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Die Kampfoperationen der USA im Irak sind nach US-Medienberichten offiziell beendet.

© dpa

Nach US-Abzug: Türkei und Iran kämpfen um Einfluss im Irak

Die Karten der Macht werden nach dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak neu gemischt: Im Vordergrund stehen die regionalen Rivalen Iran und Türkei - den Irakern selbst bleibt nur eine Zuschauerrolle.

Schon jetzt sind der Iran und die Türkei beim Nachbarn Irak höchst aktiv – und ihre Rivalität wird wachsen. Anders als im Atomstreit, bei dem der Westen den Türken eine Annäherung an die Iraner vorwarf, kollidieren im Irak die Interessen von Ankara und Teheran. Der Türkei geht es im Irak um Stabilität, einen Ausbau der Handelsbeziehungen und vor allem um den territorialen Zusammenhalt des Landes: Eine Abspaltung des kurdischen Nordirak vom Rest des Landes will Ankara unter allen Umständen verhindern. Dagegen favorisieren die Iraner eine Stärkung der irakischen Einzelregionen, besonders des schiitischen Südens, zu Lasten der Zentralgewalt in Bagdad.

Auch hat die Islamische Republik kein Interesse an der Entwicklung einer stabilen Demokratie nach westlichem Muster im Irak – die Türkei aber schon. Ankara braucht verlässliche irakische Partner, besonders für die Einhaltung inzwischen geschlossener Abkommen zur Bekämpfung der im Nordirak verschanzten PKK-Kurdenrebellen. Der US-Einfluss im Irak, der auch nach dem Abzug der Kampftruppen anhalten wird, ist aus iranischer Sicht schlecht, aus türkischer Sicht dagegen gut, weil er kurdischen Autonomiebestrebungen entgegen wirkt.

Iran stört sich an Allawis Sieg bei Parlamentswahl

„Im Irak sind die Interessen von Türkei und USA deckungsgleich“, sagte der Irak-Experte Bilgay Duman vom Zentrum für Strategische Nahost-Studien in Ankara (Orsam) am Donnerstag dem Tagesspiegel. Beide Staaten wollen den Erhalt des Irak als Gesamtstaat – und beide wollen den Einfluss Teherans so weit es geht zurückdrängen. Der Iran sieht das natürlich nicht sehr gerne. „Die Rolle der Türkei im Irak wird von den Iranern als Bedrohung gesehen“, sagte Duman.

Türkische Diplomaten bemühen sich um Kontakte zu allen ethnischen Gruppen im Irak und eröffneten im Lauf der vergangenen Jahre mehrere Konsulate, im schiitischen Basra ebenso wie im nordirakischen Mossul und im kurdischen Erbil. Hinter dem Ausbau der Verbindungen stehen auch wirtschaftliche Interessen. Türkische Baufirmen sind besonders im Nordirak gut im Geschäft, und die Türkei dient als Transitland für irakische Ölexporte zum Mittelmeer.

Auch bei den jüngsten Parlamentswahlen im Irak mischten Türken und Iraner kräftig mit. Die Türkei unterstützte den früheren Ministerpräsidenten Ijad Allawi und dessen säkulären Block Iraqiya, während der Iran auf den schiitischen Regierungschef Nuri al-Malaki setzte. Allawis Sieg habe die Iraner gewurmt, sagte Irak-Experte Duman.

Machtvakuum durch US-Rückzug

Seitdem ist Ankara noch einen Schritt weiter gegangen. Um die Regierungsbildung in Bagdad zu beeinflussen, versuchen die Türken, schiitische Gruppen im Irak aus der iranischen Einflusssphäre herauszulösen. Im Juli traf sich der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu, der Architekt der neuen, aktiveren türkischen Außenpolitik, in Damaskus mit Allawi und dem schiitischen Prediger Muktada al-Sadr, einem bisherigen Verbündeten der Iraner.

So mancher irakischer Politiker ist genervt von den Einmischungen. Außenminister Hoschjar Zebari etwa beklagte vor einigen Wochen, die Probleme bei der Regierungsbildung in Bagdad gingen vor allem auf die Interventionen von außen zurück. Besonders die Türkei und der Iran versuchten, das durch den US-Abzug entstehende Machtvakuum zu füllen. Diese Woche sagte der Kurdenpolitiker Zebari der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“, die Türkei werde allmählich so umtriebig in der Gegend, dass eine „Gegenmacht“ gebraucht werde.

Dass Zebaris Kritik viel ändern wird, ist nicht zu erwarten. „Die Region sucht ein neues Gleichgewicht“, sagte Irak-Experte Duman. Und Türken wie Iraner sind dabei, ihr ganzes Gewicht in die Waagschale zu werfen.

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