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Im Ortenaukreis zwischen Rhein und Schwarzwald sind bereits Bezahlkarten im Einsatz.

© dpa/Philipp von Ditfurth

Update

Bundesweite Einführung beschlossen: Bezahlkarte für Asylbewerber soll im Sommer kommen

Geflüchtete sollen einen Teil der staatlichen Leistungen künftig über eine Bezahlkarte bekommen – fast alle Länder haben sich auf Standards geeinigt. Ein Migrationsexperte zweifelt an ihrem Effekt. 

| Update:

Eine Bezahlkarte für die Auszahlung staatlicher Leistungen für Asylbewerber wird nach Angaben von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) bundesweit eingeführt. Das teilte Rhein als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch in Wiesbaden mit.

Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sollen für die Einführung einer Bezahlkarte aber eigene Wege gehen. Demnach gebe es vor allem Abweichungen im Vergabeverfahren. Die 14 anderen Bundesländer hätten sich auf ein gemeinsames Verfahren geeinigt, die Vergabe werde für den Sommer angestrebt.

Warum wird die Bezahlkarte für Asylbewerber eingeführt?

Die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten sich im November 2023 darauf verständigt, dass Asylbewerber in Deutschland mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte bekommen sollen.

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Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte daraufhin Vorschläge für bundesweite Mindeststandards erarbeitet. Bei der geplanten Ausschreibung geht es vor allem um einen gemeinsamen Dienstleister für die technische Infrastruktur. 

Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen bei der Vergabe eigene Wege, wollen aber ebenfalls eine Bezahlkarte einführen.

Mitteilung der hessischen Landesregierung

Die Nutzung solcher Bezahlkarten soll Schutzsuchenden die Möglichkeit nehmen, Geld aus staatlicher Unterstützung in Deutschland an Angehörige und Freunde im Herkunftsland zu überweisen.

Die Bezahlkarte sei grundsätzlich in allen Branchen einsetzbar, aber nicht im Ausland. Auch Karte-zu-Karte-Überweisungen und sonstige Überweisungen im In- und Ausland seien nicht vorgesehen.

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„Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität“, so der hessische Ministerpräsident.

Bezahlkarte: Länder entscheiden über Guthaben

„Mit einer Bezahlkarte werden Bargeldauszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich“, sagte der Co-Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). Rhein sieht darin einen wichtigen Schritt, um Anreize für illegale Migration nach Deutschland zu senken.

„Leistungsberechtigte sollen perspektivisch einen Teil der Leistungen als Guthaben auf einer Karte anstelle einer Barauszahlung erhalten. Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheidet jedes Land selbst“, teilte Rhein weiter mit.

Asylbewerber erhalten gesetzlich festgelegte Regelleistungen und darüber hinaus besondere Unterstützung etwa im Fall von Krankheit oder Schwangerschaft.

Modellversuch für Bezahlkarten läuft seit Dezember

In einigen Kommunen wurden bereits in Modellversuchen Bezahlkarten für Flüchtlinge eingeführt, mit denen sie staatliche Leistungen als Guthaben erhalten, aber nicht mehr als Bargeld. So beispielsweise seit dem Dezember 2023 im Landkreis Greiz in Thüringen.

Auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine waren nach dem Angriff auf ihr Land am 24. Februar 2022 zunächst nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt worden. Seit Juni 2022 sind sie in die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II (vormals Hartz IV, jetzt Bürgergeld) integriert.

Neu ankommende Ukrainerinnen und Ukrainer erhalten den Angaben zufolge weiter Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, bis ihnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Ende 2022 hatten rund 482.300 Menschen nach Angaben des Statistischen Bundesamts Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen, Zahlen für 2023 liegen bisher nicht vor.

Migrationsexperte hält Wirkung für überschätzt

Nach Einschätzung des Migrationsforschers Herbert Brücker wird die Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte für Asylbewerber nicht dazu führen, dass Asylantragszahlen reduziert oder Rücküberweisungen in die Herkunftsländer verhindert werden. „Die Effekte, die man sich von einer Bezahlkarte für Asylbewerber erhofft, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten“, sagte der Migrationsexperte vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag).

Es gebe so gut wie keine belastbaren Erkenntnisse dazu, dass die Höhe der Leistungen für Asylbewerber die Zahl der Asylanträge beeinflusst. Dies gelte für Barzahlungen wie für Coupon-Zahlungen, sagte Brücker. Auch das Argument der Bezahlkarten-Befürworter, dass viele Asylbewerber Rücküberweisungen in ihre Herkunftsländer tätigen würden, lasse sich empirisch nicht belegen.

„Wir wissen aus Studien, dass nur zehn bis 20 Prozent der Asylbewerber überhaupt solche Rücküberweisungen tätigen.“ Nur ein sehr kleiner Kreis von Flüchtlingen überweise also Geld zurück in die Heimat, erläuterte Brücker. Auch seien die überwiesenen Summen sehr gering. Wenn es doch zu Rücküberweisungen komme, sei deren Effekt „nicht per se negativ“.

„Denn mit dem Geld werden in der Regel Familienangehörige unterstützt, die dadurch eher in ihren Ländern bleiben, weil sich ihre Lebensumstände verbessern.“ Die Vorstellung, dass mit deutschen Asylbewerberleistungen Schlepper finanziert würden, nannte der Forscher „schlichtweg realitätsfern“.

Umgekehrt könne es sogar negative Effekte geben, wenn die Bezahlkarte nicht klug ausgestaltet sei. „Sollte diese Karte etwa auf bestimmte Anbieter wie Supermarktketten beschränkt sein, kann es dort zu Preiserhöhungen kommen.“ Denn diese könnten ihre Preise anpassen, wenn sie wissen, dass Asylbewerber nicht so einfach auf andere Anbieter ausweichen können, gab Brücker zu bedenken. (dpa/epd)

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