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FDP-Chef Christian Lindner (2.v.l), steht neben Wolfgang Kubicki, Nicola Beer (l) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

© Monika Skolimowska/dpa

Update

FDP-Parteitag in Berlin: Lindner: Wir gehen ohne Koalitionsaussage in die Wahl

FDP-Chef Christian Lindner wehrt sich erneut gegen AfD-Vergleiche und erklärt, was die Leitbilder einer liberalen Politik sein sollen. 91 Prozent der Delegierten wählen ihn dann wieder zum Vorsitzenden.

Die FDP wird ohne Koalitionsaussage in den Bundestagswahlkampf gehen. Auf dem Bundesparteitag in Berlin, der an diesem Freitag in der Station am Gleisdreieck begonnen hat und bis Sonntag andauert, sagte Parteichef Christian Lindner am Ende seiner zweistündigen, programmatischen Rede: "Wir werden unsere Chance auf ein Comeback nicht gefährden, indem wir nützliche Idioten für beliebige Mehrheiten werden." Lindner betonte, dass man nur in eine Regierung eintreten werde, wenn man Politik in Deutschland verändern könne, ansonsten werde man in die Opposition gehen. "Das ist auch wichtig, denn bisher war die Opposition wie eingeschlafene Füße."

Auch der Parteivize und Spitzenkandidat der FDP in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, betonte die Eigenständigkeit seiner Partei. Er sagte: "Wer Merkel als Kanzlerin will, muss die CDU wählen. Wer Schulz als Kanzler will, muss die SPD wählen. Wer aber eine vernünftige Politik will, der muss uns Liberale wählen."

In seiner Rede ging Lindner auch darauf ein, dass er in einem Interview mit dem "Stern" auf die Frage mit ,Ja' geantwortet hatte, ob der Nationalspieler Mesut Özil die Nationalhymne singen sollte. Der 38-Jährige sagte vor dem Parteitag, er wolle keine Hymnenpolizei und jeder dürfe singen, was er wolle, aber man dürfe sich "noch etwas wünschen dürfen". Lindner begründete seine Einlassung damit, dass die Hymne Teil sein sollte eines "gelebten Verfassungspatriotismus", in diesem Sinne würde er sich freuen, wenn das andere, auch Nationalspieler, so sehen würden. Gleichzeitig wies er den Vorwurf des Grünen-Politikers Jürgen Trittin zurück, der ihn wegen seiner Aussage mit dem AfD-Politiker Alexander Gauland verglichen hatte. Lindner über Trittin: "Wer den Politiker einer autokratischen Partei mit einem demokratischen Politiker vergleicht, der verharmlost die AfD und ihren Extremismus."

Lindner nutzte diese Passagen seiner Rede aber auch, um die Türkei-Politik der Regierung zu kritisieren, die er als "gescheitert" bezeichnete, um gleichzeitig zu betonen, dass die FDP keineswegs die Zusammenarbeit mit der Türkei einstellen wolle. Man wolle, im Gegenteil, einen "Grundlagenvertrag" mit der Türkei, die er auf den Weg in "eine islamistische Präsidialdiktatur" sieht. Die FDP fordert aber nun eine Generalinventur der deutschen Einwanderung. Es sei der "historische Moment, eine neue Einwanderungspolitik" zu begründen, die die historische Verantwortung Deutschlands mit dem eigenen Interesse verknüpfe.

Das Leitbild einer solchen neuen Politik soll Zuwanderung sein, allerdings zieht Lindner daraus eine bestimmte Konsequenz. Wenn es dann auch mehr Doppelpässe gebe, dann dürfe man diese aber nur bis zur dritten Enkelgeneration beibehalten. Über diesen Antrag wird der Parteitag noch abstimmen.

Langzeitarbeitslose als eigentliche Gefahr für Deutschland

Der großen Koalition warf Lindner Untätigkeit vor, sie habe vier Jahre lang Zeit gehabt, um große Probleme zu lösen, aber sie habe kein einziges gelöst. Als Beispiel nannte Lindner Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der den Breitbandausbau für schnelleres Internet verschlafe, aber den "Mautwahnsinn" vorantreibe. Schwarz-Rot würde wie ein Schlafwandler in der Komfortzone laufen, anstatt zu gestalten. Der FDP-Chef findet, dass stattdessen aus der Zuspitzung der Debatten ein Land "seinen Treibstoff für die Zukunft gewinnt".

Lindner erklärte in seiner Rede einmal mehr seine Grundüberzeugungen liberaler Politik. Der Staat sei nicht "der Aufpasser oder Erziehungsberechtigte der Bürger, sondern muss Problemlöser für die Bürger sein". Liberalität in der Haltung bedeute, an den Einzelnen zu glauben. Lindner sieht vor allem in den vielen Langzeitarbeitslosen, die von HartzIV leben, die eigentliche Gefahr für das Land. Wer als Aufstocker aber mehr arbeiten wolle, der verdiene am Ende weniger netto. Lindner wörtlich: "Der Sozialstaat wirkt wie ein Magnet, wenn sich die Bürger schrittweise herausarbeiten wollen." Es sei würdelos für die Menschen, dauerhaft von einem Zuschuss des Sozialstaats zu leben.

Am Ende wurde Lindner noch ein wenig persönlich. Er habe großen Respekt vor den Grünen, und er glaube, dass eine Partei, die sich um die Ökologie verdient gemacht habe, auch im Bundestag bleiben müsse. Aber er erinnere sich an den riesigen Jubel der Grünen am Wahlabend im September 2013, als die FDP aus dem Bundestag flog. Damals habe er sich geschworen, dass dieser Applaus nicht das letzte Bild in der Geschichte der FDP sein dürfe.

Am Samstagnachmittag wurde Lindner mit 91 Prozent der Delegiertenstimmen wieder zum Parteivorsitzenden gewählt. Ein paar Tage zuvor hatte der Parteivize Wolfgang Kubicki auf die Frage, ob er sich auch 100 Prozent wünsche wie bei Martin Schulz in der SPD geantwortet, dass er sich für eine liberale Partei keine sozialistischen Ergebnisse wünschen würde. Lindner wiederum hatte den Ball am Donnerstagabend aufgenommen und im Hans-Dietrich-Genscher-Haus vor Medienvertretern gesagt, wenn es denn so sei, habe er auch nichts dagegen, aber auf jeden Fall sollten es mehr als 70 Prozent sein. Bei der letzten Wahl hatte er 92,41 Prozent bekommen.

Parteivize Wolfgang Kubicki wurde mit 92,2 Prozent der Stimmen gewählt, er nahm die Wahl an und sagte: "91 Prozent sind meine, der Rest sind Leihstimmen von Christian Lindner."

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