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Präsident Wladimir Putin wird im Fernsehen übertragen (Archivbild),

© AFP / Foto: AFP/ALEXANDER NEMENOV

Update

„Mittel und Methoden eines Kolonialkrieges“: Massive Putin-Kritik läuft jetzt auch im russischen Staatsfernsehen

Putin und der Ukraine-Krieg werden in Russland immer offener kritisiert – in Parlamenten, via Petition und nun sogar im TV. Neuestes Beispiel: eine Polit-Talkshow.

| Update:

Die erstaunlichen militärischen Erfolge der Ukraine erreichen zunehmend auch die russische Öffentlichkeit. Und sie rufen erstmals in diesem Krieg öffentliche Kritik an Putin von offizieller Seite hervor.

So forderten in der vergangenen Woche gleich mehrere Parlamentsabgeordnete aus Moskau den russischen Präsidenten Wladimir Putin in einer öffentlichen Erklärung zum Rücktritt auf. Als Begründung gaben die Vertreter des Moskauer Stadtbezirks Lomonosowski an, dass während Putins zweiter Amtszeit „alles schief gelaufen“ sei.

In einem veröffentlichten 30-minütigen Videoprotokoll der Sitzung bemängelten die Abgeordneten, dass Versprechungen seitens der Kreml-Regierung wie die Verdoppelung des BIP oder die Erhöhung des Mindestlohns bislang nicht eingehalten worden seien. Stattdessen würden viele intelligente und fleißige Russen ihrer Heimat den Rücken kehren.

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40 Lokalpolitiker unterzeichnen Petition gegen Putin

Derartige Rücktrittsforderungen wurden auch am Montag laut, als 40 russische Lokalpolitiker in einer Petition ganz offen die Amtsniederlegung des russischen Präsidenten forderten. Wie die Bezirksratsabgeordnete Xenia Torstrem auf Twitter berichtete, schlossen sich dem Aufruf Politiker aus insgesamt 18 Bezirken der Städte St. Petersburg, Moskau und Kolpino an.

Wir fordern den Rücktritt von Wladimir Putin vom Amt des Präsidenten der Russischen Föderation!

Petition von russischen Lokalpolitikern

In der Petition wurde konkret angemahnt, dass Putins Handlungen „Russlands Zukunft und seinen Bürgern schaden“ würden. Kritisiert wurde außerdem, dass der russische Präsident das Land mit seiner aggressiven Rhetorik in die Zeit des Kalten Kriegs zurückgeworfen habe.

Offene Putin-Kritik in russischer Polit-Talkshow

Bislang wurde die Petition von den staatlich kontrollierten Medien Russlands konsequent ignoriert. Doch auch in russischen Polit-Talkshows treten nun Kritiker auf, die offen die Kriegsführung unter Präsident Putin infrage stellen.

So twitterte die Journalistin und Gründerin des von Russland sanktionierten Medienprojektes „Russian Media Monitor“, Julia Davis, am Montag den Videomitschnitt einer Talkshow, die am vergangenen Samstag im russischen Staatsfernsehen lief. Zu den Talkshow-Gästen gehörte auch Boris Nadezhdin, ein ehemaliger Duma-Abgeordneter und bekannter Putin-Kritiker.

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In der Diskussion um den aktuellen Kriegsverlauf und die jüngsten Erfolge der ukrainischen Gegenoffensive kritisierte der 59-jährige Politiker vor allem die derzeitige Kriegsführung, in denen „Mittel und Methoden eines Kolonialkrieges“ zum Einsatz kämen. Auch der Einsatz von Vertragssoldaten und Söldnern sowie die fehlende Mobilisierung werden offen angemahnt.

Wir sind jetzt an dem Punkt, an dem wir es verstehen müssen: Es ist absolut unmöglich, die Ukraine mit den Mitteln und Methoden eines Kolonialkrieges zu besiegen.

Boris Nadezhdin, ehemaliger Duma-Abgeordneter

Als der Gastgeber nachhakt, ob Nadezhdin konkret eine militärische Mobilisierung der russischen Truppen vorschlage, entgegnet der Kreml-Kritiker: „Ich schlage Friedensgespräche vor, um diesen Krieg zu beenden.“

Auf Nadezhdins Vorschlag für Friedensgespräche entgegnete der kremlnahe Duma-Abgeordnete Sergey Mironow, dass es „mit Selenskyjs Naziregime“ keine Verhandlungen geben könne. Bei diesem Krieg dürfe man nicht vergessen, dass Russland gegen einen ganzen Nato-Block kämpfe - mit einer „ernstzunehmenden Armee und ernstzunehmenden Waffen“. Mironow wird jäh von dem Politikexperten Viktor Olewitsch unterbrochen, der anmerkt: „Unser militärischer Geheimdienst hätte das alles vorhersehen müssen.“

Warum könnte die Talkshow-Sendung eine Wende einläuten?

Der Videomitschnitt aus dem russischen Staatsfernsehen ist gleich in zweierlei Hinsicht bemerkenswert.

Normalerweise werden in den Polit-Talkshows staatlich kontrollierter Sender die regimekritischen Stimmen isoliert. So kommen Kremlkritiker wie Boris Nadezhdin zwar zu Wort, werden vom Chor der geschlossenen Talk-Opposition aber schnell übertönt. Die Einmischung des Politikexperten Olewitsch hingegen könnte ein erstes Zeichen sein, dass die prorussische Geschlossenheit Risse bekommt.

Darüber hinaus wurde in der Talkshow-Debatte im Zusammenhang mit der russischen Invasion der Terminus „Krieg“ verwendet, anstatt der kremlkonformen Bezeichnung „Spezialoperation“. Pikanterweise war der Abgeordnete der Staatsduma Alexander Kazakov für den sprachlichen Ausrutscher verantwortlich - seines Zeichens ein Befürworter Putins.

Auf die Frage des Putin-Kritikers Boris Nadezhdin, wie lange dieser Krieg noch so weitergehen solle, antwortete der kremlnahe Abgeordnete Kazakov schließlich: „So lange es eben dauert“.

Nadezhdin dankte seinem politischen Kontrahenten für seine „ehrliche Antwort“ - so würden seine „zehnjährigen Kinder immerhin irgendwann die Chance bekommen, zu kämpfen“.

Moderator rechnet damit, dass Nadezhdin ins Gefängnis muss

Der Moderator und Publizist Wladimir Solowjow gilt als führender Propagandist der russischen Politik. In Reaktion auf die Kritik von Boris Nadezhdin am Kreml sagte er in einer Fernsehsendung, dass „diese Menschen typischerweise 15 Tage ins Gefängnis kommen. Boris hat seine Strafe noch nicht bekommen, aber das wird er noch.“

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