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Was die Fraktionen im Bundestag machen mit dem Geld der Steuerzahler, kann der Rechnungshof nur unzureichend prüfen.

© Kay Nietfeld/dpa

Bundesrechnungshof übt harsche Kritik am Bundestag: Nutzen Fraktionen Steuergeld für unzulässige Parteienwerbung?

Kontrolleure werfen Parlament vor, die gesetzlich verlangte Klarheit bei der Verwendung von Fraktionsmitteln zu unterlassen.

Der Bundesrechnungshof sieht sich in seiner Kontrollfunktion vom Bundestag beschnitten. Und zwar in einem heiklen Punkt – der Aufsicht über die Verwendung der Fraktionsmittel. Genauer gesagt: bei der Verwendung des Geldes für die Öffentlichkeitsarbeit. 

Damit steht einmal mehr die Frage im Raum, ob und wie weit die Parteien Steuermittel für ihre eigenen Zwecke nutzen und damit möglicherweise sogar verfassungswidrig handeln. Nach der Debatte um die Wahlrechtsreform tut sich hier ein weiteres Feld auf, das im Wahljahr für Diskussionen um den Bundestag sorgen kann: Umwege in der Parteienfinanzierung.

Rechnungshofpräsident Kay Scheller beklagt angesichts eines am Dienstag vorgelegten Berichts seiner Behörde ein Defizit, das der Bundestag nicht beseitige. „Für die Verwendung von Haushaltsmitteln durch die Bundestagsfraktionen gibt es keine klaren und praxistauglichen Regeln“, sagt er. 

Basis für Kontrolle fehlt

Und damit fehlt dem Rechnungshof eine wichtige Voraussetzung für seine Tätigkeit – denn ohne Regeln ist eine Prüfung, ob sie eingehalten werden, unmöglich.  Auch die Prüfung der wirtschaftlichen Verwendung von Steuergeld ist erschwert.

Zwar ist die Rechtsgrundlage dafür schon 1995 geschaffen worden.  Damals wurde das Abgeordnetengesetz ergänzt, damit Regelungen für mehr Transparenz und Kontrolle beiden Fraktionsfinanzen greifen können. Auch die Geschäftsordnung des Bundestags wurde entsprechend angepasst. 

Keine verbindlichen Kriterien

Doch hat das Parlament es bisher versäumt, die im Gesetz vorgesehenen Ausführungsbestimmungen zu erlassen und damit die Regeln zu konkretisieren. So gibt es keine verbindlichen Kriterien für den Umgang mit den Haushaltsmitteln, gerade bei der Verwendung für die Darstellung der Fraktionsarbeit nach außen.  Jede Fraktion macht, was sie für richtig hält.

Und das hält Scheller für falsch. Das Fehlen klarer Regeln für alle „birgt die Gefahr, dass Fraktionen diese Mittel für Parteiaufgaben oder gar Wahlkampfzwecke einsetzen“, befürchtet er. Nicht umsonst hat der Rechnungshof seinen Bericht vor Beginn des Bundestagswahlkampfes vorgelegt. „Neue Formate der sozialen Medien verstärken das Problem“, so die Erkenntnis des Rechnungshofpräsidenten.

120 Millionen Euro frei verfügbar

Etwa 120 Millionen Euro haben die Fraktionen jedes Jahr an freien Mitteln aus dem Bundesetat für die parlamentarische Arbeit zur Verfügung. Dazu kommen die Räume des Parlaments und seine technische Infrastruktur. 

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Fraktionen sind, wenn man so will, als Organisationen dazu da, die Arbeit der Abgeordneten zu ordnen und zu unterstützen. Verlängerter Arm der Parteiorganisationen im Parlament aber sind sie nicht. Insbesondere ihre Öffentlichkeitsarbeit ist daher für die Haushaltsprüfer von Bedeutung. Das Gesetz gibt vor, dass diese sich strikt auf Fraktionsaufgaben beschränkt. Aber der Übergang zur Parteienwerbung ist fließend.

Neue Formate in sozialen Medien

Scheller warnt daher: „“Genau hier haben die Fraktionen  ein hohes Interesse, nicht nur zu informieren, sondern auch für ihre Partei und damit mittelbar für deren Wahl zu werben.“ Gerade mit der Digitalisierung und neuen, bisweilen täglich eingesetzten Formaten wie „moderierte Shows, Talkformate, Dokumentarfilme oder  Nachrichtenmagazine“ kommt es laut Rechnungshofbericht dazu, dass der erforderliche „eindeutige Bezug“ zur Tätigkeit der Fraktion oft nicht mehr zu erkennen sei. 

Zulässige Formen sind laut Scheller etwa Videos von Parlamentsreden oder sachliche Mitteilungen etwa zu Tagesordnungen. Klar unzulässig seien Wahlaufrufe oder die direkte Unterstützung von Wahlkreiskandidaten oder von Kanzlerkandidaten einer Partei.  

Produzierte Inhalte

Vor allem der Bereich dazwischen ist jedoch von Belang, weil hier etwa in Podcasts oder Interviews, also produzierten Inhalten, die "Leitplanken" fehlten, wie Scheller es ausdrückt. Er hält auch eine Löschpflicht für unzulässige Beiträge in sozialen Medien für nötig. Einen „Bildungsauftrag“ hätten Fraktionen nicht, so die Ansicht des Rechnungshofs.

Scheller, der früher jahrelang CDU/CSU-Fraktionsdirektor war, und seine Behörde fordern daher den Bundestag auf, die nötigen konkreten Regeln zu formulieren. Dazu gehörten auch Sanktionen, wenn Fraktionen sic h nicht daran halten. Bis dato sei es so, dass Fraktionen bei zweckwidriger Verwendung nicht einmal Rückforderungen fürchten müssten. Gefragt ist hier vor allem Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und der Ältestenrat.

Vorgabe aus Karlsruhe

Ein „verbesserter Rechtsrahmen“ sei nötig, lautet die Position des Rechnungshofs. Dabei verweist er  auch auf das Bundesverfassungsgericht. Das hat 2015 entschieden, dass ein „gesetzliches Regelungskonzept verfassungswidrig sei, „wenn die vorgesehenen Schutzmechanismen in einer Weise lückenhaft oder sonst unzureichend sind, die eine gegen das Grundgesetz verstoßende Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Parteien fördert.“

Scheller fürchtet daher, dass die Defizite "die Legitimation für das System der Fraktionsfinanzierung in Frage stellen könnten".

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