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Schützt. Die Masernimpfung schützt vor einer Infektion. Nun fordern Gesundheitspolitiker, die Behandlung zur Pflicht zu machen. Das ist umstritten.

© dpa

Masern in Berlin: Das Gefühl der Sicherheit war trügerisch

Annähernd 600 Menschen haben sich bisher in Berlin bei dem aktuellen Ausbruch von Masern angesteckt. Die Forderung nach einer Impfpflicht wird lauter. Die Idee ist verständlich, wird aber nicht funktionieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Nestler

Masern, das war lange Zeit die Krankheit der anderen. Vor allem in Afrika und Asien ist sie nach wie vor verbreitet. Die Infizierten bekommen Fieber, mitunter auch Lungen- und Hirnhautentzündungen, Zehntausende sterben jedes Jahr. Ganz anders stellte sich die Lage in Deutschland dar. Als 2003 die Zahl der Erkrankungen erstmals unter tausend fiel, schien das Ziel, die Masern ausrotten zu können, in greifbarer Nähe. Wirklich bedroht fühlte sich kaum noch jemand.

Der aktuelle Ausbruch in Berlin zeigt, dass dieses Gefühl der Sicherheit ein trügerisches war. Mindestens 574 Menschen haben sich infiziert, ein Ende der Ansteckungswelle ist nicht abzusehen. Am Montag wurde sogar eine Schule geschlossen. Das mag übertrieben gewesen sein, aber es dokumentiert, wie groß die Furcht vor der Krankheit ist. Das Gefühl wird noch verstärkt durch den Tod eines kleinen Jungen, der erst jetzt bekannt wurde.

Weltweit geht die Zahl der Erkrankungen zurück

Masern sind nicht harmlos. Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sie auszurotten, wie vor Jahren die Pocken, ist richtig. Es gibt nur einen Weg dorthin: Impfen. Seit der Jahrtausendwende wurden weltweit zwei Milliarden Menschen geimpft. Die Zahl der Erkrankten geht seitdem deutlich zurück. Gleichwohl starben 2013 immer noch 145 700 Menschen an Masern.

Um die Krankheit zu eliminieren, muss weiter geimpft werden, weltweit. Je mehr Fälle bei dem Berliner Masernausbruch bekannt werden, umso lauter wird der Ruf von Gesundheitspolitikern nach einer Impfpflicht. Es ist verständlich, dass sie die Verweigerer verpflichten wollen, ihren Teil zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung beizutragen. Denn aus medizinischen Gründen können nicht alle Kinder geimpft werden – um vor weiteren Ausbrüchen wirksam geschützt zu sein, müssen praktisch alle Gesunden die beiden Spritzen erhalten.

Die Impfpflicht rührt am Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit

Eine Impfpflicht ist dennoch falsch. Zum einen rührt sie am Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die Impfung ist in den allermeisten Fällen harmlos, erst recht im Vergleich zur Krankheit. Dennoch werden Gegner mit diesem Argument vor Gericht ziehen. Des Weiteren besteht eine Schulpflicht, unabhängig vom Impfstatus. Vor allem aber wird sich die Pflicht kaum durchsetzen lassen. Wer seinem Kind die schützende Impfung verwehren will, wird Schlupflöcher finden. Es gibt auch in der Ärzteschaft Skeptiker, die bei Bedarf Atteste für diverse Hinderungsgründe ausstellen dürften. Mit Zwang lässt sich die Impfmoral nicht erhöhen.

Das dürfte schon eher mit Beratungen gelingen, die verpflichtend für Eltern eingeführt werden sollen. Nicht alle Nicht- Impfer sind in einem Weltbild gefangen, das auf längst widerlegten Argumenten gründet. Manche sind einfach unsicher – ihnen könnte beim Gespräch mit Fachleuten klar werden, warum die Impfung gut ist: für ihr Kind, aber auch für die Gesellschaft, die gerade bei Infektionskrankheiten auf das Zutun aller angewiesen ist.

Kitabesuch nur für geimpfte Kinder

Die Gesellschaft wiederum hat das Recht, all jene härter anzufassen, die sich dem Konsens verweigern. Denkbar wäre, dass Kinder, die bis zu einem bestimmten Alter keine Immunisierung vorweisen, eine überwiegend mit Steuergeld finanzierte Kita nicht mehr besuchen dürfen. Ähnliches könnte für Klassenfahrten gelten. Denn die Masern lassen sich nur gemeinsam bekämpfen.

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