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Aufgebrachte Demonstranten in Kabul.

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Update

Nach Koran-Verbrennung: Demonstranten versuchen ungarisches Feldlager zu stürmen - Ein Toter

Nach der Koranverbrennung durch US-Soldaten bleibt die Lage in Afghanistan weiter äußerst angespannt. Aufgebrachte Demonstranten versuchten ein ungarisches Feldlager zu stürmen. Die Bundeswehr zog sich bereits aus einem ihrer Stützpunkte zurück.

Die Proteste gegen die Koranverbrennung durch US-Soldaten in Afghanistan haben am Freitag erneut ein Todesopfer gefordert. Ein Demonstrant sei getötet worden, als Aufrührer versucht hätten, ein ungarisch geführtes Feldlager in der nordafghanischen Provinz Baghlan zu stürmen, sagte Baghlans Vize-Polizeichef Samanuddin Husaini. Elf Menschen seien bei dem Zusammenstoß in der Provinzhauptstadt Pul-i-Chumri verletzt worden, darunter vier Polizisten und vier Soldaten. Baghlan gehört zum Verantwortungsbereich der Bundeswehr.

Husaini sagte, mehr als 1000 Demonstranten hätten sich vor dem ungarischen zivil-militärischen Wiederaufbauteam (PRT) versammelt, wo auch Soldaten aus Albanien, Kroatien und Montenegro stationiert sind. Aufrührern sei es gelungen, hinter die Stacheldraht-Absperrung des Feldlagers vorzudringen. Die Polizei habe Warnschüsse abgegeben, um die Menge aufzulösen.

In Kabul sind, am mittlerweile vierten Tag der Proteste, ebenfalls hunderte aufgebrachte Afghanen zum Präsidentenpalast gezogen. Die Menge skandierte "Tod für Amerika". Auch in der östlichen Stadt Dschalalabad kamen am Freitag etwa 700 Menschen zu einer Demonstration zusammen. Ein weiterer Protestmarsch bildete sich in der Unruheprovinz Ghasni im Südosten Afghanistans.

Auslöser der Proteste war der Fund von verkohlten Koran-Exemplaren auf der Müllhalde des US-Stützpunkts Bagram bei Kabul. Der Koran gilt den Muslimen als direktes Wort Gottes und die Verbrennung des Buches als Gotteslästerung. Bei den Protesten wurden bisher mindestens 15 Menschen getötet, darunter zwei US-Soldaten.

Die Bundeswehr zog sich wegen der gewaltsamen Proteste vorzeitig komplett aus ihrem Stützpunkt Talokan zurück. Allerdings sollte das Lager im März ohnehin geräumt werden. Angesichts eines Auflaufs von rund 300 Demonstranten unmittelbar vor dem Stützpunkt habe der Kommandeur der Nordregion am Donnerstag die mit der Räumung beschäftigten Kräfte ins rund 70 Kilometer entfernte größere Feldlager Kundus abrücken lassen, teilte die Bundeswehr mit. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos sagte, die rund 60 Soldaten hätten sämtliche Fahrzeuge mitgenommen. Der Abzug sei aber eine "reine Vorsichtsmaßnahme" gewesen, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos. Die Soldaten seien inzwischen wohlbehalten im Feldlager Kundus eingetroffen.

Ein ZDF-Reporter berichtete, das Lager sei mit Steinen beworfen worden. Der relativ kleine Komplex ist schwierig zu sichern, weil er mitten in der 200.000-Einwohner-Stadt liegt. US-Präsident Barack Obama entschuldigte sich für die unbedachte Koranschändung. Er betonte nach Angaben der afghanischen Regierung in einem Schreiben, die Verbrennung von Koran-Exemplaren auf der US-Basis Bagram sei nicht vorsätzlich geschehen. Das
Entschuldigungsschreiben sei am Donnerstag von US-Botschafter Ryan Crocker an Präsident Hamid Karsai übergeben worden, teilte der Präsidentenpalast in Kabul mit. Der US-Präsident habe eine vollständige Aufklärung des Falls zugesagt.

Die Taliban schworen Rache und riefen Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte zur Fahnenflucht auf. Taliban-Funktionäre seien angewiesen worden, alle Deserteure, die sich gegen die "Invasoren" stellten, als "Helden" willkommen zu heißen. Die islamischen Staaten verurteilten die Koranverbrennung. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) betonte in einer Erklärung, die Tat stehe im Widerspruch zu den gemeinsamen Bemühungen von muslimischen Ländern und internationaler Gemeinschaft, Intoleranz und religiösen Hass zu bekämpfen. Zugleich begrüßte die Organisation, der 57 Staaten angehören, die Entschuldigungen der Isaf und der USA.

Die Isaf teilte mit, ein Team aus Isaf-Angehörigen und Vertretern der afghanischen Regierung habe inzwischen das Gefängnis auf dem Stützpunkt Bagram untersucht, um die Umstände der Koranverbrennung zu prüfen. Die Koran-Exemplare, die entsorgt werden sollten, waren dort Häftlingen zur Verfügung gestellt worden.

Zwei afghanische Untersuchungskommissionen mit Regierungsvertretern, Geistlichen und Abgeordneten verurteilten die "beleidigende und schändliche Tat der Koranverbrennung". Sie appellierten in einer gemeinsamen Erklärung aber auch an die Afghanen, Zurückhaltung zu üben. (dpa, dapd, rtr, AFP)

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