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Eine berühmte Darstellung des Heiligen Geistes in Form einer Taube: ein Kirchenfenster im Petersdom im Vatikan.

© Michael Kappeler/dpa

Pfingsten und die Erneuerung der Kirchen: Lasst den Geist brausen

Wollen die Kirchen relevant bleiben, müssen sie Strukturen reformieren, die Mission voranbringen - und mehr. Daran erinnert Pfingsten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es war schon das richtige Signal: den Ökumenischen Kirchentag, das Treffen der beiden christlichen Kirchen, trotz Pandemie stattfinden zu lassen. Zumal Pfingsten doch daran erinnert, dass die, die Jesus folgen, eins sein sollten. Der Heilige Geist – wenn man daran glauben will – fuhr in die Jünger hinein, und der wollte nicht, dass sich die Gläubigen quasi in Konkurrenz voneinander trennen.

Wer also das Fest jetzt ernst nimmt, gewissermaßen das Gründungsfest der Kirche insgesamt, der muss an der Ökumene arbeiten.

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Daran hindert nicht, dass vieles jetzt übers Netz kommt. Zum einen ist das Internet auch ein Missionsraum, zum anderen ist es buchstäblich ein Netz, Menschen zu fischen, sie einzufangen, für eine Sache zu interessieren, die aus der Zeit zu fallen scheint. Kirche, Glaube, Christentreffen in einer zunehmend säkularen Gesellschaft? Rund die Hälfte der Deutschen gehören der evangelischen oder katholischen Kirche an, mehr als 40 Millionen – noch. Die Zahlen fallen rasant. Der Glaube verliert für immer mehr Menschen Aussagekraft und Gültigkeit. 2060 sollen nur noch 25 Millionen sein.

Und doch, selbst wenn es mancher kaum glauben mag, wir fühlen es: Es geht mehr denn je um Selbstvergewisserung, um Begegnung mit sich und anderen, um Nähe und Gemeinschaft, vielleicht auch mit dem, was über uns hinausweist, das größer ist. In Zeiten der Heimsuchung, wie Pandemien eine sind, sowieso. Das geht in den Weiten des Internets – es lässt nämlich Nähe zu, schafft sie sogar, weil es große Distanzen überbrückt.

Möge der gute Geist in alle Seiten fahren

Ja, schon wahr: Auch ohne Pandemie geht es den Kirchen und der Ökumene gerade nicht gut. Beide, Katholiken wie Protestanten, täten aber gerade deshalb gut daran, mutiger aufeinander zuzugehen. Weil sie vor den gleichen Herausforderungen stehen. Die Glaubensunterschiede sind längst verwischt, den meisten sowieso fremd. Warum dann nicht endlich, sagen wir jetzt mal ganz praktisch, Gemeinschaft beim Abendmahl zulassen? Möge da der gute Geist in alle Seiten fahren.

Beide große Glaubensgemeinschaften sind nahezu überall gemeinsam herausgefordert. Der Vertrauensverlust durch die Missbrauchstaten und den Umgang damit ist immens. Dass bei diesem Thema die katholische Kirche besonders in der Kritik steht, ist übrigens nicht ganz gerecht. Sie bemüht sich inzwischen ernsthaft um Aufklärung. Was deshalb nicht so recht anerkannt wird, weil die katholische Kirche immer strenge Moral predigt und sich schwertut mit der gesellschaftlichen Entwicklung.

Die evangelische Kirche hat das Problem aber nicht minder. Einer der herausragenden deutschen Forscher auf diesem Gebiet, der Ulmer Kinderpsychiater Jörg Fegert, hat in einer Studie gezeigt, dass die Zahl der Betroffenen etwa gleich ist. Nur fällt das Licht nicht ganz so sehr auf die Protestanten. Dabei hat die EKD noch nicht einmal eine Vereinbarung über Standards von Aufarbeitung getroffen.

Es muss viel getan werden

Generell ist es so, dass beide Kirchen sich mit der Wahrheit schwertun, zum Ort schwerer Menschenrechtsverletzungen geworden zu sein. Darum haben es die Betroffenen auch schwer: weil sie diese Wahrheit verkörpern. Es müssen dringend bessere Wege zur Begleitung und Beteiligung gefunden werden, gemeinsam mit den Betroffenen. Sonst müsste es tatsächlich die Politik in die Hand nehmen, mit einer vom Parlament eingesetzten „Wahrheitskommission“, die Tausende Verbrechen an Kindern und Jugendlichen aufarbeitet.

Früher wurde man in eine Kirche hineingeboren – immer mehr wird es so, dass die Menschen wählen, ob sie dabei sein wollen. Oder eben nicht. Da muss viel getan werden: Strukturen reformieren, Mission im eigenen Land voranbringen, dem Tun innergesellschaftliche Bedeutung geben. Das sind Aufgaben, die besser gemeinsam zu bewältigen sind. Daran erinnert Pfingsten. Sollen die Kirchen den heiligen Geist mal brausen lassen, auf dass er ihnen den Weg weist.

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