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Ende der Seenotrettung?

© Pau Barrena/AFP

Migration übers Meer: Österreich will Europa dichtmachen

Asylanträge in der EU sollen nach dem Willen der neuen EU-Ratspräsidentschaft fast unmöglich werden – so steht es in einem Papier hoher Beamter.

Österreich will die EU mit einer Reihe von Maßnahmen gegen Migranten ohne Dokumente praktisch abriegeln. In einem Papier der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft von Anfang Juli – Wien übernahm am 1. Juli -, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird unter anderem gefordert, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex das Recht bekommen müsse, schiffbrüchige Migranten, die sie im Mittelmeer aufgreift, direkt zurückzubringen.

Das sogenannte „Raumdokument“ für das Wiener „Cosi“-Treffen (das Kürzel für „Ständiger Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit“) fordert konkret die Aufhebung der EU-Verordnung, „die es Frontex verunmöglicht, aus Seenot gerettete Migranten unmittelbar in sicheren (sic) Drittstaaten auszuschiffen“. Augenblicklich, so beklagt der Text, landeten die Menschen „grundsätzlich in EU-Staaten". Dadurch blieben „Aufgriffe auf hoher See wirkungslos“.

"Keine Asylanträge mehr auf EU-Boden"

Welche sicheren Länder gemeint sind, wird aus dem Text nicht klar. In Libyen, dem wichtigsten Ausgangspunkt für die Fahrt übers Mittelmeer, herrscht weiter Rechtlosigkeit, die UN und auch das Auswärtige Amt berichteten unter anderem von Folterlagern und Versklavung von Migranten. Das Treffen des Ständigen Ausschusses fand am 2. und 3. Juli in Wien statt. Dem Gremium gehören hohe Beamte der Justiz- und Innenministerien der EU-Staaten an, Vertreter der Brüsseler Kommission und des europäischen Auswärtigen Diensts (EAD).

Das Wiener Papier legt sogar einen Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention durch die Menschen selbst nahe: „Sie durchqueren vielfach mehrere sichere Staaten, um das erhoffte Zielland zu erreichen, für das sie ihr Hab und Gut und ihr Leben aufs Spiel setzen. Das entspricht nicht den Intentionen der Genfer Konvention, nämlich Menschen in Not rasch und verlässlich Hilfe zukommen zu lassen.“ Das Papier fordert daher: „Schaffung eines neuen besseren Schutzsystems, bei dem keine Asylanträge mehr auf EU-Boden gestellt werden, außer wenn Schutzsuchende aus direkten Nachbarstaaten kommen oder wenn keine Schutzmöglichkeiten zwischen der EU und dem Herkunftsland vorhanden sind.“

"Geschleppte lehnen freie Gesellschaften ab"

Zu den Zielen, die laut dem Papier bis 2025 zu verwirklichen sind, gehört auch „Asyl in Europa nur für Menschen, die europäische Werte und die in der EU geltenden Grund- und Freiheitsrechte respektieren“. „Geschleppte Personen“, so heißt es allgemein, hätten „wegen ihrer Prägung und mangelhaften Perspektiven immer wieder beträchtliche Probleme mit dem Leben in freien Gesellschaften oder lehnen diese sogar ab“. Weil es der EU bisher an Grenzschutz und einem starken Asylsystem fehle, prognostiziert das Papier langdauernde Folgen. Das zeigten die „Erfahrungen mit Zuwanderung aus Regionen, die durch patriarchalische, freiheitsfeindliche bzw. rückwärtsgewandte religiöse Einstellungen geprägt sind“.

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Der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko sagte dem Tagesspiegel, das Dokument trage „die Handschrift der neuen Achse Rom-Berlin-Wien“. Die darin geplante Rolle für Frontex laufe der EU-Menschenrechtskonvention „eklatant zuwider“. Zum Hinweis des Textes auf die Genfer Konvention erklärte er: "Es wäre vermeidbar, dass so viele Menschen auf der Flucht ertrinken. Die Europäische Union überwacht das zentrale Mittelmeer lückenlos. Die Aufklärungsdaten der hochauflösenden Satelliten und des leistungsfähigen Überwachungsnetzwerks Eurosur müssen jetzt genutzt werden, um Menschen zu retten."

Er sei froh, so Hunko, dass sich gegen diese Sicht immer mehr Gegenwind zeige. "In Deutschland gewinnt das Seebrücke-Netzwerk immer mehr an Fahrt, für das Wochenende sind wieder viele Aktionen geplant. Auch für das Sondertreffen der Innenminister in Salzburg am 20. September haben sich bereits viele Proteste angekündigt."

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