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Merkel wütend auf Netanjahu: "Nicht das Geringste für den Frieden getan"

Bundeskanzlerin Angela Merkel vermisst den Einsatz von Netanjahu für den Frieden in Nahost. In einem Telefonat mit dem israelischen Premierminister soll es einen lautstarken Wortwechsel gegeben haben.

Mitten hinein in die dramatische Eskalation in Libyen und die nachrevolutionäre Instabilität in Ägypten und Tunesien ist es zu einer schweren Auseinandersetzung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gekommen. In einem bereits am Montag geführten Telefonat habe Merkel die israelische Regierung offen und hart für deren Untätigkeit in den Friedensverhandlungen mit den Palästinensern kritisiert, schrieb die israelische Tageszeitung „Haaretz“ am Freitag unter Berufung auf Kreise der Bundesregierung. Das Gespräch sei „extrem spannungsgeladen“ und von „gegenseitigen Vorwürfen sowie schonungslosen Aussagen“ geprägt gewesen. Merkel genießt in Israel einen guten Ruf und gilt als Freundin des Landes. Die israelisch-palästinensische Auseinandersetzung hält sie für den zentralen Konflikt im Nahen und Mittleren Osten. Eine Lösung hat für sie hohe Priorität.

Der Initiator des Telefonats sei Netanjahu gewesen, heißt es bei „Haaretz“. Er habe sich enttäuscht gezeigt über die Zustimmung Deutschlands zu einem Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat mit dem Ziel einer Verurteilung der israelischen Siedlungspolitik. Daraufhin habe Merkel geantwortet: „Wie können Sie es wagen? Sie sind es, der uns enttäuscht hat. Sie haben nicht das Geringste getan, um den Frieden voranzubringen.“ Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, bestätigte am Freitag das Telefongespräch, bestritt aber, dass es einen lautstarken Wortwechsel gegeben habe. Die Bundesregierung erwartet offenkundig, dass Israel jetzt einen Vorschlag macht und sich aktiv an der Gestaltung der Zukunft der Region beteiligt. In Brüssel sind in den nächsten Wochen Gespräche mit Israelis und Palästinensern geplant. Der UN-Sicherheitsrat hatte vor gut einer Woche über einen Resolutionsentwurf mehrerer arabischer Staaten zur Verurteilung der israelischen Siedlungspolitik abgestimmt. Weil die US-Regierung ihr Veto einlegte, wurde der Entwurf abgelehnt.

Als Reaktion auf die Gewalt in Libyen hat sich die EU unterdessen im Grundsatz auf Sanktionen geeinigt. „Wir setzen darauf, dass der formale Beschluss ... Anfang nächster Woche erfolgt“, hieß es am Freitag im Auswärtigen Amt in Berlin. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat vorgeschlagen, Einreisesperren gegen die libysche Herrscherfamilie sowie ein Embargo für Lieferungen von Waffen und Güter zu verhängen, die zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden können. Außerdem soll in der EU das Vermögen der Gaddafi-Familie gesperrt werden. Auch die USA verhängten Sanktionen gegen Libyen. Die Strafmaßnahmen richteten sich gegen das Regime von Staatschef Muammar al-Gaddafi, nicht gegen das libysche Volk, erklärte Präsident Barack Obama am Freitagabend (Ortszeit) in Washington. Auf Anordnung des Präsidenten sollen die Vermögen der Führungsriege um Gaddafi eingefroren werden, auch die der Kinder des Staatschefs und aller Personen, die an Menschenrechtsverstößen gegen Regierungsgegner beteiligt waren. Die UN wollten noch am Samstag Strafmaßnahmen beschließen. Die EU verständigte sich prinzipiell auf ein Sanktionspaket.

Die USA würden jegliche Militärhilfen für Tripolis unterbinden, kündigte US-Regierungssprecher Jay Carney an. Zudem würden die diplomatischen Beziehungen gekappt. Die Nato schaltete sich ebenfalls mit einem Sondertreffen in die Krise ein. Ein unmittelbares militärisches Handeln der Allianz ist laut Diplomaten nicht geplant.

Wie die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay in Genf sagte, könnten bei dem Aufstand in Libyen nach einigen Quellen „Tausende getötet oder verletzt worden sein“. Der UN-Menschenrechtsrat setzte eine Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen ein. Zudem empfahl er der UN-Vollversammlung, Libyens Mitgliedschaft im Rat zu suspendieren. Die diplomatische Vertretung Libyens bei den UN in Genf hatte Staatschef Muammar al Gaddafi zuvor die Gefolgschaft aufgekündigt.

Derweil gingen die Kämpfe in Libyen weiter. Weite Teile des Landes sind nicht mehr unter der Kontrolle Gaddafis. Nach Angaben des Fernsehsenders Al Dschasira wurden bei Protesten in Tripolis mehrere Menschen getötet und viele verletzt. Gaddafi rief seine Gefolgsleute zur Verteidigung des Landes auf. „Macht euch bereit zum Kampf für Libyen!“ rief der 68-Jährige Zehntausenden Anhängern in einer vom Staatsfernsehen verbreiteten Rede auf dem Grünen Platz in Tripolis zu. Anschließend kam es auf dem Platz zu Zusammenstößen von Gaddafi-Anhängern und Regimegegnern.

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