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Erschüttert: Angela Merkel und Donald Trump in Taormina, Sizilien, beim G7-Treffen.

© Michael Kappeler/dpa

Merkel und Trump: Willkommen in der Realität

Die Bundeskanzlerin erkennt endlich öffentlich an, dass die transatlantischen Beziehungen nicht mehr business as usual sind. Jetzt müssen Taten folgen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Es ist eine Wende, wenn auch zunächst nur eine rhetorische. Bei einem Wahlkampfauftritt in Bayern hat Angela Merkel am Sonntag erstmals klar einen Bruch im europäisch-amerikanischen Verhältnis eingestanden. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt“, sagte sie. Und: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“

Mit Merkel erkennt Deutschland endlich an, dass die transatlantischen Beziehungen nicht mehr business as usual sind

Natürlich ist das ein Stück Wahlkampf. Die SPD hat Trump zum Negativ-Posterboy ihrer Kampagne gekürt, da will Merkel nicht kuscheln. Und dennoch: Ihre Worte sind bemerkenswert, waren doch in den vergangenen Monaten vor allem beschwichtigende Töne zu hören. Noch nach dem unterkühlten ersten Zusammentreffen der Kanzlerin mit Donald Trump in Washington im März versuchte Regierungssprecher Steffen Seibert das Positive herauszustellen. Deutsche Außenpolitiker befanden, Trump umgebe sich doch mit grundvernünftigen Leuten wie Verteidigungsminister James Mattis und dem Nationalen Sicherheitsberater Herbert McMaster und gaben sich der Illusion hin, der Mann werde schon irgendwie zu kontrollieren sein. Der Traum ist geplatzt. Trump ist ein impulsiver Politamateur, der sich außenpolitisch in die Rolle des kraftmeiernden Isolationisten festspielen dürfte, um eine Serie innenpolitischer Stunts und Affären zu überbrüllen.

Europa, Kanada und Japan sollten mit einem verstärkten Engagement in der Flüchtlings- und Hungerhilfe reagieren

So bemerkenswert Merkels verbale Wende ist – die Erkenntnis in konkrete Politik umzumünzen wird schwierig. In vielen Politikfeldern bleiben die Europäer auf die USA angewiesen. Beim Klimaschutz sind echte Fortschritte ohne den größten Emittenten nach China nicht möglich. Innereuropäisch aber könnte das Wüten des amerikanischen Diplomatie-Berserkers der neuen deutsch-französischen Liebe jene Dringlichkeit verleihen, die es braucht, um wirklich etwas zu erreichen. Kurzfristig sollten Europa, Japan und Kanada in der Flüchtlings- und Hungerhilfe mit einem verstärkten eigenen Engagement reagieren. Sie könnten für den Anfang einen substanziellen Beitrag zu den von den UN benötigten 6,9 Milliarden Dollar Hungerhilfe leisten. Das wäre ein echtes Signal, dass westliche Werte nicht mit Trump enden.

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