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Krisentreffen am Rande des EU-Gipfels: Für Griechenland und die EU ist guter Rat teuer

Auch Plato und Sokrates dürfte die Antwort auf die Frage schwer fallen: Ist das Verhältnis zwischen Griechenland und der EU noch zu retten? Darum soll es auch bei einem Krisentreffen am Rande des EU-Gipfels in Brüssel gehen.

Wieder schrillen die Alarmglocken in der Griechenland-Krise. Während die Gespräche zwischen den Geldgebern und der Regierung in Athen auf Eis gelegt wurden, droht dem griechischen Staat das Geld auszugehen. Mitten in der Krise begann am Donnerstag in Brüssel ein zweitägiger EU-Gipfel, bei dem der griechische Regierungschef Alexis Tsipras im kleinen Kreis die schwierige Lage in seinem Land darstellen will.

Wie brenzlig ist die Lage?

Nach Aussage des für Finanz- und Wirtschaftsfragen zuständigen Athener Vizepremiers Giannis Dragasakis steht Griechenland vor ernsten Zahlungsschwierigkeiten: „Es stimmt, wir laufen Gefahr, dass uns das Geld ausgeht“, gestand Dragasakis im Fernsehkanal „Alpha“. Er machte dafür aber die Gläubiger verantwortlich: „Sie lassen die Regierung nicht regieren“, sagte Dragasakis. Seit dem vergangenen August habe das Land keine Kreditraten aus dem Rettungspaket mehr erhalten. Bis 2020 müsse Griechenland 43 Milliarden Euro für Zinsen und weitere 83 Milliarden für die Tilgung fälliger Anleihen zahlen, sagte der Vizepremier.

Die Athener Finanznot ist so groß, dass die Regierung jetzt öffentliche Versorger wie die Wasserwerke, die Elektrizitätswerke und den Telekom-Konzern OTE anpumpen will. Die Unternehmen sollen auf Drängen der Regierung kurzfristige staatliche Geldmarktpapiere kaufen, berichtete die Zeitung „Kathimerini“. Verschärft werden die Finanzprobleme dadurch, dass jetzt wieder mehr Griechen ihre Konten räumen. Allein am vergangenen Mittwoch sind nach Schätzungen aus Bankenkreisen 350 bis 400 Millionen Euro abgeflossen.

Belastet das jüngste Athener Sozialgesetz die Beziehung zu den Geldgebern?

Das griechische Parlament beschloss am Mittwoch ein Gesetz, das kostenlosen Strom, Essensmarken und Mietzuschüsse für verarmte Familien vorsieht. Die Institutionen der Geldgeber haben scharf gegen das Gesetz protestiert. In Athen wird hingegen darauf verwiesen, dass das „Humanitätsgesetz“ schon von der Vorgänger-Regierung vereinbart worden war und den Ärmsten der Armen zugutekommen soll. Das Gesetz, das insgesamt mit rund 200 Millionen Euro zu Buche schlägt, soll unter anderem Familien, die besonders hart von der Krise betroffen sind, überhaupt erst wieder eine minimale Stromversorgung sichern.

Hat Griechenland endgültig mit der Troika gebrochen?

Die seit knapp einer Woche geführten Verhandlungen mit den Vertretern der Gläubiger-Institutionen, der früheren Troika, sind vorerst gescheitert. Die griechische Regierung habe die Prüfer der EU-Kommission, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB), die sich vor allem ein Bild von der Kassenlage in Athen machen wollten, „vor die Tür gesetzt“, hieß es in Brüssel. Bei einer Telefonkonferenz der höchsten Beamten der Euro-Finanzminister, der sogenannten „Euro Working Group“, habe der griechische Vertreter erklärt, Griechenland sei nicht bereit, der Ex-Troika Einblick in die Finanzen zu gewähren, sagte eine mit den Gesprächen vertraute Person.

In der gemeinsam mit dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis getroffenen Vereinbarung der Euro-Gruppe vom 20. Februar hatte Griechenland noch zahlreiche Zusagen abgegeben. Dazu zählen eine „enge Zusammenarbeit“ mit den Gläubiger-Vertretern, die Umsetzung von Reformen und der Verzicht auf einseitige Schritte, die die Haushaltsziele gefährden. Das soll jetzt offenbar nicht mehr gelten. Verteidigungsminister Panos Kammenos kündigte im Fernsehsender „ANT 1“ an, von nun an werde die Regierung ohne Rücksprache mit den Gläubigern Gesetze vorlegen. „Wir haben unsere nationale Souveränität zurückgewonnen“, sagte der Rechtspopulist Kammenos.

Ohnehin möchte die Links-Rechts-Regierung mit der Ex-Troika nichts mehr zu tun haben. Statt auf der Expertenebene zu sprechen, wolle Griechenland nun im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs verhandeln, erklärte ein Insider. Genau dies wird aber in der EU-Kommission abgelehnt. Statt „für Rhetorik“ sollten die nächsten Wochen bis Ende April in Athen genutzt werden, um an den technischen Details zur Umsetzung der Eurogruppen-Vereinbarung vom 20. Februar zu arbeiten. Erst anschließend sollten die Gespräche „auf die politische Ebene“ gehoben werden, hieß es in den Kommissionskreisen weiter.

Welche Rolle spielte das Krisentreffen am Rande des EU-Gipfels?

Am Donnerstagabend war am Rande des EU-Gipfels ein Treffen einer Siebener-Runde geplant, die sich mit der Lage in Hellas befassen wollte. Neben Tsipras gehören dazu Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatschef François Hollande, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der Gipfelpräsident Donald Tusk, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, und Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Mit dem Treffen verbindet der griechische Regierungschef vor allem die Hoffnung auf Freigabe weiterer Finanzhilfen und mehr Liquidität von der Europäischen Zentralbank.

Vor dem Sondertreffen kursierten unterschiedliche Aussagen über den Stellenwert der Siebenerrunde. So zeigte sich EU-Parlamentschef Martin Schulz (SPD) überzeugt, dass es bei dem Treffen ein Ergebnis geben werde, da Athen „eigentlich schon vorgestern“ frisches Geld gebraucht habe. Aus der Sicht von Schulz muss Tsipras aber zunächst konkrete Vorschläge zur Erneuerung des Landes liefern, etwa bei der Verwaltungsreform.

Dagegen versuchte Gipfelchef Tusk Bedenken aus der Euro-Gruppe zu zerstreuen, dass bei dem Krisentreffen entscheidende Vorfestlegungen getroffen werden könnten. „Ich kann zusichern, dass dieses informelle Treffen kein entscheidendes Treffen sein wird“, erklärte der frühere polnische Ministerpräsident.

Welchen Standpunkt vertritt Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Bei ihrer Regierungserklärung dämpfte die Kanzlerin am Donnerstag im Bundestag Erwartungen an das Krisentreffen mit Tsipras am Rande des EU-Gipfels und die bevorstehende Visite des Chefs des Athener Linksbündnisses Syriza am kommenden Montag in Berlin. Merkel stellte klar, das „kein Treffen im kleinen Kreis“ eine Einigung zwischen Athen auf der einen Seite sowie den Vertretern der Institutionen der Geldgeber und den Euro-Finanzministern auf der anderen Seite ersetzen könne. „Es bleibt ein sehr schwerer Weg zu gehen“, sagte Merkel. Die Kanzlerin richtete einen eindringlichen Appell an die Links-Rechts-Regierung in Athen, sich an die Vereinbarungen des Hilfsprogramms zu halten: „Nur so wird es gehen: indem man Vereinbarungen trifft und sich alle an Vereinbarungen halten.“ Der Satz hätte genauso gut auch von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stammen können, der derzeit mit seinem griechischen Amtskollegen Yanis Varoufakis im Verbal-Clinch liegt.

Stehen die Zeichen also weiter auf Eiszeit zwischen Berlin und Athen?

Nicht unbedingt. Merkel nahm die Griechenland-Krise im Bundestag nämlich auch zum Anlass, um für den Zusammenhalt in der Europäischen Union zu werben. Sie appellierte an die Bundestagsabgeordneten, ihr weiterhin die Unterstützung zu geben, um die „wunderbare Wandlung“ Europas von einem Kriegs- zu einem Friedens-Kontinent mitzugestalten. Die Kanzlerin wählte wohl ganz bewusst den hohen Ton, da vor allem in der Union die Bereitschaft abnimmt, Griechenland mit immer neuen Hilfen zu alimentieren.

Es war indes auch kein Zufall, dass Merkel ihre Regierungserklärung mit der Wendung beschloss, dass die Europäer „zu ihrem Glück vereint“ seien – das Zitat stammt aus jener „Berliner Erklärung“ von 2007, mit der die Staats- und Regierungschefs der EU seinerzeit an den 50. Jahrestag der Römischen Verträge erinnert hatten. Dass Merkel am Donnerstag vor den Abgeordneten so tief in die Pathos-Kiste griff, hat seinen Grund. Die Griechenland-Krise hat das Zeug, vor allem einen großen außenpolitischen Schaden für die EU anzurichten – für den Fall, dass das „Grexit“-Szenario tatsächlich eintreten sollte.

Merkel betonte, sie führe alle ihre Gespräche „in dem Verständnis, dass aus Meinungsverschiedenheiten Gemeinsamkeit wird“. Zur Verbesserung der Atmosphäre im Verhältnis zwischen Athen und Berlin könnte auch ein gewisses Entgegenkommen in der Frage der Wiedergutmachung für griechische NS-Opfer beitragen: Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), zeigte sich bereit, mehr Mittel für den 2014 vom Außenministerium ins Leben gerufenen deutsch-griechischen Zukunftsfonds zur Verfügung zu stellen. Bislang verfügt der Fonds über eine Million Euro im Jahr.

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