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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit Soldaten (Archivbild von 2014)

© dpa/Rainer Jensen

Update

Kritik der Verteidigungsministerin: Bundeswehrverband sieht "viel Vertrauen zerstört"

Die Schelte der Verteidigungsministerin an der Bundeswehr sorgt für Unmut bei den Soldaten. Die SPD verlangt eine Entschuldigung. Von der Leyen erklärt sich in einem Offenen Brief.

Der SPD-Politiker Rainer Arnold hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) aufgefordert, sich bei den Bundeswehrsoldaten zu entschuldigen. "Dass sie der Truppe pauschal vorwirft, sie hätte ein Haltungsproblem, macht mich fassungslos. Jeder rechtschaffene Soldat fühlt sich von ihr beleidigt", sagte Arnold der "Passauer Neuen Presse". "Ich erwarte, dass sie sich entschuldigt."

Von der Leyen habe "ihren Laden offenbar nicht unter Kontrolle" und habe sich nun "auf die Zuschauertribüne gesetzt und die ganze Bundeswehr in Frage gestellt". Die Ministerin hatte angesichts einer Serie von Bundeswehrskandalen harte Kritik an der Bundeswehr geübt und von einem "Haltungsproblem", von "Führungsschwäche" und "falsch verstandenem Korpsgeist" gesprochen.

Anlass für die Äußerungen ist der Fall des am Mittwoch festgenommenen Oberleutnants Franco A., der sich offensichtlich monatelang als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte und offenbar einen Anschlag plante. Am Wochenende war bekannt geworden, dass der Bundeswehr schon seit 2014 Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung des Offiziers vorlagen, die aber nicht zu Konsequenzen führten.

Immer wenn Von der Leyens Unfähigkeit ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird, [...] lässt sie erst gar nicht zu, dass sich das Bild der ahnungslosen Rumwurstlerin einschleift, sondern überdeckt das schnell mit wildem, medienwirksamen Aktionismus.

schreibt NutzerIn Nils74

Die Bundeswehr möge eine Führungsschwäche haben, sagte Arnold der "Passauer Neuen Presse". "Aber gute Führung beginnt durch vorbildliches Verhalten ganz oben. Doch dies lässt Frau von der Leyen vermissen, sie ist es, die ein Haltungsproblem hat", sagte der SPD-Politiker. Der Fall Franco A. sei "ein Fall von der Leyen geworden".

Mit Blick auf das Rechtsradikalismus-Problem der Truppe müsse die Ministerin nun Orientierung geben. "Dazu gehört die klare Ansage, dass rechtsradikales Denken und versteckter Rassismus wie bei Franco A. nichts in der Bundeswehr zu suchen haben. Rechtsextreme drängt es zur Bundeswehr, hier muss viel genauer hingesehen werden", sagte der Verteidigungsexperte.

Wehrbeauftragter weist auf Versäumnisse hin

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) wies auf die Verantwortung der Ministerin hin. "Die Bundeswehr hat jede Menge Probleme", räumte Bartels am Dienstag im Sender Bayern 2 ein. "Aber wenn Frau von der Leyen nun sagt, es gäbe ein Führungsproblem, dann muss man natürlich sagen: Führung fängt oben an."

Von der Leyen habe in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren im Amt selbst schon Weichen so stellen können, dass Probleme beendet werden, sagte Bartels weiter. Der Wehrbeauftragte fügte hinzu: "Das, was wir hier erleben, ist nicht in Ordnung." Auch er beschrieb die Lage so, dass sich in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten Mentalitäten eingeschlichen hätten, "dass Dinge, wenn sie nach oben gemeldet werden, immer weicher gezeichnet werden, dass oben letztlich ankommt, es gebe kein Problem".

Bartels sieht dabei auch von der Leyens Amtsvorgänger in der Verantwortung: Er sprach von einem "Problem der politischen Führung über viele Jahre hinweg". Oft habe man es an der Spitze "auch gar nicht so genau wissen wollen". An diesem Punkt lobte Bartels die Ministerin: "Gut ist, dass Frau von der Leyen es jetzt genau wissen will."

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, sagte im ARD-"Morgenmagazin", die Kritik der Ministerin habe "zu Unverständnis" geführt. "Es ist viel Vertrauen zerstört worden", sagte Wüstner. Es wirke so, als sitze von der Leyen auf einer Tribüne und beurteile von dort ihre Soldaten. Es sei aber gut, dass die Ministerin sich in einem Offenen Brief erklärt habe.

Ministerin: "Missständen offen diskutieren"

In dem Brief, der auf der Website des Ministeriums zu lesen ist, schreibt von der Leyen: "Ich möchte Sie heute um Ihr Vertrauen bitten und um Geduld. Ich weiß, dass es für alle Angehörigen der Bundeswehr augenblicklich sehr hart ist, die öffentliche Diskussion zu verfolgen." Und weiter: "Als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt bin ich nach wie vor fest davon überzeugt, dass die übergroße Mehrheit von Ihnen ob in den Einsätzen oder im Grundbetrieb tagtäglich anständig und tadellos ihren wichtigen Dienst für unser Land leistet."

Wenn ein "Chef" Probleme in seinem Verantwortungsbereich nicht zuerst intern abarbeiten kann, sondern seine eigenen Leute öffentlich diskreditiert, ist er ungeeignet für seinen Job. Zudem stellt er in diesem Amt eine Gefahr dar!

schreibt NutzerIn Flutsch15

Die jüngsten Skandale seien aber keine Einzelfälle. "Zu groß ist die Zahl der Vorfälle, zu gravierend die zutage getretenen Fehlentscheidungen, wie zum Teil auf vorgesetzten Ebenen mit klaren Verfehlungen umgegangen wurde", heißt es in den Brief.

"Die Bundeswehr ist existenziell darauf angewiesen, dass ihr guter Ruf in der Bevölkerung, aber auch im Parlament Bestand hat. Deswegen müssen wir Missstände offen aussprechen und diskutieren", schreibt von der Leyen.

Es gehe um die Haltung, die Angehörige der Bundeswehr einnehmen und repräsentieren, schreibt die Ministerin: "Welches Meinungsspektrum ist in einer demokratischen Institution wie unserer erlaubt und auszuhalten? Und wo ist die Grenze zum Extremismus überschritten, den wir in keiner Form in der Truppe dulden? (...) Und ganz besonders wichtig: Welche Unregelmäßigkeiten und Missstände regeln wir kameradschaftlich untereinander und wo ist auch nach unserem Verständnis von soldatischer Führung die Grenze zu pflichtwidrigem Wegschauen aus falsch verstandenem Korpsgeist überschritten."

Die Summe der in den vergangenen Wochen zutage getretenen Ereignisse zeige, "dass es in zu vielen Bereichen der Bundeswehr keinen Konsens über diese wichtigen Punkte zu geben scheint", schreibt von der Leyen. "Deswegen müssen wir handeln." (Tsp mit AFP)

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