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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer.

© dpa

Nach Gabriels Entscheidung: Seehofers CSU muss sich hinter die Kanzlerin stellen

CDU und CSU können der überraschenden Entscheidung von Sigmar Gabriel gegen eine SPD-Kanzlerkandidatur Positives abgewinnen – obwohl damit die politische Aufstellung durcheinanderkommt.

Von Robert Birnbaum

Ihr künftiger Bundespräsident traf nicht auf ungeteilte Aufmerksamkeit der Unionsfraktion. Die Meldungen aus der SPD auf ihren Smartphones fanden die Abgeordneten am Dienstag weit spannender als den leibhaftigen Sozialdemokraten Frank-Walter Steinmeier vor ihnen. „Hast Dich ja gut aus der Affäre gezogen, dass Du nicht noch mal antreten musst“, frozzelte Fraktionschef Volker Kauder, als er den Gast verabschiedete. Der flapsige Spruch umreißt ganz gut die erste Reaktion der Union auf den neuen Herausforderer, den die SPD ihrer Kanzlerin entgegenschickt: Auch ein Martin Schulz wird Angela Merkel nicht überflügeln.

Doch dazu gesellt sich eine zweite Reaktion, Horst Seehofer gibt ihr offen Ausdruck: Gegen Schulz, schwant dem CSU-Chef, werde es „keineswegs leichter“ als gegen einen Kandidaten Sigmar Gabriel. Tatsächlich haben gerade die Wahlkämpfer der CSU schon länger Unbehagen bei dem Gedanken an den populären Europäer Schulz. Der Mann kann Wahlkampf und Fernsehduell, er ist ein starker Redner, und selbst eingefleischte Unionswähler ertappt man bei dem Bekenntnis, mal abgesehen vom Parteibuch wäre der joviale Typ gut wählbar. Jedenfalls bringt Schulz die Grundaufstellung für den Wahlkampf durcheinander. In den großen außenpolitischen Linien sind sich die Kanzlerin und er sehr ähnlich – nur dass Schulz viel unbekümmerter den Anti-Trump geben kann als die durchs Amt gebundene Regierungschefin. Ein SPD-Abgeordneter malte den Unionskollegen schon genüsslich das Bild von einer Zangenbewegung gegen Merkel auf, in der Schulz und der neue Außenminister Gabriel sich als Klartext-Redner gegen den Twitter-Troll im Weißen Haus inszenieren und das neue Staatsoberhaupt Steinmeier „segnend seine Hand darüber hält“.

Eine stärkere SPD wäre besser koalitionsfähig

Die Gefahr, dass Merkel ihre Stärke als ruhender Pol in einer wirren Welt nicht mehr so ausspielen kann wie gegen den sprunghaften Gabriel, sehen sie in der Union. Andererseits gilt auch für Schulz: Er ist der Kandidat einer strukturell stark geschwächten SPD mit geringer Machtperspektive. „Irgendwann wollen die Leute ja auch den Eindruck haben: Der hätte eine Chance“, sagt ein Christdemokrat. Für eine Ampel mit Grünen und FDP sind aber die Liberalen zu schwach und Rot-Rot-Grün offen anzustreben, wäre im Wettbewerb um bürgerliche Grenzgänger-Wähler riskant. Inhaltlich unangreifbar ist Schulz auch nicht, selbst wenn sich die stille Hoffnung seiner Gegner nicht erfüllt, dass er sich in den Fallstricken der Innenpolitik verheddert. Allein dass er bisher nur in Brüssel und Straßburg Politik gemacht hat, gilt hierzulande nicht durchweg als Empfehlung. Seinen Einsatz für einen Schuldenrabatt für Griechenland haben sie in der Union als konkrete Schwachstelle markiert. Der Verbalsponti Gabriel als Außenminister könnte zur weiteren werden: „Die Leute mögen in dem Amt keinen, der rumholzt“, sagt ein CDUler.

Merkels Partei kann der Überraschung Positives abgewinnen: Seehofers CSU wird jetzt beim Unionsgipfel die Reihen hinter der Kanzlerkandidatin schließen müssen. Und selbst die Aussicht, dass der neue Hoffnungsträger der SPD einen sachten Aufschwung bescheren könnte, finden Weitsichtigere nicht nur schlecht. „Eine SPD mit 25 Prozent wäre wieder mit uns koalitionsfähig“, sagt ein CSU-Spitzenmann. „Eine mit 20 Prozent wäre es nicht.“ Merkel bliebe nur ein Bund mit den Grünen – für die CSU eine Horrorvorstellung.

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