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Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Die FDP lehnt den Kompromiss zum Betreuungsgeld ab, neue Streit in der Koalition droht.

© dapd

FDP lehnt Kompromiss ab: Neuer Koalitionskrach um das Betreuungsgeld

Es sei eine schwierige und ernste Situation, meint CSU-Chef Horst Seehofer. Denn der Koalitionspartner, die FDP, lehnt das Betreuungsgeld ab. Damit steht die Koalition vor einer Zerreißprobe - wieder einmal.

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Angela Merkel kann, wenn ihr etwas ernst ist, sehr knapp und doch sehr deutlich werden. Als die CDU-Chefin am Montag in den Spitzengremien der Partei die Sitzung eröffnet, kommt sie sofort zur Sache: „Es führt nicht zum Erfolg, wenn jeder macht, was er für richtig hält“, sagt Merkel.

Die Adressaten der Botschaft schweigen. Reiner Haseloff, Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, hat am Freitag im Bundesrat einem SPD-Antrag für eine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten zur Mehrheit verholfen. Und seine Thüringer Kollegin Christine Lieberknecht hat gemeinsam mit ihrem SPD- Koalitionspartner dafür gesorgt, dass die Länderkammer für einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn stimmte.

Beides widerspricht der Beschlusslage der CDU. Das wäre Problem genug. Fraktionschef Volker Kauder staucht die Abweichler denn auch zusammen: mangelnde Solidarität der Länder, und dann auch noch Rufe aus den Reihen der CDU-Frauen in der Fraktion nach einer freien Abstimmung – unmöglich, so etwas! Die Frauenquote, stellt Generalsekretär Hermann Gröhe später öffentlich klar, sei „keine Gewissensfrage“.
Doch es ist nicht allein die Disziplinlosigkeit nach innen, die die CDU-Führung aufregt, auch nicht nur die Sorge um die Geschlossenheit vor der Landtagswahl in Niedersachsen, die der dortige Ministerpräsident David McAllister anmahnt. Der Sonderweg der CDU-Ministerpräsidenten könnte weitaus schwerwiegendere Folgen haben. In der FDP ist seit der Präsidiumsklausur am Sonntag eine neue Debatte über das Betreuungsgeld im Gange. Und in dieser Debatte spielt die Frage taktisch eine Rolle, wie koalitionstreu die Liberalen noch sein müssen, wenn in der CDU die Länderfürsten schon auf Disziplin pfeifen.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring stellt den Zusammenhang am Montag offen her: Die FDP sei vertragstreu, erwarte das gleiche aber von der Union. „Wir haben nicht die Absicht, diese erfolgreiche Koalition infrage zu stellen“, sagt Döring. Allerdings gebe es im Bundesrat offenbar „andere Verbindungen“. Und was das Betreuungsgeld angehe: Der Kompromiss, den die Union vorige Woche intern gefunden habe, würde höhere Belastungen im Haushalt verursachen, darüber müsse man jetzt reden. „Die Vorbehalte der FDP sind damit nicht ausgeräumt“, sagt der Generalsekretär.

Diese Vorbehalte wurden der FDP-Präsidiumssitzung deutlich. Die FDP findet das CSU-Projekt zugunsten daheim erziehender Eltern ohnehin falsch, hat ihm aber im Rahmen eines Koalitionsgipfels zugestimmt. Doch der Kompromiss, mit dem die Unionsführung ihre eigenen internen Kritiker besänftigen wollte, würde den Betreuungsgeldbeschluss noch teurer machen als er ohnehin ist. Denn dieser Kompromiss sieht vor, dass Eltern das Geld wahlweise zur Rentenaufbesserung nutzen können – und dann noch einen Staatszuschuss bekommen.
Zusätzliche Ausgaben widersprechen aber der von FDP-Chef Philipp Rösler ausgegebenen Parole, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt schon bis 2014 hinzukriegen. Der Nordrhein-Westfale Christian Lindner nagelte den Vorsitzenden fest: „Unionsinterne Einigung zum Betreuungsgeld kostet noch mehr Geld. Es gilt daher weiter: Solange der Bundeshaushalt ein Milliardendefizit hat, verbieten sich neue staatliche Leistungen“, schrieb Lindner auf seiner Facebook-Seite.

Am Montag legte sich die gesamte FDP-Führung fest: Der unionsinterne Kompromiss werde „so nicht kommen“, die Union müsse der FDP an anderer Stelle etwas geben. Koalitionsuntreu sei das nicht, denn vereinbart worden sei in der Koalition das Betreuungsgeld, nicht ein Betreuungsgeld plus.

Wie ernst die neue Lage ist, kann man daraus ersehen, dass CSU-Chef Horst Seehofer nicht wie bei früher Gelegenheit theatralisch mit dem Koalitionsbruch droht. Es sei eine „schwierige und ernste Situation“ entstanden, sagt Seehofer nur. Dass sie eine „Retourkutsche“ der FDP für die Ereignisse im Bundesrat sein könnte, schließt Seehofer nicht aus. Mehrere Telefonate mit Merkel, Rösler und beiden zusammen seien ergebnislos geblieben: „Die Situation ist verfahren.“

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