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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.

© REUTERS

Matthies meint: Was meint Horst Seehofer wohl mit dem Wort "Drive"?

Was ist schlimmer? Wenn Horst Seehofer ein englisches Wort benutzt, oder wenn Angela Merkel deutsch redet? Eine Glosse.

Eine Glosse von Lars von Törne

Immer, wenn sich CDU und CSU auf ihr weiteres Zusammenleben verständigt haben, beugen sich die Schriftgelehrten über die Konferenzpapiere, um im Wege der Textexegese Klarheit zu schaffen. Und die Beteiligten selbst tun es natürlich auch. Horst Seehofer zum Beispiel, der als gebürtiger Niederbayer das Sepplhosenhafte ohnehin eher gering schätzt, hat zu dem, was da jetzt geschehen ist, Kompromiss, Einigung, Positionspapier, also jedenfalls, was die Flüchtlinge anbelangt, dieses gesagt: „Das hat jetzt einen Drive.“

Aha! Aber für den Wähler, namentlich den bayerischen, muss diese Vokabel natürlich übersetzt werden. Seehofer ist bislang nicht als Golfer in Erscheinung getreten, es wird sich also sicher nicht um einen langen Treibschlag aufs Grün handeln, wo die handelnden Politiker dann nur noch einlochen müssen. (Obwohl, einlochen, nicht wenige Kritiker sehen ja schon Internierungslager am Horizont...). Auch das Diskettenlaufwerk kann er nicht gemeint haben, denn diese veraltete Technik dürfte nicht hilfreich sein, wenn es um die Lösung eines internationalen Großproblems geht.

Die Kanzlerin macht so etwas natürlich nicht

Am Ende bleibt wohl nur eine Möglichkeit: dass er so etwas wie Schwung oder Antrieb gemeint hat, aber sich irgendwie anders ausdrücken wollte, moderner, windschnittiger. Der Nutzen englischer Vokabeln kann aber noch ein anderer sein: Wer sie in Deutschland benutzt, kann sich immer auf Übersetzungsfehler berufen und hat ein breites Spektrum von Interpretationen zur Verfügung, falls es Ärger gibt.

Die Kanzlerin macht so etwas natürlich nicht. Ihre Rede ist ja, ja und nein, nein, bzw. alternativlos oder nicht. Im Schatten dieser Machtvokabeln ist kaum aufgefallen, dass sie alle paar Jahre das Synonym „unabdinglich“ verwendet, am Montag war es wieder so weit, auf dem „Publisher’s Summit“, wo sich die German Publisher ihren Drive holen. „Unabdinglich“ ist ein komisches Wort, eine Mixtur aus „unabdingbar“ und „unentbehrlich“, der Duden kennt es, schätzt es aber nicht sehr. Man braucht es nicht, auch nicht in den Zeitungen, den Unabdinglichen.

Aber es ist eine Kanzlervokabel. Was sagt sie? Da ist etwas, was nicht abgedungen werden kann. Oder: abbedungen? Gibt es etwas, was die große Kanzlerin, die mächtigste Frau der Welt, nicht abdingen kann? Oder will? Irgendwie kann man verstehen, dass der Dings, also der Seehofer, dieser Unsicherheit mit einem abdinglichen Drive begegnet.

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