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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

© dpa/Sebastian Christoph Gollnow

„Munition für die AfD“: Forscher sehen Teilnahme von Politikern an Demos gegen rechts kritisch

Politiker sollten nicht versuchen, die Proteste in der Hoffnung auf Wählerstimmen zu kapern, sagt der Soziologe Rüdiger Schmitt-Beck. Das könne am Ende der AfD nutzen.

Die Teilnahme bekannter Politiker bei den aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sieht der politische Soziologe Rüdiger Schmitt-Beck kritisch. „Die Mobilisierung der Protestbewegung erfolgt außerhalb der Parteien, aus der Zivilgesellschaft heraus“, sagte der Wissenschaftler von der Universität Mannheim der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Politiker sollten nicht versuchen, die Proteste in der Hoffnung auf Wählerstimmen zu kapern und keinesfalls sollten dort Parteisymbole auftauchen, erklärte Schmitt-Beck. „Das würde nur der AfD Munition geben, diese Proteste als Fortsetzung des Wahlkampfs mit anderen Mitteln zu beschreiben.“ Zudem genössen die Parteien nicht das allergrößte Ansehen und der Union gelinge es in der Opposition nur begrenzt, von der Unbeliebtheit der Ampel-Parteien zu profitieren.

Auch der Protestforscher Peter Ullrich von der Technischen Universität Berlin blickt skeptisch auf das Thema - wenn auch aus anderen Gründen. „Ich finde es zweischneidig, wenn zum Beispiel Olaf Scholz auf so eine Demo geht, obwohl die Bundesregierung das Narrativ einer immensen Migrationskrise ja selbst erzählt und massive Verschärfungen des Asylrechts betrieben hat“, sagte er über den Kanzler.

Demonstrationen könnten zu neuen Bewegungen führen 

Die Protestbewegung sei nach allem, was man wisse, vielfältig. „Man kann aber davon ausgehen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unabhängig von den jeweiligen Positionen nicht in Migration das überragende Problem sehen und dass sie die Untergangserzählungen der AfD nicht teilen.“

Politikpsychologen Thomas Kliche hält es auch für möglich, dass die Massenproteste für grundlegende politische Änderungen sorgen könnten. Die Proteste unterschieden sich deutlich von früheren politischen Bewegungen, sagte der Professor für Bildungsmanagement an der Fachhochschule Magdeburg-Stendal der Deutschen Presse-Agentur. „Diese neue Bewegung ist breit, bunt, vielfältig, spontan - und Demokratie ist ihr ein Kernanliegen.“

Die aktuellen Proteste könnten auch eine Antwort auf die in der Gesellschaft vorhandene Polarisierung sein und dazu beitragen, die politische Mitte zu stärken und neue Parteien entstehen zu lassen.

Als kurzfristige Auswirkung hält der Politikpsychologe eine höhere Beteiligung an Wahlen und mehr Zustimmung für demokratische Parteien für wahrscheinlich. „Langfristig wächst aber die Einsicht, dass diese Parteien seit 20 Jahren genauso den Kopf in den Sand gesteckt haben wie die Mehrheit der Bevölkerung.“ Wenn aus den Protesten eine soziale Bewegung entstehe, könne es auch neue Parteien geben. (dpa)

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