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Karl Lauterbach hat ganz schön viele TV-Auftritte, findet unser Kolumnist. Alle aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen.

© imago images/Jürgen Heinrich

Martenstein über Karl Lauterbach: Ein harter Lockdown-Verfechter mit vielen sozialen Kontakten

Es ist leicht, den Hardliner zu spielen, wenn man selber für die Folgen nicht haften muss. Zum Beispiel Karl Lauterbach. Eine Glosse.

Eine Glosse von Harald Martenstein

Die einen haben wegen Corona Geldsorgen und Zukunftsangst. Andere kommen mehr herum denn je, treffen ständig interessante Menschen und freuen sich über erhöhte Einnahmen.

Da fällt mir zum Beispiel der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ein. Dies hier sind nur seine Talkshowtermine, ich hoffe, ich habe nichts vergessen: 8.4. Markus Lanz, 15.4. Markus Lanz, 20.4. Hart aber fair, 23.4. Markus Lanz, 26.4. Anne Will, 29.4. Markus Lanz, 5.5. Markus Lanz, 6.5. Maischberger, am 7.5. war er dann bei „Bild TV“. So etwas hat nicht mal Wolfgang Bosbach zu seinen besten Zeiten geschafft.

Irritierend ist dabei, dass ausgerechnet Lauterbach zu den härtesten Lockdown-Verfechtern gehört. Keine unnötigen sozialen Kontakte! Andererseits scheint zur Zeit kaum jemand so oft unter Leute zu gehen wie er. Warum bleibt er nicht zu Hause und lässt sich zuschalten? Zumindest für ihn scheint es systemrelevant zu sein, dass er im Studio sitzt.

„Brandbeschleuniger der Pandemie“

Er sagt, Restaurants seien „Brandbeschleuniger der Pandemie“ und müssten, offenbar auch bei ordentlichem Abstand zwischen den Tischen, geschlossen bleiben. In Fernsehstudios aber scheint sich das Virus viel gutmütiger zu verhalten als im Restaurant. Sollten die Gastwirte einfach Fernsehkameras aufstellen und Lauterbach-Doubles einladen?

Er ist gegen Schulöffnungen und hält Kinder für gefährliche Virenüberträger. Regulären Unterricht dürfe es für „mindestens ein Jahr“ nicht geben (übrigens auch keinen klassischen Sommerurlaub). Andererseits erzählt der fünffache Vater, dass er, vermutlich doch wohl am Morgen nach einer Talkshow, seiner Tochter bei Mathe hilft.

Am 23.4. prophezeite er bei Lanz „exponentielles Wachstum“ der Infiziertenzahlen infolge der ersten Lockerungen: „In zwei, drei Wochen werden wir neue Herde sehen“. Wo sind die?

Existenzielle Sorgen kennt Lauterbach sicher nicht

Besonders kühn fand ich Lauterbachs Aussage, Covid-19-Erkrankte verlören im Schnitt 11 bis 13 Lebensjahre. Wie, um alles in der Welt, kann er das heute schon wissen? Und was bedeutet dies für 80-jährige? Werden die, falls sie normalerweise 85 würden, ins 74. Jahr zurückgebeamt?

Der Gastromom und Koch Tim Mälzer war bei Lanz den Tränen nahe. Er hat 240 Mitarbeiter, die stehen am Abgrund. Solche existentiellen Sorgen kennen Abgeordnete wie Lauterbach nicht, seine Kinder hocken auch sicher nicht in einer kleinen Wohnung und er betreut sie sicher nicht Fulltime.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Es ist leicht, den Hardliner zu spielen, wenn man selber für die Folgen nicht haften muss. Auf Twitter verkündete Lauterbach, jetzt sei „keine Zeit für Brot und Spiele“. Er hat beides. Mir fällt da sofort das klassische Beispiel des Kirchenfürsten ein, der anderen das Zölibat predigt und selber eine Freundin hat.

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