neuen Aktion steht. „In der Türkei will jeder mitfahren“, sagte IHH-Vize Hüseyin Oruc dem Tagesspiegel.

Dabei ist die „Mavi Marmara“ nur eines von 15 Schiffen, die sich in der letzten Juni-Woche im östlichen Mittelmeer zu der neuen Flottille zusammenschließen wollen. Die 14 aus Westeuropa erwarteten Schiffe werden nach Angaben der Organisatoren mit Freiwilligen aus hundert Nationen an Bord Kurs auf Gaza nehmen. Die „Freiheitsflotte“ des vergangenen Jahres bestand aus lediglich sechs Schiffen.

Einen neuerlichen israelischen Angriff erwartet IHH-Vorstand Oruc nicht. Angesichts der Kritik aus der ganzen Welt an der blutigen Kommandoaktion im vergangenen Jahr werde Israel „denselben Fehler nicht noch einmal begehen“, sagte er. Sicher sein kann Oruc aber nicht. Nach Presseberichten bereitet sich die israelische Regierung darauf vor, auch die neue Hilfsflotte zu stoppen. Eine Erstürmung der Schiffe werde nicht ausgeschlossen.

All das spricht gegen eine baldige Erholung der türkisch-israelischen Beziehungen. Nach dem Angriff auf die „Mavi Marmara“ hatte Ankara seinen Botschafter aus Israel abberufen – er ist bis heute nicht auf seinen Posten zurückgekehrt. Die Türkei verlangt von ihrem früheren Partner Israel eine offizielle Entschuldigung für den Angriff sowie Schmerzensgeld für die Familien der Opfer der Attacke in internationalen Gewässern. Israel lehnt dies ab, weil es die Gaza-Aktivisten selbst für die Gewalt an Bord der „Mavi Marmara“ verantwortlich macht. Israel stuft die IHH als extremistisch ein – die IHH selbst bezeichnet sich als rein humanitäre Organisation, die in Libyen genauso hilft wie in Gaza, wie Oruc sagte.

Die USA sorgen sich schon jetzt um einen neuen Konflikt zwischen der Türkei und Israel, zwei wichtigen Verbündeten Washingtons im Nahen Osten. In einem Brief an den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan baten 36 amerikanische Kongressabgeordnete, Ankara möge die neue Gaza-Aktion doch bitte unterbinden.

Zumindest bis zu den türkischen Parlamentswahlen am 12. Juni wird Erdogan jedoch nicht mit sich reden lassen. Die Not der Menschen im Gaza-Streifen ist ein großes Thema in der Türkei, und Druck auf die IHH in dieser Sache könnte den Premier wichtige Stimmen kosten.

Offiziell steht Erdogans Kabinett ohnehin auf dem Standpunkt, es handele sich um die legale Aktion einer regierungsunabhängigen Organisation, in die sich die Regierung eines demokratischen Landes nicht einzumischen habe. Forderungen an Ankara, die Gaza-Aktion per Befehl der Regierung zu verhindern, zeigten lediglich, dass die Türkei immer noch nicht als vollständige Demokratie betrachtet werde, sagte Außenminister Ahmet Davutoglu. Türken und Israelis steuern mit Volldampf auf die nächste Krise zu.

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